Strom und Gas: Europa in der Energiekrise
Energiepreise in ganz Europa schießen durch die Decke und Länder bemühen sich, Bürger zu entlasten. Nicht alle sind energietechnisch so abhängig von Russland wie Deutschland – doch mit der Inflation wird überall gerungen.
Die Europäische Union beschloss vor wenigen Wochen, gemeinsam Gas zu sparen. Alle Länder sollen – bisher noch auf freiwilliger Basis – bis 2023 Gas einsparen. Einige Länder haben dies deutlich nötiger als andere. Doch die durch die Energiekrise verursachte Inflation trifft alle. Im Juli lag die Inflationsrate im Euroraum laut Statista durchschnittlich bei rund 8,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Dies ist der höchste Wert seit Bestehen der Eurozone. Länder bemühen sich um Ausgleich für Bürger – und stimmen auf einen harten Winter ein.
Großbritannien
Die Briten müssen mit einem weiteren Preissprung für Strom und Gas rechnen. Nachdem Energiekosten im April bereits um mehr als die Hälfte gestiegen waren, droht nun im Herbst ein weiterer Preissprung von bis zu 80 Prozent. Die Preise sind bereits gedeckelt, allerdings wird die Preisobergrenze ab Oktober bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr angehoben. Die britische Regierung sieht dies als notwendigen Schritt, da Marktpreise weiter steigen. Entlastungen für bedürftige Haushalte wurden zwar angekündigt, entschieden ist allerdings noch nichts.
Hilfsorganisationen warnen, dass mehr als die Hälfte aller Briten von Armut bedroht seien. Viele Briten stünden diesen Winter vor der Wahl, zu hungern oder zu frieren. Die Inflationsrate in Großbritannien stieg im Juli auf über 10 Prozent. Dies ist der höchste Wert in über 40 Jahren.
Frankreich
Frankreich stellt sich auf eine mögliche Energieknappheit ein. Bereits seit vergangenem Herbst deckelt die französische Regierung die Energiepreise auf eine Steigerung von maximal 4 Prozent. Ohne die Unterstützung des Staats hätten sich Energiepreise bereits mehr als verdoppelt. Die Regierung will die Zuschüsse im Herbst beenden – und dauerhaft den Energieverbrauch senken.
Grund für die drohende Knappheit ist weniger der Ukraine Krieg und mehr die französischen Atomkraftwerke, die nicht wie geplant Strom liefern. Präsident Emmanuel Macron kündigte inzwischen eine Sitzung des nationalen Sicherheitsrats an, der sich dem Energieproblem widmen soll. Die Inflationsrate in Frankreich lag im Juli mit 6,8 Prozent deutlich unter dem Eurodurchschnitt.
Italien
In Italien sind die Energiepreise wie in kaum einem anderen Land explodiert. Im Vorjahresvergleich stiegen die Kosten teilweise um mehr als das Dreifache und die Inflationsrate lag im Juli bei rund 7,9 Prozent. Industrie und Gastronomie sind besorgt, Medien berichten, dass sich der Pizzapreis verdoppelt habe. Energiesparvorgaben gibt es nur wenige.
Dabei ist das südeuropäische Land fast ebenso abhängig von Gas wie Deutschland. Zwar bezieht Italien weniger Gas aus Russland. Doch beinahe die Hälfte des Stroms wird durch Gas produziert. Sollte Russland seine Lieferungen stoppen, könnte Italien bereits im Dezember auch mit gefüllten Gasspeichern an seine Grenzen kommen.
Spanien
Ganz anders sieht es in Spanien aus. Das Land ist deutlich weniger abhängig von Gas – und hat trotzdem eins der umfangreichsten Energiesparpakete in Europa beschlossen. Unter anderem dürfen öffentliche Gebäude nur noch auf 27 Grad gekühlt und auf 19 Grad geheizt werden. Alle Beleuchtungen von unbenutzten Gebäuden wie Büros, Schaufenstern und Denkmälern müssen ab 22 Uhr abgestellt werden.
Obwohl Spanien keine Gasknappheit droht, hat das Land mit über 10,8 Prozent eine der höchsten Inflationsraten im Euroraum. Ein Großteil geht auf Energiekosten zurück. Trotz Steuererleichterungen verdoppelte sich bereits im Frühjahr der Energiepreis auch in Spanien.
Strommarkt in Europa
Das liegt vor allem daran, dass der Strompreis für ganz Europa an die teuersten Kraftwerke gekoppelt sind – und damit derzeit an Gaskraftwerke. Die Teuerung trifft deshalb auch Spanien hart, obwohl es selbst weniger am Gas hängt. Die EU-Staaten diskutieren inzwischen über eine Reform des Strommarkts. Auch eine Entkoppelung des Strom- vom Gaspreis wird diskutiert.
Quelle
Der Bericht wurde von der Redaktion “energiezukunft“ (jb) 2022 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung weiterverbreitet werden! | energiezukunft | Heft 31/2021 | „Dezentral Erneuerbar – ein Update“ | Jetzt lesen | Download