Roboter für eine bessere Trennung von Wertstoffen
Lernfähige Robotiksysteme können Recycling effizienter und nachhaltiger machen.
Die Zukunft der Kreislaufwirtschaft liegt in intelligenter Automatisierung. Interaktiv lernende Roboter können Wertstoffe präziser trennen, Gefahrenstoffe sicher entfernen und Mitarbeitende von gesundheitlich gefährdenden Aufgaben entlasten. So entsteht ein Recycling, das effizienter, sicherer und nachhaltiger ist.
Herausforderungen in der Abfalltrennung
Unser Land ist rohstoffarm, hat einen Mangel an Arbeitskräften und Deponieraum für Abfälle unterschiedlichster Art ist rar und teuer. Mit dem Ziel einer effektiven Kreislaufwirtschaft ist es mithin wünschenswert, Wertstoffe aus Müll herauszupicken, gefährliche Objekte und Gefahrstoffe zu entfernen und die bei der Sammlung oft schon gut vorgetrennten Abfallströme weiter in bestimmte Fraktionen zu verfeinern, die separat behandelt, bestmöglich recycelt, schadstoffarm verbrannt oder sicher deponiert werden können – eine hochrelevante Aufgabe, bei der heute noch viel menschliche Arbeitskraft zum Einsatz kommt.
Zugleich sind die Arbeitsbedingungen durch Geruchbelästigungen, Stäube, Lärm, ständig zu tragende Schutzausrüstung unangenehm und wegen Schadstoffen und gefährlichen Objekten sogar ein gesundheitliches Risiko. Verstärkt durch den allgemeinen Arbeitskräftemangel, birgt die Aufgabe ein offensichtliches Automatisierungspotenzial, das mit interaktiv lernenden Robotiksystemen innovativ gehoben werden könnte.
Für die Mülltrennung existieren bereits einige gut funktionierende technische Lösungen. Menschen müssen dabei aber häufig immer noch mithelfen. Und selbst dann erreicht die Sortierung oft nicht das gewünschte Ergebnis und stößt dabei auch an Kapazitätsgrenzen, was die Qualität einer sauberen Abfalltrennung zusätzlich senken kann.
Automatisierungspotenzial durch Robotik
Ein erfolgversprechender Automatisierungsansatz könnte günstige, handelsübliche Pick-and-Place-Roboter verwenden, die heute schon breit eingesetzt werden. Im maschinell intelligenten Zusammenspiel mit geeigneter Sensorik könnten sie das manuelle Herausgreifen von Objekten in den Sortieranlagen automatisieren. Aber wie bringt man einem solchen System bei, was genau zu tun ist und wie es zu tun ist? Ideal wäre es, wenn das robotische System das aus der Interaktion mit den Menschen lernen könnte.
Roboter und die zugehörigen Sensoren, sowohl für die Objekterkennung als auch für die Interaktion könnten dabei voneinander abgesetzt und verteilt platziert werden (siehe Abb 1). Roboter und Sensoren würden anhand der Bandbewegung miteinander synchronisiert betrieben werden. Durch diese räumliche Trennung können die Mitarbeiter als menschliche Instruktoren von den Robotern räumlich getrennt arbeiten, sodass die funktionale Sicherheit problemlos gewährleistet wäre.
Lernen durch Interaktion bedeutet hier z.B.:
- Beobachten menschlicher Aktivitäten, zum Beispiel Lernen durch Demonstration (Was greift der Mensch wie?)
- Zeigen des Menschen auf entferntere, zu sortierende Objekte, beispielsweise durch Zeigen mit einem Laserpointer oder auf übertragenen Kamerabildern des Förderbandes
- Kommentierung (verbale) durch den Menschen in der Lernphase durch Benennung von Objekten, Materialien etc.
- Instruktion durch Vormachen und Zeigegesten, um Affordanzen (Objekt ist greifbar, anhebbar, etc.) sowie Greif-Fertigkeiten zu lernen
Schrittweise zur Vollautomatisierung
Ohne Weiteres ließe sich dabei auch simultanes Lernen von mehreren menschlichen Instruktoren an mehreren Förderbändern gleichzeitig realisieren. Jede eingesetzte Roboterinstanz könnte davon sofort profitieren, zum Beispiel durch das Erkennen von Objekten und Materialien, oder dem Erlernen von vorteilhaften Bewegungen und bestimmten Griffen.
Systeme, die über eine geeignete Sensorik, Aktuatorik und maschinelle Lernverfahren verfügen, könnten eine reibungslose und intuitive Interaktion von Mensch und Roboter ermöglichen. Außerdem wäre es wichtig, dass Systeme, ähnlich wie der Mensch, aus nur wenigen Wiederholungen zielgerichtet lernen zu können. Zudem könnten simulative Umgebungen hilfreich sein, um interaktives Lernen virtuell und losgelöst von der Betriebsumgebung durchführen zu können.
Die Möglichkeit vielfältige Sensorik einzusetzen, die weit mehr Objekteigenschaften erfassen kann, als das mit menschlichen Sinnen möglich ist, bietet überragende Vorteile für die Objekt- und Materialerkennung. Im Zuge der Interaktion mit dem Menschen entstehen ideale Voraussetzungen für eine signifikante qualitative und quantitative Steigerung der Sortierleistung. Geeignete Sensoren hierfür sind vielfältig – von 3D-Kameras über Radar-, Röntgen- oder magnetische Sensoren, um nur einige exemplarisch zu nennen.
Die so erfassten Sensordaten können systematisch gespeichert und verbunden werden, um gleichzeitig wertvolle Lerndaten für KI-Modelle inklusive zugehöriger Metadaten zu sammeln. Daneben können die Daten für eine vollständige Dokumentation der Sortierung verwendet und auch zur Qualitätssicherung genutzt werden.
Lernen durch Interaktion kann dazu beitragen, eine komplette Automatisierung graduell einzuführen. Über Zwischenschritte einer Teilautomatisierung würden nach und nach höhere Autonomiegrade im Recycling erreicht werden und sukzessive mit jeder Interaktion auch die Qualität und Robustheit der eingesetzten KI-Modelle gestärkt werden. So kann die maschinelle Seite der Interaktion Schritt für Schritt einen immer größeren Teil der Arbeitslast übernehmen.
Nutzen für Wirtschaft und Gesellschaft
Ein auf diese Weise verbessertes Recycling könnte zu einem zentralen Bestandteil einer Kreislaufwirtschaft werden, insbesondere aufgrund der Verwendung multimodaler Sensorik, mit der mehr erkannt und unterschieden werden kann als dies alleine mit menschlicher Wahrnehmung möglich ist.
Mit der Detektion verborgener oder zu demontierender Objekte könnte ein solches System auch als Vorstufe für weitere Betriebsstationen dienen, die zusammengesetzte Objekte, wie Elektronik, zerlegen und somit Fraktionen mit höherer Wertstoffkonzentration erzeugen. Innerhalb von bereits bestehenden Anlagen, in denen klassische Methoden der Müllsortierung angewandt werden, könnten lernfähige Robotiksysteme komplementär eingesetzt werden.
Der Nutzen von lernfähigen Robotiksystemen im Recycling zeigt sich in mehrfacher Hinsicht: Zum einen können sowohl die Sortierleistung als auch die Sortierqualität gesteigert werden. Zum anderen können Mitarbeiter in der Sortierarbeit entlastet werden und damit Aufgaben mit höherer Wertschöpfung übernehmen. Unattraktive, unangenehme oder potenziell gefährliche Arbeitsprozesse können rationalisiert werden. Dies sorgt unter anderem für eine erhöhte Sicherheit für Menschen im Umgang mit Gefahrstoffen und gefährlichen Objekten.
Darüber hinaus gibt es bei perspektivischer Vollautomatisierung erhebliche betriebswirtschaftliche Vorteile durch günstigere Betriebsbedingungen, da an Menschen angepasste Sicherheitsbedingungen, wie Lüftung, Arbeitsraum, Unfallschutz entfallen könnten.
Akzeptanz als Schlüsselfaktor
Um die dargestellte Automatisierung von Müllsortierung mittels interaktiv lernender Robotik zu einer realen Innovation zu machen, ist unabhängig von den genannten Chancen, die sich durch den Einsatz ergeben, die Akzeptanz durch alle Beteiligten notwendig. Entscheidend hierfür ist es, alle direkt involvierten Personen oder deren Interessensvertretende sowie weitere Stakeholder schon in der Entwicklungsphase einzubinden – seien es Abfallverwertungsunternehmen, Arbeitnehmervertretungen, Gewerkschaften, Berufsgenossenschaften usw.
Und selbstverständlich: bei der Umsetzung muss der gesetzliche Rahmen, insbesondere Datenschutzgrundverordnung, für alle offensichtlich beachtet und eingehalten werden.
Prof. Dr.-Ing. habil. Jürgen Beyererist seit 2004 Professor am Lehrstuhl für Interaktive Echtzeitsysteme an der Fakultät Informatik des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Er leitet seither zudem das Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB. In der Plattform Lernende Systeme leitet er die Arbeitsgruppe „Lebensfeindliche Umgebungen“.
Die Plattform Lernende Systemeist ein Netzwerk von Expertinnen und Experten zum Thema Künstliche Intelligenz (KI). Sie bündelt vorhandenes Fachwissen und fördert als unabhängiger Makler den interdisziplinären Austausch und gesellschaftlichen Dialog. Die knapp 200 Mitglieder aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft entwickeln in Arbeitsgruppen Positionen zu Chancen und Herausforderungen von KI und benennen Handlungsoptionen für ihre verantwortliche Gestaltung. Damit unterstützen sie den Weg Deutschlands zu einem führenden Anbieter von vertrauenswürdiger KI sowie den Einsatz der Schlüsseltechnologie in Wirtschaft und Gesellschaft. Die Plattform Lernende Systeme wurde 2017 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) auf Anregung von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften gegründet. Sie wird von hochrangigen VertreterInnen der beiden Institutionen geleitet und von einem Lenkungskreis gesteuert.
Quelle
forum Nachhaltig Wirtschaften 2025 | Jürgen Beyerer et al. (Hrsg.): KI in der Robotik.Flexible und anpassbare Systeme durch interaktives Lernen. Whitepaper der Plattform Lernende Systeme, München 2025.







