Blaues Wachstum kennt noch keine Grenzen
Eicke R. Weber plädiert für globale Nachhaltigkeit, um den Planeten für künftige Generationen zu erhalten.
Wirtschaftswachstum ist schlecht, wir stoßen an Grenzen, lernten wir vom bekannten Bericht des Club of Rome. Nur wie halten wir es mit Entwicklungs- und Schwellenländern unten auf der wirtschaftlichen Erfolgsleiter? Diese Länder brauchen Wachstum, eine Chance, wenigstens in die Nähe unseres Wohlstandsniveaus zu kommen. Doch ist unsere Art von Wohlstand überhaupt ein Vorbild für die Entwicklung aller Länder?
Sicher nicht. Die Menschheit kann so, wie die reichen Länder es bisher vormachen, nicht überleben. Wir haben in den letzten 150 Jahren ein wirtschaftliches System aufgebaut, das auf der Ausbeutung und Verschwendung der in Jahrhundertmillionen angesammelten Schätze der Erde an fossilen Brennstoffen, Mineralien und anderer stofflichen Ressourcen beruht. Wenn wir so weitermachen, mit oder ohne weiteres Wachstum, werden wir das Erdklima aus den Angeln heben und bis zum Ende dieses Jahrhunderts an die Grenzen der Ausbeutung nicht erneuerbarer Ressourcen stoßen.
Grünes Wachstum hilft nicht viel, das unsere Umwelt schützt, die Biodiversität der Erde erhält, auf den Einsatz von Chemikalien wie Pestiziden oder Antibiotika in der Tierhaltung verzichtet: wohlgemeinte Ziele, die die Ausbeutung der Ressourcen wenig verändern.
Wir brauchen eine andere Art von Wachstum: Wachstum, das den Übergang auf globale Nachhaltigkeit ermöglicht, auf erneuerbare Energien, auf Bereitstellung von ausreichend Trinkwasser mit nachhaltigen Methoden, nachhaltige Landnutzung, Wachstum, das den Erhalt dieses unseres blauen Planeten für zukünftige Generationen von Menschen ermöglicht. Für dieses Wachstum bevorzuge ich den Begriff des blauen Wachstums, dem es um den Erhalt der Erde für das Fortleben der Menschheit geht.
Grünes Wachstum wird allgemein als wirtschaftliche Chance anerkannt, die Entwicklung umweltschonender Prozesse ist sicher ein gutes Geschäft. Dagegen sind uns die Chancen des für die Menschheit noch wichtigeren blauen Wachstums weitgehend unbekannt.
Die Entwicklung der Photovoltaikindustrie (PV) ist ein interessantes Beispiel: In ungeplanter deutsch-chinesischer Allianz konnten wir die Kosten des Sonnenstroms so senken, dass er bei uns in Deutschland weniger als zehn Cent pro Kilowattstunde kostet, in sonnenreichen Gebieten der Erde glatt die Hälfte. Wir schufen durch das Erneuerbare Energiengesetz den Markt dafür, Investitionen in PV Anlagen lohnten sich. China entschied sich für den Aufbau der als strategisch wichtig erkannten PV-Industrie. Durch unsere Forschung hatten wir die besten Herstellungsprozesse für Solarzellen. Daher kauften chinesische Firmen, von der Regierung unterstützt, bei uns zwischen 2008 und 2011 für mindestens 30 Milliarden Dollar Ausrüstung zur PV-Herstellung und halfen uns so, 2009/10 eine Rezession zu vermeiden.
Zu viel: 2012 übertraf die globale PV-Produktionskapazität den Absatz am Markt um das Doppelte. Notverkäufe von Firmen in Schwierigkeiten trieben die Preise unter die Herstellungskosten vieler PV-Produzenten, bei uns wie in China. Dies führte zu Pleiten und Firmenübernahmen. Heute haben wir einen durch die niedrigen Preise rasch wachsenden globalen Solarmarkt. Wir erwarten durch eine Vervielfachung des heutigen Solarmarktes bis 2050 etwa 5000 bis 30 000 Gigawatt (GW) zu installieren, heute haben wir erst 200 GW! Wir verpassen aber gerade diese Chancen blauen Wachstums durch das schlechte Investitionsklima für PV in Deutschland, besonders durch eine Abgabe auf selbsterzeugten PV-Strom.
Wir erkennen nicht die Chancen blauen Wachstums für Deutschland durch unsere weltweit führenden Technologien für den Umbau des Energiesystems wie der Wirtschaft generell auf Nachhaltigkeit. Wir hören nur, die Energiewende ginge viel zu schnell und wir müssten Arbeitsplätze in der Kohleindustrie bewahren – ohne die wirklich in jeder Hinsicht sehr viel attraktiveren Chancen des blauen Wachstums zu sehen.
Blaues Wachstum ist für unsere weitere Existenz unerlässlich, blaues Wachstum gibt Menschen in unterentwickelten Ländern Zugang zu Energie und die Chance, ihr Leben in die eigene Hand zu nehmen statt an Auswanderung zu denken. Es gibt allen Ländern, die diese Chance beherzt ergreifen, große wirtschaftliche Chancen. Blaues Wachstum baut globale Konflikte ab und schafft so die Voraussetzungen für friedliche Konfliktlösungen – blaues Wachstum wird noch lange nicht an Grenzen stoßen!
Quelle
Eicke R. Weber 2014 | Der Autor ist Direktor des Fraunhofer- Instituts für Solare Energiesysteme | Erstveröffentlichung „Badische Zeitung“ | 06.06.2015