25.06.2017
Sag dem Diesel leise Servus
Natürlich werden die anderen Parteien das im
Bundestagswahlkampf genüsslich ausschlachten: Typisch Ökodiktatur! Die
Grünen wollen uns die Autos verbieten! Dabei müssten sie nur erklären,
dass es einen großen Unterschied zwischen einem Verbot und einem
Zulassungsende gibt. Geht es nach der grünen Bundespartei, dann sollen
nämlich 2030 keine Benzin- und Dieselmotoren in Pkws mehr zugelassen
werden. Wer im Jahre 2029 kauft, darf seinen Diesel natürlich noch
fahren. Deshalb hört sich der grüne Beschluss radikaler an, als er ist.
Mit
Blick auf die klimapolitischen Ziele der jetzigen Bundesregierung wäre
dieser sogar einleuchtend. Im Moment weiß von der Politik bis in die
Wissenschaft niemand so richtig, wie die Dekarbonisierung der
Autoantriebe zwischen 2030 und 2050 funktionieren soll.
Auch
Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann merkt man an, dass
auch ein Grüner in einem Land der automobilen Arbeitsplätze auf Eiern
laufen muss. In einem Interview sagte er kürzlich noch, die Autobranche
müsse sich bis 2040 vom Verbrennungsmotor verabschieden. Das Jahrzehnt
zwischen 2030 und 2040 sei entscheidend bei der Umstellung auf
klimaneutrale Mobilität.
Jobs sind das falsche Argument
2040? Hatte der Bundesrat Anfang des Jahres
nicht sogar bereits mehrheitlich befunden, es wäre wünschenswert, wenn
bereits 2030 kein Verbrenner mehr zugelassen würde? Die schwäbisch-grüne
Bescheidenheit scheint auf den ersten Blick Realpolitik in einem Land,
in dem Zehntausende Arbeitsplätze bei Daimler, Bosch oder Mahle von der
Dieselproduktion abhängen. Sichert eine längere Übergangspahse also
Arbeitsplätze? Nicht unbedingt.
Ein Verzicht auf eine deutliche
Ansage für 2030 ist industriepolitisch fragwürdig. Wie im Fall des
Dieselskandals gerade erlebt, ermutigte staatliches Laisser-faire zu
Fehlinvestitionen und gar Manipulationen. Und darunter leiden nicht nur
beispielsweise die feinstaubgeplagten Stuttgarter Kinder, sondern gerade
die überzeugten Dieselfahrer. Denen drohen Fahrverbote, und selbst
relativ neue Fahrzeuge werden finanziell entwertet, weil die Politik
trotz offensichtlicher Probleme mit der Luftreinhaltung jahrelang der
Industrie entgegenkam. Das sollte sich im Klimaschutz nicht wiederholen.
Werden zwischen 2030 und 2040 noch viele Verbrenner zugelassen, scheitert der Klimaschutz kläglich.
Unbestritten ist: Um 2050 tatsächlich die in
Paris vereinbarte Dekarbonisierung zu schaffen, muss insbesondere auch
der Autoverkehr CO2-frei werden. Das heißt in jedem Fall
Elektrifizierung mit Batterie und erneuerbarem Strom oder später
vielleicht mit erneuerbarem Wasserstoff. Werden zwischen 2030 und 2040
noch viele Verbrenner zugelassen, scheitert der Klimaschutz kläglich.
Entscheidend ist nämlich die Frage, wie lange es dauert, um die gesamte
fossile Fahrzeugflotte auszutauschen.
Zwei Nachrichten der
letzten Wochen scheinen sich in dieser Hinsicht zu widersprechen: Die
Bundeskanzlerin gab zu, dass das Ziel, dass bis 2020 eine Million
Elektroautos fahren, nicht mehr zu erreichen sei. Die Elektromobilität
kommt in Deutschland, anders als in den Niederlanden oder in Norwegen,
nicht voran.
Die zweite Nachricht der letzten Wochen überrascht
wesentlich mehr: Volvo bereitet den Abschied vom Dieselmotor vor. Das
wird insbesondere den deutschen Herstellern nicht gefallen. Die Ansage
von Volvo widerspricht nämlich der bisher kommunizierten These, der
Diesel sei nötig als Übergangstechnologie ins Elektrozeitalter. Laut
Volvo hat der Diesel bereits mittelfristig keine Zukunft mehr.
Dagegen
war der Übergang in den Augen von VW, Daimler oder BWM bisher zeitlich
sehr großzügig gedacht. VDA-Chef Matthias Wissmann gab jüngst zu
Protokoll, dass selbst Unternehmen mit sehr ambitionierten Elektrozielen
davon ausgingen, im Jahr 2030 noch zwei Drittel der Neuwagen mit
Verbrennungsmotoren ausstatten zu können – ein Zeugnis kollektiver
Verdrängung. Damit sind die nationalen und europäischen Klimaschutzziele
nicht zu halten.
Der Thinktank „Agora Verkehrswende“ weist mit
einem Thesenpapier darauf hin, dass auch die Hoffnung auf synthetische
flüssige und gasförmige Kraftstoffe (Power to Liquid, Power to Gas) zur
Rettung des Verbrenners trügerisch sei. Es ist nicht effizient, mit
erneuerbaren Energien Strom zu produzieren und ihn dann in Kraftstoffe
umzuwandeln. Sinnvoll ist es, den Strom direkt mit Batterie und
Elektromotor zu nutzen.
Zetsches Irrtum
Volvo hat verstanden: Die teure Abgasbehandlung
wird zusätzlich zum finanziellen Ausschlusskriterium. Das eigentliche
unternehmerische Problem ist dabei das Fehlen von
Investitionssicherheit: Daimler-Chef Dieter Zetsche erklärte vor seinen
Aktionären, niemand könne heute mit Gewissheit sagen, wann sich
Elektroautos am Markt durchsetzen – schon deshalb seien effiziente
Verbrenner in der Übergangszeit ein wesentlicher Teil der Lösung. Soll
heißen: Ohne gesetzliche Regelung für 2030 und entsprechende
Zwischenziele werden viele Hersteller lieber noch zweigleisig fahren,
aus Furcht vor dem kurzfristigen Verlust von Marktanteilen.
Am
Ende könnten aber gerade die deutschen Autobauer auf ihren Investitionen
sitzen bleiben. Dass man mit halber elektrischer Kraft gegen Tesla und
die Chinesen bestehen kann, ist industriepolitisch fragwürdig. Volvo
hingegen will Fehlinvestitionen vermeiden und sagt: Der Diesel sei zwar
bis 2020 noch wichtig wegen der CO2-Flottenverbräuche. Danach werde die
Abgasbehandlung aufgrund der strengeren Normen allerdings zu teuer.
Die
Theorie vom Diesel als mittelfristige Übergangstechnologie ist damit
gestorben. Eher sollten Investitionen in neue Dieseltechnologien bereits
in wenigen Jahren eingestellt werden. Der Investitionsstopp für die
Entwicklung von Benzinmotoren muss dann rasch folgen.
Paradoxerweise
sichert eine schnellere Elektrifizierung auch den Bestand der Flotte
von Diesel und Benzinern über 2020 und 2030 hinaus. Fahrverbote zur
Luftreinhaltung und wegen CO2-Emissionen werden dann seltener nötig. Das
sollte wiederum Winfried Kretschmann freuen, der noch aktuell der taz
mitteilte, er habe privat einen neuen Diesel gekauft.
Quelle Kommentar von MARTIN UNFRIED | ÖKOTAINMENT 2017 | Martin Unfried, Jahrgang 1966, ist Politologe. Er arbeitet in den Niederlanden am European Institute of Public Administration (Eipa) und seit 2016 auch an der Universität Maastricht. Er plant, seinen Hybrid-Pkw durch ein Elektroauto zu ersetzen. Wikipedia:Martin_Unfried | Erstveröffentlichung: in DIE TAGESZEITUNG vom 20.06.2017
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