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Grüne Informationstechnik: „Anwender mehr in den Blick nehmen“

Das „Wissenschaftsforum Green IT“ diskutierte die Chancen der IT-Branche, dem Endkunden klimaschonende Anwendungen zu verkaufen. Berliner Start-up erfolgreich mit Verbraucher-App und Öko-Informationen. Green-IT-Patent senkt Heizkosten um 30 Prozent. „Intelligente Stromzähler“: Senkt Eigenverbrauch ganz erheblich. Elektroautos: Batteriewechselstelle genauso flott wie Tankstelle.

Wie könnte das enorme Potenzial der Informations- und Kommunikationstechnik stärker genutzt werden, um CO2-Emissionen einzusparen? Warum hat diese dynamische Branche nicht mehr „grüne“ Geschäftsmodelle vorzuweisen? Und wie könnten Kundenanforderungen und Anwenderinteressen hier künftig besser berücksichtigt werden? Dieser Thematik widmete sich das „Wissenschaftsforum Green IT“ vergangene Woche auf seiner Jahrestagung „Smart Customer / Smart User“ im Museum für Kommunikation Berlin.

Mit seinem erfolgreichem Start-up „checkitmobile“ konnte Benjamin Thym, Geschäftsführer des Berliner Unternehmens, das  Auditorium erfreuen: 4 Millionen User haben sich bereits das App „barcoo“ der Firma heruntergeladen, um beim Einkaufen kostenlos mit Informationen über Produkte und Hersteller versorgt zu werden. Sie müssen nur zuvor den Barcode eines bestimmten Produktes per Handy einscannen.

„barcoo“ hat zahlreiche Informationen zum nachhaltigen Konsum integriert, ohne jedoch nach außen als „Öko“-Firma aufzutreten. Die Verbraucher können folglich bei „barcoo“ nicht nur online Preisvergleiche anstellen, sondern sich z.B. auch über die Energieeffizienz-Rankings bei Elektrogeräten oder über den Zuckergehalt eines Nahrungsmittels informieren. Das Unternehmen lebt – ebenso wie Google und Facebook – von seinen Werbeeinnahmen.

Ein weiteres Berliner Green-IT-Unternehmen konnte mit einem erfolgreichen Geschäftsmodell aufwarten. Die Firma Riedel Automationstechnik GmbH stattet bereits seit  zwanzig Jahren vornehmlich ältere Gebäude mit Hard- und Software aus, mittels derer sich Heizkosten deutlich senken lassen. Die Riedel-Technologie erlaubt es, den individuellen Heizbedarf pro Raum genau einzustellen, anschließend aggregiert ein Gebäudemanager die einzelnen Bedarfe und passt die Heizleistung energiesparend an.

Dr. Severin Beucker vom Berliner Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit betonte auf dem Wissenschaftsforum: „Bei ungedämmten Gebäuden können durch solche adaptiven Heizungssysteme bis zu 30 Prozent der Heizkosten gespart werden.“ Das Geschäftsmodell rechnet sich für Wohnungsbauunternehmen folgendermaßen: 1.500 EUR kostet diese Technik pro Mietwohnung. Der Vermieter legt diese Summe binnen zehn Jahren auf die Nebenkosten um, die Mieter wiederum zahlen zwar erhöhte Nebenkosten, erfreuen sich aber gleichzeitig am Einspareffekt bei der Heizkostenrechnung .

Sobald es aber um die Stromkosten der Haushalte geht, fehlen noch immer attraktive klimaschützende Geschäftsmodelle von IT-Firmen. Entsprechend zurückhaltend reagiert die Kundschaft. Erst 100.000 Haushalte verfügen in Deutschland über eine intelligente Verbrauchsmessung, die Daten zum gezielten Stromsparen auf den häuslichen PC übertragen kann. Allerdings sorgt der Gesetzgeber hier für Dynamik, denn seit Juni 2011 schreibt das novellierte Energiewirtschafts-Gesetz strenger vor, „Smart Meter“ in Neubauten zu installieren.

Dr. Siegfried  Behrendt vom IZT – Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung in Berlin wies auf dem Wissenschaftsforum auf den bisher unterschätzten Eigenbedarf etlicher Strommessvorrichtungen hin: „Ein Hochleistungs-Smart Meter, der pausenlos die Verbrauchsdaten eines Haushaltes überträgt, verbraucht rund 3 Prozent der Energie eines 2-Personenhaushaltes, so dass teilweise kein nennenswerter Einspareffekt übrig bleibt.“  Behrendt plädiert daher für eine „modulare Zählerarchitektur“, Verbraucher sollten eine energie- und ressourceneffiziente Basisausstattung erhalten und anschließend entsprechend ihren Wünschen durch Module ergänzen können.

Ganz in den Anfängen steckt hingegen noch die Infrastruktur für Elektroautos und ihre Akkus. Das Oldenburger OFFIS – Institut für Informatik hat Effekte der Ladevorgänge auf das Stromnetz untersucht. Referentin Astrid Nieße: „Insbesondere der Ansatz, bei dem nicht nur der Fahrzeug-Akku mit Strom aufgeladen wird, sondern bei dem auch Strom aus dem privaten Elektro-Fahrzeug zurück ins Netz gespeist wird, bietet ein großes Potential für eine sehr starke und gleichzeitig netzverträgliche Photovoltaik-Einspeisung. Dieser Ansatz verspricht auch zukünftige Geschäftsmodelle für Netzbetreiber.“

Grüne Informationstechnik wird hier benötigt, damit der vernetzte E-Autofahrer Ladevorgänge mitsteuern kann. Wo und wie aber soll ein Städter sein Elektroauto aufladen? Eine häusliche Garage steht ihm selten zur Verfügung.  Hier konnte Astrid Nieße vom OFFIS-Institut einen interessanten Lösungsvorschlag präsentieren. „Eine städtische Batteriewechselstation benötigt für das Auswechseln eines Akkus nur wenige Minuten – das ist vergleichbar mit dem Vorgang des Tankens und bedeutet keinen Komfortverzicht.“

Wer mehr darüber wissen möchte, wie sich Nachhaltigkeitsinnovationen am Markt durchsetzen, kann am 24. November 2011 die nächste einschlägige Veranstaltung in Berlin besuchen. Prof. Dr. Klaus Fichter, Direktor des Borderstep Instituts für Innovation und Nachhaltigkeit, präsentiert dann u.a. Forschungsergebnisse zu 30 von ihm analysierten Green-IT-Innovationen.  Klaus Fichter stellte schon auf dem Wissenschaftsforum Green IT fest: „Bei komplexen bzw. mit Verhaltensänderungen verbundenen Anwendungsbereichen wie dem ‚Smart Home‘ oder der Elektromobilität kann die Industrie nur erfolgreich agieren, wenn sie die Nutzer einbindet und zum Mitgestalten einlädt“.

Dr. Ulf Jaeckel, Regierungsdirektor im Bundesumweltministerium, betonte beim Wissenschaftsforum: „Unser Ministerium sieht Green IT als sehr wichtiges Handlungsfeld an, in den letzten Jahren sind daher zahlreiche Aktivitäten entstanden, wie z.B. das IT-Beratungsbüro beim BITKOM. Derartige Aktivitäten sollen in Zukunft verstärkt und weiter entwickelt werden.“

Quelle

IZT – Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung gGmbH 2011

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