Klimawandel trifft deutsche Wirtschaft indirekt
Der Klimawandel wirkt sich nicht nur auf die Umwelt, sondern in erheblicher Weise auch auf Wirtschaftssysteme aus. Klimaschäden bei Zulieferern wirken sich auch hierzulande aus.
Der Klimawandel wirkt sich nicht nur auf die Umwelt, sondern in erheblicher Weise auch auf Wirtschaftssysteme aus. Auf 800 Milliarden Euro schätzt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) die Kosten des Klimawandels in Deutschland – davon alleine 100 Milliarden Euro in der Rückversicherungsbranche. Doch nicht nur hierzulande entstehen Kosten – die deutsche Wirtschaft ist auch indirekt betroffen.
Die Folgen des Klimawandels sind in Deutschland bislang nur bedingt spürbar. Umso stärker wirken sie sich jedoch in anderen Teilen der Welt aus – auch in Ländern, in die deutsche Unternehmen zuletzt immer größere Teile ihrer Wertschöpfungskette ausgelagert haben.
Als Beispiel kann die Flutkatastrophe 2001 in Thailand herangezogen werden, die dort 400 Opfer forderte. Auch die globale Automobilbranche war von den Überflutungen mit einem Gesamtschaden von 45 Milliarden US-Dollar betroffen. So wurden durch die Flutkatastrophe täglich etwa 6.000 Fahrzeuge weniger produziert, was unter anderem bei Volkswagen, Audi und Porsche zu Lieferengpässen führte.
Indirekte Klimaschäden gefährden deutsche Wirtschaft
Diese durch den Klimawandel in anderen Ländern bedingten Störungen oder Ausfälle von Zulieferketten und Absatzmärkten können die stark import- und exportabhängige deutsche Volkswirtschaft empfindlicher treffen, als Klimaschäden hierzulande. Hinzu kommen weitere, noch nicht absehbare Kosten, beispielsweise sich mittel- bis langfristig verändernde grenzüberschreitende Investitionen, zunehmende Migration und Einflüsse auf die Stabilität von Staaten.
Sowohl langfristige Klimaveränderungen wie die Zunahme der weltweiten Durchschnittstemperaturen als auch häufigere und stärkere Extremwetterereignisse werden auf die unternehmerische Wertschöpfungskette auswirken und dabei Beschaffungs-, Prozess-, Nachfrage- und Managementrisiken vergrößern.
Laut dem Weltklimarat IPCC werden die Auswirkungen des Klimawandels in den nächsten Jahren in anderen Weltregionen (insbesondere in Teilen Nord- und Südamerikas, Afrikas und Asiens) größere direkte Schäden und wirtschaftliche Einbußen verursachen als in Deutschland. Damit steigt in der näheren Zukunft (bis 2030) das Risiko für indirekte klimabedingte Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft. Die Schlüsselindustrien der deutschen Wirtschaft wie Automobilbau, Maschinenbau und Chemieindustrie sind davon potenziell besonders betroffen, da diese von einem international breit gefächerten Netzwerk von Zulieferern abhängig ist.
Klimarisiken in alle Entscheidungen entlang der Wertschöpfungskette einbeziehen
Ein vom Umweltbundesamt einberufener Stakeholderdialog rät daher, Transportwege zu diversifizieren, um so Abhängigkeiten von einzelnen Zulieferern zu verringern und Beschaffungsrisiken zu minimieren. Zusätzlich sollen quantitative Daten zu den Auswirkungen des Klimawandels öffentlich zugänglich gemacht werden, die bislang schon Versicherungen vorliegen.
Mit diesen Daten kann ermittelt werden, ob durch Anpassungsmaßnahmen ein Mehrwert für Unternehmen geschaffen werden kann. Klimarisiken sollten zudem in alle Entscheidungen des unternehmerischen Managements entlang der Wertschöpfungskette einbezogen werden. Dazu bietet es sich an, das Klimarisikomanagement in bestehende Geschäftsprozesse, wie etwa das Risiko-, Umwelt- oder Qualitätsmanagement anzukoppeln.
Wie die Wirtschaft mit wachsenden Klimarisiken umgehen kann
Gemeinsam mit den Teilnehmenden des UBA-Stakeholderdialogs wurden folgende Ansatzpunkte für den Umgang mit den zukünftig wachsenden indirekten Klimarisiken identifiziert:
- Quantitative Daten zu den Auswirkungen des Klimawandels sind wichtig, um unternehmensintern berechnen zu können, ob durch eine Anpassungsmaßnahme ein Mehrwert für das Unternehmen erwartet werden kann. Zum Teil liegen solche „harten“ quantitativen Daten bei den Versicherungen bereits vor. Diese sollten öffentlich zugänglich gemacht werden, um sie beispielsweise für ein regelmäßiges Monitoring nutzen zu können.
- Gerade kleine und mittlere Unternehmen (KMU) haben in der Regel keine Kapazitäten, sich weltweite Daten zu Klimarisiken zu verschaffen und diese zu analysieren. Hier könnten Informationen über Fallbeispiele und Schadensfälle aus der Vergangenheit Anstöße zur Verbesserung eines Klimarisikomanagements entlang der Wertschöpfungskette geben. Vermittelt werden könnten solche Informationsgrundlagen über staatliche Institutionen, Forschungseinrichtung oder auch durch Unternehmensverbände und Handelskammern.
- Um Beschaffungsrisiken zu minimieren, können Zuliefererstrukturen und Transportwege diversifiziert werden, um so Abhängigkeiten von einzelnen Zulieferern zu verringern. Auch kann in die Verbesserung der Bedingungen bei den einzelnen Lieferanten vor Ort investiert werden.
- Klimarisiken müssen prinzipiell in alle Entscheidungen des unternehmerischen Managements entlang der Wertschöpfungskette integriert werden. Beispiele hierfür sind: Investitionsentscheidungen (Risiken-/Chancen-Evaluation), Lieferantenauswahl (Kriterienkatalog beim Einkauf), Standortwahl des eigenen Unternehmens, Berücksichtigung von klimabedingten Absatzrisiken bei der Entwicklung von Absatzmärkten. Zielführend könnte sein, das Klimarisikomanagement nicht als völlig neues, zusätzliches Thema einzuführen, sondern an bestehende Geschäftsprozesse wie etwa das Risiko-, Umwelt- oder Qualitätsmanagement anzukoppeln. Dies trifft im Besonderen für KMU zu.
- Weitere Lösungsansätze zum Umgang mit Klimarisiken sind Notfallmanagementpläne, stärkere Anreize von Seiten der Versicherungen (beispielsweise durch geringere Versicherungsprämien bei verbesserter Risikovorsorge) sowie die Kommunikation der Problematik über Architekten, das Baugewerbe oder Consultingfirmen. Auch Tools wie der von prognos im Auftrag des BMWi entwickelte KLIMACHECK können Unternehmen dabei helfen, ihre relevanten Klimarisiken zu identifizieren und zu bewerten. Nach der Analyse gibt der KLIMACHECK den Unternehmen Anregungen und Maßnahmenvorschläge zum Umgang mit den Klimarisiken (s. Lühr et al. 2014).
- Als möglicher Ansatzpunkt auf staatlicher Ebene wurden Förderprogramme als Anreiz für die unternehmerische Anpassung genannt – auch wenn Klimaanpassung grundsätzlich im eigenen, privatwirtschaftlichen Interesse der Unternehmen liegt. Doch gerade KMU, die für die deutsche Gesamtwirtschaft eine tragende Rolle spielen, haben mangels eigener Kapazitäten häufig einen deutlichen Unterstützungsbedarf durch öffentlich bereitgestellte Informationen zur Entwicklung von Klimarisiken.
- „Erfolgsfaktoren für die Förderung zur Anpassung an den Klimawandel“ (pdf) | Climate Change | 11/2017 | Der Bericht identifiziert sechs Erfolgsfaktoren bei der Förderung von Anpassungsmaßnahmen: Kontinuität, Praxisbezug, Anschlussfähigkeit, Mainstreaming, Förderkonditionen und Unterstützung. Zudem skizziert er den Prozess der Weiterentwicklung, Organisation und Durchführung des Wettbewerbs „Blauer Kompass“, mit dem das Umweltbundesamt lokale und regionale Unternehmen, Vereine, Verbände, Stiftungen, Forschungsinstitute und Bildungseinrichtungen auszeichnet, die Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels in Deutschland innovativ und wegweisend umsetzten.
- Weitere Informationen: „Wie der Klimawandel indirekt die deutsche Wirtschaft trifft“