Agri-Photovoltaik: Letzte Hürden bremsen Technologie-Schub aus
Damit Agri-Photovoltaik die Energiewende vorantreiben kann, seien dringende Korrekturen bei der Förderung nötig, so Forschungsverbund um Uni Hohenheim.
Ernte und Strom vom Acker: Durch Agri-Photovoltaik können auf landwirtschaftlichen Flächen gleichzeitig Nahrungsmittel und Solarstrom produziert werden. Durch die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG 2023) kann die Technologie nun grundsätzlich gefördert werden. Damit die Technologie ihren vollen Beitrag zur Energiewende leisten kann, müsse die Bundesregierung jedoch dringend die letzten Hürden beseitigen, fordern die Wissenschaftler:innen in einem Positionspapier. Bei ihren Einschätzungen stützt sich die Arbeitsgruppe auf die Expertise eines Netzwerkes mit 19 Mitgliedern, darunter die Universität Hohenheim in Stuttgart, das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE und die Hochschule Geisenheim University. Das vollständige Themenpapier ist abrufbar unter bit.ly/3XJAC3c
Sie produzieren Solarstrom und schützen Kulturpflanzen vor zunehmenden Extrem-Wettern: Durch Solarmodule neben oder über Kulturpflanzen können landwirtschaftliche Flächen gleich doppelt genutzt werden. Die Technologie nennt sich Agri-Photovoltaik.
Das novellierte Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG 2023) hat erste Rahmenbedingungen zum Ausbau der Technologie geschaffen. Forschende der Arbeitsgruppe Begleitforschung Agri-Photovoltaik kritisieren jedoch, dass gerade die hocheffizienten Varianten bei der Förderung benachteiligt werden. Sie sehen dringenden Korrekturbedarf, damit die Technologie ihr Potenzial in der Praxis entfalten kann.
Besonders effiziente Anlagen sind trotz Förderung finanziell unattraktiv
Dies gilt vor allem für hoch aufgeständerte Anlagen. Sie haben einen besonderen synergetischen Nutzen, da unter den Solarmodulen weiterhin Landwirtschaft betrieben werden kann. Aber: Vor allem wegen der gestiegenen Stahlpreise sind die hoch aufgeständerten Anlagen teurer als bodennahe Modelle.
Da die derzeitige Förderung diese Unterschiede nicht berücksichtigt, konkurrieren die Modelle miteinander. Die vergleichsweise hohen Kosten stehen einem Durchbruch der besonders nutzbringenden, hoch aufgeständerten Anlagen im Weg. „Diese Anlagen können einen maßgeblichen Beitrag zur Energiewende leisten. Dafür brauchen sie dringend Aussicht auf eine angemessene Förderung“, so Jun.-Prof. Dr. Andreas Schweiger, Leiter des Fachgebiets Pflanzenökologie an der Universität Hohenheim.
Die Arbeitsgruppe fordert daher ein eigenes Fördersegment für hoch aufgeständerte Anlagen.
Weitere Pflanzenforschung könnte Gewinn für Landwirte noch weiter steigern
Ein weiterer Vorteil der hoch aufgeständerten Anlagen: „Die Kulturpflanzen profitieren von dem Schutz der Solar-Module“, erklärt Jun.-Prof. Dr. Andreas Schweiger. Er leitet ein Forschungsprojekt an der Universität Hohenheim, das die pflanzenökologischen Aspekte von Agri-PV Systemen untersucht.
„Damit die Flächen unter den Modulen optimal bewirtschaftet werden können, müssen die Anlagen bestimmte Voraussetzungen erfüllen“, ergänzt Lisa Pataczek, wissenschaftliche Mitarbeiterin in dem Forschungsprojekt. „Nur durch gezielte Forschung können wir herausfinden, wie man die Anlagen wirtschaftlich und ökologisch am besten einsetzen kann“.
Die Wissenschaftler:innen empfehlen daher weitere Forschung, um Anforderungen im Hinblick auf die Bewirtschaftung zu entwickeln. Diese könnten durch ein separates Ausschreibungskontingent umgesetzt werden.
Für eine rasche Energiewende muss Agri-PV im Baugesetz privilegiert werden
In jedem Fall müsse jedoch auch das Baugesetz der neuen Technik Rechnung zollen: Anders als alle anderen erneuerbaren Energien gelten Agri-PV Anlagen nicht als privilegierte Bauvorhaben. Das bedeutet: Ein Bebauungsplan durch die örtliche Kommune ist von Nöten. Oft muss hierfür zunächst der Flächennutzungsplan geändert werden. Diese Verfahren nehmen viel Zeit in Anspruch und verzögern den Ausbau der Anlagen.
Agri-PV Anlagen in landwirtschaftlichen oder gartenbaulichen Betrieben sollten nach dem Baugesetz privilegiert behandelt werden, fordert die Arbeitsgruppe. Durch eine solche Privilegierung wären Genehmigungen einfacher und schneller möglich.
Um die Energiewende schnellstmöglich voranzutreiben, brauche es zudem eine Digitalisierung der Genehmigungsprozesse sowie ein Ausbau der Fachkompetenzen in den lokalen Genehmigungsbehörden, so das Expertengremium.