Vom chemischen Inferno zur solaren Hoffnung
Idris Nechirvan Barzani bringt saubere Energie in ein einst von Saddam vergastes Dorf
Achtunddreißig Jahre nachdem irakische Streitkräfte das Dorf Sheikh Wasan mit Chemiewaffen bombardierten und 211 Zivilisten, überwiegend Frauen, Kinder und ältere Menschen, töteten, leuchten dieselben Straßen heute im Licht sauberer Solarenergie. Was einst ein Ort unaussprechlichen Leids war, ist nun ein Symbol für Wiederaufbau, Würde und nachhaltige Zukunft.
Möglich wurde dieser Wandel durch die Rwanga Foundation und ihren Gründer Idris Nechirvan Barzani, einen jungen kurdischen Unternehmer und Philanthropen. Er zählt mittlerweile zu den engagiertesten Stimmen für erneuerbare Energien in den vom Konflikt gezeichneten Gebieten der Region.
Ein Massaker, das der Welt kaum bekannt ist
Am 16. August 1987 griffen irakische Flugzeuge und Artillerie das Balisan-Tal mit Senfgas und Nervenkampfstoffen an – der erste dokumentierte Chemiewaffeneinsatz gegen kurdische Zivilisten, Monate vor dem bekannteren Massaker von Halabja. Überlebende wurden verschleppt, Familien auseinandergerissen, Kinder starben in Haftlagern. Sheikh Wasan war ein Zentrum der Vernichtungspolitik des Baath-Regimes.
Ein Dorf wird energieautark
Heute versorgen 72 Solarsysteme mit insgesamt 432 Hochleistungspanelen jedes einzelne Haus des Dorfes sowie Moschee, Schule, Gesundheitszentrum und die Gedenkhalle der Märtyrer. Für die 281 zurückgekehrten Bewohner bedeutet dies zum ersten Mal seit Jahrzehnten eine verlässliche Stromversorgung rund um die Uhr.
„Diese Dörfer haben unter dem früheren Regime den höchsten Preis bezahlt“, sagt Idris Nechirvan Barzani. „Ihnen saubere und nachhaltige Energie zu geben, ist das Mindeste – nicht als Wohltätigkeit, sondern als Wiedergutmachung und Akt der Gerechtigkeit.“
Nachhaltiger Wiederaufbau mit sozialer Wirkung
Seit 2013 konzentriert sich die Rwanga Foundation auf vernachlässigte ländliche Gemeinden und verwandelt sie in vollständig solarbetriebene Orte. Dies schafft nicht nur Versorgungssicherheit, sondern auch lokale Arbeitsplätze – in Installation, Wartung und neuerdings auch in kleinen landwirtschaftlichen Betrieben, die durch stabile Energieversorgung erstmals möglich werden.
Das Projekt in Sheikh Wasan reiht sich ein in eine Serie von Initiativen zur Förderung nachhaltiger Entwicklung in der Region Kurdistan im Irak.
„Gerechtigkeit in Form von Sonnenlicht“
Für die Überlebenden und ihre Familien ist die Solartechnik weit mehr als ein technisches Upgrade – sie ist ein Zeichen des Gedenkens und der Anerkennung.
„Wir haben ganze Familien durch das Gas verloren“, sagt ein Bewohner, der anonym bleiben möchte. „Heute lernen unsere Kinder wieder bei elektrischem Licht, und wir können unsere Ernten das ganze Jahr lagern. Das ist Gerechtigkeit – in Form von Sonnenlicht.“
Lokale Initiative füllt internationale Lücken
Menschenrechtsorganisationen fordern seit Jahren mehr internationale Unterstützung für die Überlebenden der Anfal-Kampagne. Doch häufig bleiben diese Appelle ungehört. Das Solarprojekt, das vollständig durch kurdische Privatspenden finanziert wurde, zeigt, wie lokale Akteure Verantwortung übernehmen, wo nationale und internationale Institutionen versagen.
Sheikh Wasan steht damit sinnbildlich für einen neuen Ansatz: Wiederaufbau nicht nur als Reparatur der Vergangenheit, sondern als Investition in eine nachhaltige, selbstbestimmte Zukunft.







