Wind und Sonne statt toter Bäume
500 Windkraftanlagen oder 29 Quadratkilometer Solaranlagen könnten die Menge Strom ersetzen, die RWE mit der Braunkohle unter dem Hambacher Wald erzeugen will. Die Folgekosten mit eingerechnet, wäre der vergleichbare Ökostrom deutlich günstiger.
Rund 100 Millionen Tonnen Braunkohle liegen noch unter dem Hambacher Wald. Dort will RWE ran und lässt daher, gemeinsam mit der Landesregierung NRWs, die Baumhäuser der Klimaaktivisten räumen, um ab Mitte Oktober den Wald fast komplett zu roden. Die Wirtschaftswoche und Volker Quaschning, Professor für regenerative Energiesysteme, haben gemeinsam errechnet, dass die Braunkohle aus dem Hambacher Wald noch maximal 95 Milliarden Kilowatt Strom hergeben würde. Und in Betrachtung der reinen Stromgestehungskosten gehört die Braunkohle zu den günstigsten Stromlieferanten. Sie liegt bei 4,59 bis 7,98 Cent/kWh.
Doch berechnet man die Klimafolgeschäden mit ein, so würde der Braunkohlestrom schnell auf einen Preis von 10,75 Cent/kWh kommen, rechnet Quaschning vor und bezieht sich dabei auf Untersuchungen des Umweltbundesamtes. Das Forum für Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft rechnete in einer Studie zusätzlich noch die Gesundheitskosten ein, die die Gesellschaft pro Jahr zahlen muss. Unter Beachtung beider Parameter für Klima- und Gesundheitsfolgen kostet die Braunkohle sogar 22 bis 24 Cent/kWh. 2017 betrugen die gesamtgesellschaftlichen Kosten für die Kohleverstromung demnach 28 Milliarden Euro.
Erneuerbare Energien deutlich günstiger
- Braunkohle: bis zu 24 Cent/kWh
- Windkraft (Onshore): ca. 6,5 Cent/kWh
- Photovoltaik: ca. 5 Cent/kWh
Laut den Berechnungen Quaschnings benötigt man etwa 500 moderne Windkraftanlagen, mit einer angenommenen Lebensdauer von 20 Jahren, um ebenfalls 95 Milliarden Kilowatt Strom zu erzeugen. Der Experte für regenerative Energiesysteme geht dabei von Onshore Windanlagen aus, die im Raum Köln bei mittleren Jahresgeschwindigkeiten laufen. Die Stromgestehungskosten von Onshore-Windkraft liegen zwischen 3,99 Cent/kWh bei starkem Wind in küstennahen Standorten und 8,23 Cent/kWh bei schwachem Wind im Landesinneren. Auch bei Windkraftanlagen gibt es Folgekosten für die Umwelt, doch die nehmen sich mit 0,38 Cent/kWh äußerst gering aus. Strom aus Windkraftanlagen im Rheinland wäre somit deutlich günstiger, als die Verstromung der Kohle unter dem Hambacher Wald.
Für Photovoltaikanlagen sind die Umweltkosten mit 1,82 Cent/kWh zwar etwas teurer, doch die Stromgestehungskosten von 4 bis 5 Cent/kWh im Schnitt noch einmal günstiger als die Windkraft. Nach Berechnungen Quaschnings könnten 29 Quadratkilometer Solarstromanlagen, mit einer Lebensdauer von 25 Jahren, die Braunkohle aus dem Hambacher Wald komplett ersetzen. Auch hier geht er von den Wettergegebenheiten und entsprechenden Sonneneinstrahlungsdaten im Raum Köln aus.
Bis 2040 will RWE auf einer Fläche von 85 km2 Braunkohle abbauen
- Bislang in Anspruch genommene Fläche für Braunkohle-Abbau: 60 km2
29 Quadratkilometer Solaranlagen würden gerade einmal ein Drittel des Hambacher Tagebau füllen, sollte dieser bis zum Jahre 2040 nach den Plänen RWEs weiterlaufen. Dann wäre seit 1978 auf einer Fläche von 85 Quadratkilometer Braunkohle abgebaut worden. Aktuell sind 45 km2 in Betrieb. Bis 2040 will RWE weitere 25 km2 in Anspruch nehmen.15 km2 befinden sich in der sogenannten Renaturierung und 25 km2 sollen in naher Zukunft – inklusive des Hambacher Waldes – umgepflügt werden.
Doch der Widerstand dagegen ist groß. Im Hambacher Wald stellen sich die Klimaaktivisten – unterstützt von einem breiten zivilgesellschaftlichen Bündnis – mit großer Vehemenz den Räumungen und Rodungen in den Weg. Und sollte der Wald doch einmal gerodet werden, gibt es noch die Wiese von Kurt Claaßen, die RWEs Abbaupläne bislang behindert. Südwestlich des Hambacher Waldes gelegen, hat Claaßen, der Eigentümer der Wiese, das Grundstück den Klimaaktivsten zur Verfügung gestellt, die dort zum Teil campieren. RWE will das Grundstück für rund 15.000 Euro kaufen. Claaßen jedoch beziffert den Wert des Grundstücks, aufgrund der darunter befindlichen Braunkohle, auf 36,8 Milliarden Euro. RWE hat daher bei der Bezirksregierung Arnsberg Antrag auf Enteignung gestellt. Das Verfahren läuft.
Quelle
Der Bericht wurde von
der Redaktion “energiezukunft“ (mf) 2018 verfasst – der Artikel darf nicht
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werden! | energiezukunft | Heft 24 / Sommer 2018 | „20 Jahre liberalisierter
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