Mikroben im Fokus: Warum Naturschutz neu gedacht werden muss
Sie sind unsichtbar, winzig – und unverzichtbar: Mikroorganismen. Ob Bakterien im Boden, Pilze an Pflanzenwurzeln oder Mikroben in den Ozeanen – ohne sie könnten Ökosysteme, Landwirtschaft und sogar die menschliche Gesundheit nicht funktionieren.

Dennoch spielen sie im klassischen Naturschutz bislang kaum eine Rolle. Forschende der Philipps-Universität Marburg fordern nun, das zu ändern: Naturschutz müsse künftig auch Mikroben systematisch einbeziehen.
„Mikroben sind die unsichtbaren Motoren des Lebens“, sagt Prof. Dr. Robert Junker vom Fachbereich Biologie. Gemeinsam mit seiner Kollegin Prof. Dr. Nina Farwig plädiert er in einem aktuellen Meinungsbeitrag in der Fachzeitschrift PNAS für die Etablierung eines neuen Forschungsfeldes: den mikrobiellen Naturschutz.
Unsichtbare Helfer – und bedrohte Vielfalt
Die Rolle der Mikroorganismen ist immens: Bodenbakterien mobilisieren Nährstoffe, Pilze helfen Pflanzen beim Wachsen, Ozeanmikroben binden Kohlendioxid. Besonders anschaulich ist das am Beispiel des menschlichen Darms: Ohne das Zusammenspiel unzähliger Mikroben könnten wir Nährstoffe kaum aufnehmen – mit gravierenden Folgen für unsere Gesundheit. Genau diese Abhängigkeit gilt, so Junker, auch für ganze Ökosysteme.
Doch die Vielfalt der Mikroben ist bedroht. Klimawandel, Umweltzerstörung und intensive Landwirtschaft setzen den empfindlichen Gemeinschaften zu. Was das bedeutet, zeigt sich an entscheidenden Prozessen: Böden verlieren ihre Fruchtbarkeit, klimaschädliche Gase werden langsamer abgebaut, die Stabilität ganzer Ökosysteme gerät ins Wanken.
Ein neuer Fahrplan für den Naturschutz
Bislang richten sich Schutzstrategien fast ausschließlich auf Tiere und Pflanzen. Doch ohne Mikroben, so warnen Junker und Farwig, fehlt die Grundlage für viele Leistungen der Natur. „Es ist höchste Zeit, Mikroben in den Naturschutz einzubeziehen – nur so sichern wir die Basis für funktionierende Ökosysteme und globale Gesundheit“, betont Farwig.
Die Forschenden schlagen deshalb einen klaren Fahrplan vor:
- Integration in Schutzkonzepte: Mikroben sollen systematisch in bestehende Naturschutzstrategien aufgenommen werden.
- Anpassung von Rahmenbedingungen: Auch rechtliche und politische Vorgaben müssen erweitert werden.
- Bewusstsein schaffen: Öffentlichkeit und Politik sollten stärker für die Bedeutung mikrobieller Vielfalt sensibilisiert werden.
Marburg als Standort für Pionierarbeit
Mit dem Profilbereich Mikrobiologie, Biodiversität, Klima und dem Exzellenzcluster M4C sieht sich die Philipps-Universität Marburg bestens aufgestellt, um diese neue Dimension des Naturschutzes zu entwickeln. Ziel sei es, den Schutz der Natur auf die nächste Ebene zu heben – hin zu einem umfassenden Verständnis, das auch die kleinsten, aber entscheidenden Akteure im Blick hat: Mikroben.