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© Fotolia | Simon Kraus | Je mehr Klimaschutz, desto mehr neue Arbeitsplätze, zeigt eine neue Studie.

Arbeitgeber Umwelt 3/3

HÖRZU Zukunftsreport 3/3: Neue Energien und neue Mobilität schaffen am Bau und in der Industrie mehr Jobs – ein ökologisches Wirtschaftswunder ist möglich, sagt Umweltexperte Franz Alt im dritten Teil des Zukunfts-Reports.

Neue Arbeit braucht das Land – aber wie? Die frisch gewählten Berliner Regierungspartner wollen mit wirt­schaftlichem Wachstum Arbeits­plätze schaffen. Dabei sind die alten Wirt­schaftsbranchen längst an die Grenzen ihres Wachstums gekommen. In fast allen alten Branchen wurden in den letzten zehn Jahren Arbeitsplätze abgebaut: im Baugewerbe über 500.000, in der Landwirtschaft 100.000, in der Textilbranche 60.000, bei Kohle und Atom 40.000. Und wo gab es neue Jobs? 

In der Umweltbranche arbeiten 2009 schon mehr als 1,8 Millionen Menschen, allein im Bereich der erneuerbaren Energien knapp 300.000 – Tendenz steigend. Das Umweltmi­nisterium schätzt, dass bis 2020 schon 500.000 und bis 2030 eine Million Menschen für er­neuerbare Energien arbeiten werden. 

Neue Energie und neue Mobilität bedeuten, wie in den vorhergehenden Folgen beschrieben, viele neue Jobs und sind ein Segen für die Umwelt. Die Ökologie ist kein Jobkiller, wie viele befürchten, sie ist vielmehr der Jobknüller des 21. Jahrhunderts. Wir können mit smarten Konzepten ein neues Wirtschaftswunder organisieren, diesmal ein ökologisches. Wir müssen den Planeten nicht ruinie­ren. Noch haben wir die Chance, einen Fluchtweg aus dem Treib­haus zu organisieren. 

Bei der letzten Hannover-Messe sagte die Bundeskanzlerin, Deutschland könneallein im Bereich der Energie-Effizienz in den nächsten zehn Jahren 800.000 neue Jobs bekommen. Wenn wir zum Beispiel unsere Häuser besser dämmen, sparen wir Geld und Energie, schonen die Umwelt und schaffen neue Arbeitsplätze. Worauf warten wir also noch? 90 Prozent der Häuser in Deutschland sind alte Bauten, verbrauchen bis zu 80 Pro­zent mehr Heizenergie als nötig. Der hun­dertprozentige Umstieg auf erneuerbare Energie führt weltweit zu Millio­nen neuen Jobs. 2008 wurden glo­bal erstmals 120 Milliarden Dollar in erneuerbare Energien inves­tiert. Im Jahr 2012 werden es be­reits 800 Milliarden Dollar sein.

Unsere Autos, Schiffe und Flug­zeuge verbrauchen noch immer viel zu viel Sprit. Eine intelligentere Mobilität, so hat Pro­fessor Heiner Monheim von der Universität Trier ausgerechnet, würde in Deutschland zu einer weiteren Million neuer Arbeitsplätze führen. Und wenn die heute noch weitgehend an der Chemie orientierte Landwirtschaft künftig Ökolandwirtschaft betreibt, ist das nicht nur gut für unsere Gesundheit, son­dern führt auch zu 150.000 neuen Arbeits­plätzen. Chancen überall. Wenn wir unsere Wasserleitungs- und vor allem Abwasserleitungssysteme erneuern, was in vielen Kommunen dringend nötig ist, schaffen wir Zehntausende neuer Arbeitsplätze. Im gesamten Gesundheitswesen, in der Alten­pflege, in allen Bereichen der Dienstleistun­gen wird in den nächsten Jahren ein Riesen­bedarf an neuer Arbeit entstehen. Gesell­schaften, die an ihren Zukunftsproblemen arbeiten und nicht über die Probleme jammern, organisieren Vollbeschäftigung. Wenn wir lernen, mit der Natur und nicht mehr gegen die Natur zu arbeiten, bekom­men wir alle einen Job. Die Natur kennt keine Arbeitslosigkeit. Ein Frosch oder ein Grashalm sind nie arbeitslos. Die Natur kennt nur Vollbeschäftigung.

Ökobranche als Jobmotor

Lange galt in der Bundesrepublik der Grund­satz: Umweltschutz und Profit schließen sich aus. Doch inzwischen ermuntern selbst Großkonzerne und Global Players in den USA, in England und Deutschland ihre Regierungen, endlich beim Umweltschutz konsequenter zu sein. Umweltschutz wird der bedeutendste deutsche Industriezweig, sagt zum Beispiel die Unternehmensbera­tung Roland Berger. „Im Jahr 2020 wird die Umweltbranche mehr Mitarbeiter ernähren als die beiden heutigen Leitbranchen Auto­mobilbau und Maschinenbau zusammen.“

Und Michail Gorbatschow sagte mir in einer Diskussion in Bochum: „Deutschland wird Umwelt-Supermacht.“ Das heißt natürlich auch, dass die Ökobranche zum Jobmotor in Deutschland wird. Umweltschutz und Klimaschutz sind Industrien, die schon heute die Exportschlager von morgen entwickeln. Denn die Ökologie wird die moder­nere und intelligentere Ökonomie. 

Worauf sollten sich junge Leute bei ihrer Jobsuche einstellen? Das ökologische Wirt­schaftswunder, das wir schaffen können, kann zum Beispiel so aussehen: Wir werden Millionen Altbauten energetisch renovieren. Wir werden sparsame Elektrogeräte bauen, Wasser sparende Wasch- und Spülmaschi­nen kaufen. Wir werden umweltfreundlich heizen – mit Sonne, Holz und Erdwärme. Wir bauen Millionen neue Häuser als kleine Solarkraftwerke und nutzen Biokraftstoffe, solaren Wasserstoff sowie elektrische An-triebe in Millionen Autos. 

Viele Unternehmer haben bereits begriffen, dass eine gesunde und intakte Umwelt die Voraussetzung für er­folgreiches Wirtschaften ist. Dass in Deutsch­land eine frühere konservative Umweltminis­terin Bundeskanzlerin ist, dass in Frankreich eine frühere Umweltministerin sozialistische Präsidentschaftskandidatin war und dass der Umweltaktivist Al Gore in den USA Vize­präsident war, sind deutliche Hinweise auf den ökologischen Wandel in der Politik.

Und die Verbraucher? Wir? Nur wer infor­miert ist, kann sein Verhalten ändern. Eine aufgeklärte Gesellschaft hat keine Angst mehr vor Veränderung, sondern macht sich auf einen neuen Weg. Was wir brauchen, ist Lust auf Zukunft. Wir soll­ten die „Geiz ist geil“-Men­talität“ durch eine „Geist ist geil“-Mentalität erset­zen. Ein Beispiel: Die ent­scheidende Frage für kluge Rechner heißt nicht „Wel­ches ist das billigste Lebens­mittel?“, sondern „Was be­kommt mir am besten?“. So ernähre ich mich gesund und preiswert.

Besonders energieaufwendig ist die Fleischproduktion. Um ein Kilogramm Fleisch her­zustellen, muss etwa siebenmal so viel Ge­treide verfüttert und müssen riesige Mengen an Wasser aufgewendet werden. Außerdem erzeugt der Viehbestand einen Großteil des Ausstoßes von Methan, das 22-mal so klima­zerstörend wirkt wie Kohlendioxid (CO2). Das heißt: „Wer sich klimafreundlich ernäh­ren will, sollte weniger Tierprodukte essen“, sagt der frühere bayerische Umweltminister Werner Schnappauf. Und zudem tut man so etwas für seinen Geldbeutel und seine Gesundheit. Von wegen, Öko muss teuer sein. Unterm Strich gilt eher: Grün gewinnt!

Grün gewinnt schon deshalb, weil nur solche Ökonomien leistungsfähig sein wer­den, die ökologisch verträglich sind. Es geht bei Öko also nicht um Verzicht oder Opfer oder Askese, sondern um ein besseres Leben für alle, um mehr Wohlstand für alle und um mehr Arbeitsplätze. Wenn wir gut sind, muss in 20 Jahren auf dieser Erde kein Kind mehr verhungern.

Wie 46 andere Länder hat zum Beispiel China inzwischen das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz übernommen. Dadurch er­fuhr die Produktion von Solartechnologien dort einen zusätzlichen Boom. Im bevöl-kerungsreichsten Land der Welt nutzen be­reits 150 Millionen Menschen Solarwärme. China produziert etwa sechsmal mehr ther­mische Solaranlagen als alle 27 EU-Staaten zusammen – dadurch entstanden mehr als eine halbe Million neue Arbeitsplätze. Die­ses Beispiel macht deutlich: Der Wind des Wandels weht weltweit. Eine bessere Welt ist möglich.

Zahlen, Daten, Fakten

  • Windenergie Nach Prognosen des zuständigen Verbandes in Schleswig-Holstein wird die Windenergie-Branche im Jahr 2010 doppelt so vielen Menschen wie heute einen Job bieten können. 2008 waren 85.100 Menschen in diesem Bereich angestellt.
  • Sonnenenergie Arbeiteten 1998 noch 1500 Beschäftigte in der Photovoltaik-Branche, waren es 2008 schon 57.000 Arbeit­nehmer. Im Bereich der Solarthermie waren im gleichen Jahr 17.400 Menschen beschäf­tigt. Zum Vergleich: Im Vorjahr waren es hier noch 12.100 Arbeitnehmer.
  • Insgesamt hat sich die Zahl der Beschäf­tigten in der Branche der erneuerbaren Ener­gien seit 1998 vervierfacht (Anstieg von 332 Prozent). 2008 machte die Branche im Inland einen Umsatz von 30 Milliarden Euro.
  • Noch mehr Umwelt-Jobs Eineinhalb Milli­onen Menschen arbeiten im Umweltbereich – mehr als in der Automobilbranche. Durch das Förderprogramm für Altbauten wurden zum Beispiel 25.000 Arbeitsplätze am Bau erhal­ten. Und Deutschland ist Umwelt-Exportwelt­meister: 2007 wurden Umweltgüter im Wert
Hör Zu
Quelle

Franz Alt | Erstveröffentlichung HÖRZU Nr. 44/2009

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