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DIMR | Geflüchtete Menschen mit Behinderungen

© DIMR | Geflüchtete Menschen mit Behinderungen

Menschenrechte müssen täglich verteidigt und bekräftigt werden

Menschenrechtsinstitut stellt Bericht vor.

Zum zweiten Mal stellt das Deutsche Institut für Menschenrechte seinen jährlichen Bericht über die Entwicklung der Menschenrechtssituation in Deutschland vor. Er umfasst den Zeitraum vom 1. Juli 2016 bis zum 30. Juni 2017.

Die politischen Entwicklungen in Europa, etwa in Polen, Ungarn und der Türkei, zeigen: Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind nicht selbstverständlich. „Sie müssen täglich verteidigt und bekräftigt werden. Das gilt auch für gefestigte demokratische Rechtsstaaten wie Deutschland. Auch hierzulande erleben wir, dass die Menschenrechte infrage gestellt werden, dass Hass gegen andere propagiert wird und dass aus diesen Worten Taten werden“, sagt die Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte, Beate Rudolf, anlässlich der Vorstellung des Berichts am Mittwoch in Berlin. „Der zweite Menschenrechtsbericht befasst sich mit Menschen in Deutschland, die aufgrund ihrer Situation besonders verletzlich sind und im politischen Geschäft leicht aus dem Blick geraten“, erklärt Rudolf.

Geflüchtete Menschen mit Behinderungen
Geflüchtete Menschen mit Behinderungen sind in Deutschland mit enormen Schwierigkeiten konfrontiert – so gibt es kaum barrierefreie Unterkünfte; Hilfsmittel und Therapien werden gar nicht oder nur nach aufwendigen Verfahren bei den Sozialbehörden genehmigt. Für den Bericht hat das Deutsche Institut für Menschenrechte Organisationen befragt, die im Jahr 2016 rund 2.000 Asylsuchende mit Behinderungen beraten und unterstützt haben. „Wir kritisieren, dass es nach wie vor keine Verfahren zur systematischen Identifikation besonders schutzbedürftiger Menschen gibt“, sagt Rudolf. „Das bedeutet, dass Beeinträchtigungen nicht systematisch als solche erkannt werden und demzufolge keine bedarfsgerechte Versorgung stattfindet.“

„Es ist nicht sichergestellt, dass geflüchtete Menschen mit Behinderungen nach dem geltenden Asylbewerberleistungsgesetz angemessen medizinisch versorgt werden“, so Rudolf. Ein Beispiel aus der Praxis: Ein zweijähriges Kind bekommt Fußorthesen und Stehständer erst mit zweijähriger Verzögerung bewilligt. Deshalb sind Fehlbildungen in Hüfte und Gelenken entstanden und das Kind wird womöglich nie richtig laufen lernen. „Daher sollte der Gesetzgeber einen Rechtsanspruch auf bedarfsdeckende Leistungen festlegen und zumindest den Personen einen Zugang zur Regelversorgung gewährleisten, die nicht sinnvoll ambulant in Flüchtlingsunterkünften versorgt werden können, wie beispielsweise pflegebedürftige, schwer- und mehrfachbehinderte Menschen“, sagt Rudolf.

Rahmenbedingungen des Lebens in Flüchtlingsunterkünften
Das Institut hat untersucht, wie das Zusammenleben in Flüchtlingsunterkünften menschenrechtskonform ausgestaltet werden kann. Rund 400.000 Menschen lebten Ende 2016 in Gemeinschaftsunterkünften. Diese Unterkünfte sind für Geflüchtete teilweise für mehrere Jahre ihr Zuhause. Dennoch ist oft nicht klar, unter welchen Umständen der Sicherheitsdienst oder Sozialarbeitende Privaträume betreten dürfen. Teilweise gibt es pauschale Übernachtungsverbote auch für Familienangehörige. Das ist das Ergebnis unserer Auswertung von über 30 Hausordnungen aus Gemeinschaftsunterkünften, Regelungen aus Ländern und Kommunen sowie Interviews mit Sozialarbeitenden.

„Fehlende rechtliche Regelungen ermöglichen Willkür und Machtmissbrauch“, stellt Rudolf fest. „Wo es Regelungen gibt, sind diese nicht immer mit grund- und menschenrechtlichen Standards vereinbar. Aufgrund des Machtungleichgewichts zwischen Bewohnerschaft und Personal von Gemeinschaftsunterkünften müssen die Aufsichtsbehörden zudem für niedrigschwellige unabhängige Beschwerdemöglichkeiten sorgen“, so Rudolf.

Kinder von Inhaftierten
Der dritte Teil des Berichts befasst sich mit dem Recht des Kindes auf Kontakt mit seinem inhaftierten Elternteil. Diese Kinder haben Studien zufolge ein höheres Risiko, psychisch zu erkranken, und sie leiden massiv unter den sozialen Folgen ihrer Lebenssituation. Amtliche Zahlen, wie viele Kinder betroffen sind, gibt es nicht. Schätzungen sprechen von bis zu 100.000 Kindern in Deutschland. „Das Recht aller Kinder auf unmittelbaren Kontakt und eine enge persönliche Beziehung zu beiden Elternteilen ist in der UN-Kinderrechtskonvention verankert und vom Bundesverfassungsgericht anerkannt“, sagt Rudolf. 

Das Institut hat die Regelungen in den Bundesländern untersucht und die Praxis abgefragt. „Unsere Analyse zeigt, dass die Möglichkeiten für Kinder, ihre inhaftierten Eltern zu besuchen, deutschlandweit sehr unterschiedlich sind. Die Strafvollzugsgesetze sehen zwischen einer Stunde und vier Stunden Mindestbesuchszeit im Monat vor. Die Besuche werden vorrangig als Recht des inhaftierten Elternteils behandelt, aber nicht an den Bedürfnissen der Kinder ausgerichtet“, fasst Rudolf die Ergebnisse zusammen. „Die Besuchsräume und Abläufe müssen kindgerecht ausgestaltet werden. Der Staat muss den negativen psychischen und sozialen Auswirkungen der Haft eines Elternteils auf das Kind durch Angebote der Kinder- und Jugendhilfe aktiv entgegenwirken.“

Menschenrechtsbericht 2017

Quelle

Deutsches Institut für Menschenrechte | 2017

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