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Gabriels Grünbuch unentschieden

Im Bundeswirtschaftsministerium von Sigmar Gabriel (SPD) kursiert der Entwurf eines Grünbuches zur Reform des deutschen Kraftwerkparks.

„Ein Strommarkt für die Energiewende“ heißt das 72-seitige Diskussionspapier,das klimaretter.info vorliegt und in dem Gabriel erstmals seine Pläne vorstellt. Mit der Reform soll der Strommarkt so gestaltet werden, dass er nicht mehr auf die fossile, sondern auf die erneuerbare Energiewirtschaft ausgelegt ist.

Das Grünbuch beziffert die Überkapazitäten auf dem europäischen Strommarkt auf 100 Gigawatt, davon befänden sich 60 Gigawatt im für Deutschland relevanten Strommarktgebiet. Sprich: hauptsächlich in Deutschland, seinen Nachbarländern und Italien. Den Überkapazitäten will der Minister mit einem „Marktbereinigungsprozess“ an den Kragen gehen, bei dem er mit den europäischen Nachbarn zusammenarbeiten will.

Die Versorgungssicherheit müsse generell länderübergreifend betrachtet werden, heißt es im Grünbuch weiter. Deshalb müsse die gesamte Strommarktreform im Einklang mit den Nachbarländern ablaufen und eine weitere Integration der europäischen Strommärkte zum Ziel haben.

Ob er zur Versorgungssicherheit einen Kapazitätsmarkt einrichten will, lässt Gabriel offen. Ein Kapazitätsmarkt bedeutet, dass Stromkunden oder Steuerzahler unrentabel gewordene konventionelle Kraftwerke im Markt halten, um Schwankungen bei der Stromgewinnung aus Wind- und Solaranlagen auszugleichen. In den vergangenen Monaten gab es dazu intensive Debatten – eine Position des Bundeswirtschaftsministeriums ist aber auch im Grünbuch-Entwurf nicht zu finden. Stattdessen gibt das Dokument Studienmaterial wieder, das die Notwendigkeit eines Kapazitätsmarkts bestreitet.

Der Strommarkt habe sich bisher bewährt, steht im Grünbuch zu lesen. Das zeige einerseits der bisherige Ausbau der Erneuerbaren-Kraftwerke und andererseits der Atomausstieg. Außerdem spricht die Vorlage von „Sowieso-Maßnahmen“, deren Umsetzung außer Frage stehe. Dazu zähle ein umfangreicher Netzausbau. Bis zu drei Prozent der von Wind- und Solaranlagen produzierten Jahresenergie sollten dabei verloren gehen dürfen. Darüber hinaus habe das Netz auch regionale Schwankungen auszugleichen.

In diesem Rahmen soll die Bundesnetzagentur künftig aktiver werden, heißt es in der Vorlage. Sie soll verstärkt ein Auge auf die sogenannten Bilanzkreise werfen. Diese virtuellen „Energiemengenkonten“ werden vom Übertragungsnetzbetreiber zentral verwaltet und von einem festgelegten Stromanbieter bewirtschaftet. Dieser muss Strom bereitstellen. Liefert er zu wenig, muss der Netzbetreiber sogenannte Regelenergie zuschießen. Das kostet dann allerdings extra – und passiert laut Grünbuch zu häufig, sodass die Bundesnetzagentur in die Pflicht genommen werden soll.

Greenpeace-Energieexperte Karsten Smid findet das Grünbuch nicht ehrgeizig genug. „Gabriels Papier betont schon auf der ersten Seite Deutschlands Klimaschutzziel für das Jahr 2020, schlägt aber auf den folgenden gut 70 Seiten keine einzige konkrete Maßnahme vor, dieses zu erreichen„, kritisiert Smid.

Stattdessen räume der Minister nur ein, dass es große Überkapazitäten im Strommarkt gibt und der Handel mit Emissionsrechten auf absehbare Zeit für den Klimaschutz wirkungslos bleibt. „Wenn zu viele Kraftwerke am Netz sind und das Klimaschutzziel nicht durch den Zertifikatehandel erreicht wird, dann müssen Kohlekraftwerke abgeschaltet werden“, sagte Smid. Ein konkreter Plan für den Kohleausstieg müsse her. Gabriel fehle der Mut, eins und eins zusammenzuzählen.

„Das Dokument ist allein schon eine lohnende Lektüre, weil im Grunde die gesamte Problemlage der Versorgungssicherheit im Stromnetz ausführlich skizziert wird“, schrieb der Energiejournalist Jakob Schlandt in einer ersten Kurzanalyse. Allerdings sei es fraglich, ob ein reformierter Energiemarkt, wie er im Grünbuch entworfen wird, in Deutschland politisch akzeptabel sei.

Bis aus dem Grünbuch ein Gesetz entsteht, dauert es noch eine Weile. Bis März 2015 will die Regierung Stellungnahmen und Vorschläge von Experten und Verbänden einholen, dann soll ein Weißbuch mit konkreten Vorschlägen entstehen. Die Beratungen zu dem neuen Dokument sollen bis Herbst 2015 laufen, erst dann geht es ans Gesetzemachen.

Quelle

KLIMARETTER.INFO | scz 2014

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