Arbeitgeber Umwelt 3/3
HÖRZU Zukunftsreport 3/3: Neue Energien und neue Mobilität schaffen am Bau und in der Industrie mehr Jobs – ein ökologisches Wirtschaftswunder ist möglich, sagt Umweltexperte Franz Alt im dritten Teil des Zukunfts-Reports.
Neue Arbeit braucht das Land – aber wie? Die frisch gewählten Berliner Regierungspartner wollen mit wirtschaftlichem Wachstum Arbeitsplätze schaffen. Dabei sind die alten Wirtschaftsbranchen längst an die Grenzen ihres Wachstums gekommen. In fast allen alten Branchen wurden in den letzten zehn Jahren Arbeitsplätze abgebaut: im Baugewerbe über 500.000, in der Landwirtschaft 100.000, in der Textilbranche 60.000, bei Kohle und Atom 40.000. Und wo gab es neue Jobs?
In der Umweltbranche arbeiten 2009 schon mehr als 1,8 Millionen Menschen, allein im Bereich der erneuerbaren Energien knapp 300.000 – Tendenz steigend. Das Umweltministerium schätzt, dass bis 2020 schon 500.000 und bis 2030 eine Million Menschen für erneuerbare Energien arbeiten werden.
Neue Energie und neue Mobilität bedeuten, wie in den vorhergehenden Folgen beschrieben, viele neue Jobs und sind ein Segen für die Umwelt. Die Ökologie ist kein Jobkiller, wie viele befürchten, sie ist vielmehr der Jobknüller des 21. Jahrhunderts. Wir können mit smarten Konzepten ein neues Wirtschaftswunder organisieren, diesmal ein ökologisches. Wir müssen den Planeten nicht ruinieren. Noch haben wir die Chance, einen Fluchtweg aus dem Treibhaus zu organisieren.
Bei der letzten Hannover-Messe sagte die Bundeskanzlerin, Deutschland könneallein im Bereich der Energie-Effizienz in den nächsten zehn Jahren 800.000 neue Jobs bekommen. Wenn wir zum Beispiel unsere Häuser besser dämmen, sparen wir Geld und Energie, schonen die Umwelt und schaffen neue Arbeitsplätze. Worauf warten wir also noch? 90 Prozent der Häuser in Deutschland sind alte Bauten, verbrauchen bis zu 80 Prozent mehr Heizenergie als nötig. Der hundertprozentige Umstieg auf erneuerbare Energie führt weltweit zu Millionen neuen Jobs. 2008 wurden global erstmals 120 Milliarden Dollar in erneuerbare Energien investiert. Im Jahr 2012 werden es bereits 800 Milliarden Dollar sein.
Unsere Autos, Schiffe und Flugzeuge verbrauchen noch immer viel zu viel Sprit. Eine intelligentere Mobilität, so hat Professor Heiner Monheim von der Universität Trier ausgerechnet, würde in Deutschland zu einer weiteren Million neuer Arbeitsplätze führen. Und wenn die heute noch weitgehend an der Chemie orientierte Landwirtschaft künftig Ökolandwirtschaft betreibt, ist das nicht nur gut für unsere Gesundheit, sondern führt auch zu 150.000 neuen Arbeitsplätzen. Chancen überall. Wenn wir unsere Wasserleitungs- und vor allem Abwasserleitungssysteme erneuern, was in vielen Kommunen dringend nötig ist, schaffen wir Zehntausende neuer Arbeitsplätze. Im gesamten Gesundheitswesen, in der Altenpflege, in allen Bereichen der Dienstleistungen wird in den nächsten Jahren ein Riesenbedarf an neuer Arbeit entstehen. Gesellschaften, die an ihren Zukunftsproblemen arbeiten und nicht über die Probleme jammern, organisieren Vollbeschäftigung. Wenn wir lernen, mit der Natur und nicht mehr gegen die Natur zu arbeiten, bekommen wir alle einen Job. Die Natur kennt keine Arbeitslosigkeit. Ein Frosch oder ein Grashalm sind nie arbeitslos. Die Natur kennt nur Vollbeschäftigung.
Ökobranche als Jobmotor
Lange galt in der Bundesrepublik der Grundsatz: Umweltschutz und Profit schließen sich aus. Doch inzwischen ermuntern selbst Großkonzerne und Global Players in den USA, in England und Deutschland ihre Regierungen, endlich beim Umweltschutz konsequenter zu sein. Umweltschutz wird der bedeutendste deutsche Industriezweig, sagt zum Beispiel die Unternehmensberatung Roland Berger. „Im Jahr 2020 wird die Umweltbranche mehr Mitarbeiter ernähren als die beiden heutigen Leitbranchen Automobilbau und Maschinenbau zusammen.“
Und Michail Gorbatschow sagte mir in einer Diskussion in Bochum: „Deutschland wird Umwelt-Supermacht.“ Das heißt natürlich auch, dass die Ökobranche zum Jobmotor in Deutschland wird. Umweltschutz und Klimaschutz sind Industrien, die schon heute die Exportschlager von morgen entwickeln. Denn die Ökologie wird die modernere und intelligentere Ökonomie.
Worauf sollten sich junge Leute bei ihrer Jobsuche einstellen? Das ökologische Wirtschaftswunder, das wir schaffen können, kann zum Beispiel so aussehen: Wir werden Millionen Altbauten energetisch renovieren. Wir werden sparsame Elektrogeräte bauen, Wasser sparende Wasch- und Spülmaschinen kaufen. Wir werden umweltfreundlich heizen – mit Sonne, Holz und Erdwärme. Wir bauen Millionen neue Häuser als kleine Solarkraftwerke und nutzen Biokraftstoffe, solaren Wasserstoff sowie elektrische An-triebe in Millionen Autos.
Viele Unternehmer haben bereits begriffen, dass eine gesunde und intakte Umwelt die Voraussetzung für erfolgreiches Wirtschaften ist. Dass in Deutschland eine frühere konservative Umweltministerin Bundeskanzlerin ist, dass in Frankreich eine frühere Umweltministerin sozialistische Präsidentschaftskandidatin war und dass der Umweltaktivist Al Gore in den USA Vizepräsident war, sind deutliche Hinweise auf den ökologischen Wandel in der Politik.
Und die Verbraucher? Wir? Nur wer informiert ist, kann sein Verhalten ändern. Eine aufgeklärte Gesellschaft hat keine Angst mehr vor Veränderung, sondern macht sich auf einen neuen Weg. Was wir brauchen, ist Lust auf Zukunft. Wir sollten die „Geiz ist geil“-Mentalität“ durch eine „Geist ist geil“-Mentalität ersetzen. Ein Beispiel: Die entscheidende Frage für kluge Rechner heißt nicht „Welches ist das billigste Lebensmittel?“, sondern „Was bekommt mir am besten?“. So ernähre ich mich gesund und preiswert.
Besonders energieaufwendig ist die Fleischproduktion. Um ein Kilogramm Fleisch herzustellen, muss etwa siebenmal so viel Getreide verfüttert und müssen riesige Mengen an Wasser aufgewendet werden. Außerdem erzeugt der Viehbestand einen Großteil des Ausstoßes von Methan, das 22-mal so klimazerstörend wirkt wie Kohlendioxid (CO2). Das heißt: „Wer sich klimafreundlich ernähren will, sollte weniger Tierprodukte essen“, sagt der frühere bayerische Umweltminister Werner Schnappauf. Und zudem tut man so etwas für seinen Geldbeutel und seine Gesundheit. Von wegen, Öko muss teuer sein. Unterm Strich gilt eher: Grün gewinnt!
Grün gewinnt schon deshalb, weil nur solche Ökonomien leistungsfähig sein werden, die ökologisch verträglich sind. Es geht bei Öko also nicht um Verzicht oder Opfer oder Askese, sondern um ein besseres Leben für alle, um mehr Wohlstand für alle und um mehr Arbeitsplätze. Wenn wir gut sind, muss in 20 Jahren auf dieser Erde kein Kind mehr verhungern.
Wie 46 andere Länder hat zum Beispiel China inzwischen das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz übernommen. Dadurch erfuhr die Produktion von Solartechnologien dort einen zusätzlichen Boom. Im bevöl-kerungsreichsten Land der Welt nutzen bereits 150 Millionen Menschen Solarwärme. China produziert etwa sechsmal mehr thermische Solaranlagen als alle 27 EU-Staaten zusammen – dadurch entstanden mehr als eine halbe Million neue Arbeitsplätze. Dieses Beispiel macht deutlich: Der Wind des Wandels weht weltweit. Eine bessere Welt ist möglich.
Zahlen, Daten, Fakten
- Windenergie Nach Prognosen des zuständigen Verbandes in Schleswig-Holstein wird die Windenergie-Branche im Jahr 2010 doppelt so vielen Menschen wie heute einen Job bieten können. 2008 waren 85.100 Menschen in diesem Bereich angestellt.
- Sonnenenergie Arbeiteten 1998 noch 1500 Beschäftigte in der Photovoltaik-Branche, waren es 2008 schon 57.000 Arbeitnehmer. Im Bereich der Solarthermie waren im gleichen Jahr 17.400 Menschen beschäftigt. Zum Vergleich: Im Vorjahr waren es hier noch 12.100 Arbeitnehmer.
- Insgesamt hat sich die Zahl der Beschäftigten in der Branche der erneuerbaren Energien seit 1998 vervierfacht (Anstieg von 332 Prozent). 2008 machte die Branche im Inland einen Umsatz von 30 Milliarden Euro.
- Noch mehr Umwelt-Jobs Eineinhalb Millionen Menschen arbeiten im Umweltbereich – mehr als in der Automobilbranche. Durch das Förderprogramm für Altbauten wurden zum Beispiel 25.000 Arbeitsplätze am Bau erhalten. Und Deutschland ist Umwelt-Exportweltmeister: 2007 wurden Umweltgüter im Wert
Downloads:
HÖRZU Zukunftsreport: So ist unsere ERDE noch zu retten 1/3
HÖRZU Zukunftsreport: Stadt von Morgen 2/3
HÖRZU Zukunftsreport: Arbeitgeber Umwelt 3/3
Quelle
Franz Alt | Erstveröffentlichung HÖRZU Nr. 44/2009