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Bürgerinitiative will Deutschlands erste Bürger-Solarfabrik bauen

In Kirchberg an der Jagst fand gestern der öffentliche Auftakt zu Deutschlands erster Bürger-Solarfabrik statt.

Viel wurde auf europäischer Ebene über neue Fabriken im Green-Tech-Sektor und in der Solarproduktion gesprochen, aber dabei blieb es bislang. Gleichzeitig löste die Diskussion um den amerikanischen Inflation Reduction Act unter Präsident Biden fast panikartige Reaktionen in Berlin und Brüssel aus. Doch eine starke politische Unterstützung von Seiten der Bundesregierung und der EU-Kommission in einem ambitionierten Programm steht aus. Die einzige Solarfabrik mit Meyer-Burger wurde fast ohne öffentliche Unterstützung aufgebaut. Jetzt nehmen die Bürgerinnen und Bürger das Thema Solarfabrikation selbst in die Hand.  

© bürger-solarfabrik.de

In Kirchberg an der Jagst fand gestern der öffentliche Auftakt zu Deutschlands erster Bürger-Solarfabrik statt. Das Ziel des Initiators Gerhard Kreutz und der von ihm 1994 gegründeten Energieinitiative Kirchberg e.V.: Das Prinzip 100 % erneuerbare Energien aus Bürgerhand auch auf die Produktion der dafür benötigten Technologie auszuweiten und in Deutschland Kapazitäten von 15 Mio. Modulen pro Jahr aufzubauen. Statt großer Investoren oder Energiekonzerne sollen Bürgerinnen und Bürger aus ganz Europa selbst den Aufbau dieser Bürger-Solarfabrik finanzieren und an den Gewinnen daraus beteiligt werden. Dr. Paul Grunow, Mitgründer von Solon und Q-Cells ist Projektleiter. Rudolf Harney vom ISC Konstanz und Peter Fath vom RCT aus Konstanz projektieren derzeit weltweit Giga-Fabs und bringen ihre unternehmerische Erfahrung im Aufbau und Betrieb von Solarfabriken in das Projekt ein.  

Bislang haben Bürgerinnen erfolgreich den Aufbau von profitablen Solar- und Windparks finanziert – bei einem Finanzierungsvolumen von bis zu 20 Mio. Euro pro Projekt. Doch durch den Ukrainekrieg ist auch den Bürgerenergie-Akteuren die Anfälligkeit der internationalen Lieferketten schmerzhaft bewusst geworden, und sind bislang auch Bürgerenergiegenossenschaften von Solarpanels aus China abhängig. Eine heimische Solarfabrik bedeutet also auch, die Energiewende unabhängig und sicher zu machen.  

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Über hundert interessierte Bürgerinnen und Bürger kamen zu der gestrigen Auftaktveranstaltung. Nun sollen die Aktivitäten angestoßen werden, die das bürgerliche Beteiligungskapital organisieren und die Pläne der Fabrik voranbringen. Ziel der Initiative ist, 600 Mio. Euro einzusammeln. Europaweit werden Bürgerinnen eingeladen, das Eigenkapital bereitzustellen und als Teilhaber an dem Aufbau, Betrieb und Gewinnen der Fabrik teilzuhaben.  

Spannend ist auch das Ziel der Organisatoren, die Fabrikarbeit als solche zu revolutionieren und aus einer Fabrik einen Ort der „sinnstiftenden, befriedigenden Arbeit in einem ermutigenden Umfeld“ zu schaffen. Die Fabrikgründer wollen die gesamte Produktion von Solarpaneelen an der Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) ausrichten, die beispielsweise keine überhöhten Managergehälter auszahlen möchte, sondern die Gehälter lieber gerecht über alle Mitarbeiter verteilt. Weiterhin soll die Fabrik von vornherein dem Gedanken der Kreislaufwirtschaft folgen und nach dem „Cradle-to–Cradle“-Prinzip alle Produkte so herstellen, dass sie in technische und natürliche Kreisläufe eingebracht werden können.  

Nach vielen Jahrzehnten eines Quasi-Monopols weniger großer Energiekonzerne auf die Energieproduktion, Energienetze und den Vertrieb der Energie; nach der systematischen Zerstörung der heimischen Solarindustrie unter der Regierung Merkel ab 2012; und nach vielen Jahrzehnten der erfolgreichen dezentralen Eigenproduktion von Bürgerenergie-Gemeinschaften und der von ihnen vorangetriebenen Demokratisierung des Energiebereiches ist die bürgerproduzierte Solarfabrik der nächste Meilenstein für die Bürgerenergie. 

Quelle

Hans-Josef Fell 2023 | Präsident der Energy Watch Group (EWG) und Autor des EEG

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