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Depositphotos.com | Axel Wolf | LNG Gas

© Depositphotos.com | Axel Wolf | LNG-Terminals und Pipelines bau

Climate Transparency Report: Der Fluch der fossilen Subventionen

Der Energiekrieg lässt die Subventionssummen für Kohle, Öl und Gas weiter steigen statt sinken, mit fatalen Folgen fürs Klima. Die erneuerbaren Energien sparen gleichzeitig Kosten, doch die Energiewende wird viel zu zaghaft vorangetrieben.

Hat Putins Ukraine- und Energiekrieg auch positive Folgen? Eine heikle Frage. Darf man sie überhaupt stellen? Petteri Taalas, der Chef der Weltmeteorologieorganisation WMO, hat es getan. Und er beantwortete sie mit Ja. Der russische Angriffskrieg werde die Umstellung auf klimafreundlichere Energieerzeugung am Ende beschleunigen.

Die dadurch ausgelöste Energiekrise werde in Europa den Einsatz klimaschädlicher Brennstoffe, etwa in Kohlekraftwerken, zwar für einige Jahre erhöhen. Bei einer Betrachtung über fünf bis zehn Jahre sehe die Sache aber anders aus, sagte er kürzlich. Der Krieg beschleunige den Umbau, mit mehr Energieeinspar-Maßnahmen und mehr erneuerbarer Energie.

Eine berechtigte Hoffnung? Es wäre gut, wenn Taalas‘ Prognose einträfe. Denn bislang läuft der Umbau viel zu langsam, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens einzuhalten. Die Treibhausgasemissionen müssen laut dem Weltklimarat IPCC bis 2030 halbiert werden, um die Chance auf Einhaltung des 1,5‑Grad-Limits zu wahren – und das nicht nur in Europa, sondern weltweit.

Es wäre in der Tat eine radikale Wende. Denn die Erfahrung zeigt, dass die Chancen zur ökologischen Modernisierung des Energie- und Verkehrssystems bisher kaum genutzt wurden.

So stellten die Regierungen in der Weltwirtschaftskrise 2008/​2009 und ebenso in der Coronakrise 2021 Hunderte Milliarden US-Dollar für Hilfen und zusätzliche Investitionen bereit – doch diese flossen eher in die Stabilisierung des Status quo statt in den Umbau. Die Forderungen, damit einen „grünen Push“ zu geben, wurden nur zum Teil umgesetzt. Folge: Die Emissionen stiegen nach dem krisenbedingten Rückgang schnell wieder auf das vorherige Niveau.

Eine neue Untersuchung, der „Climate Transparency Report 2022“, zeigt nun, dass diese Gefahr auch in der aktuellen Krise besteht. Kernaussage: Trotz Fortschritten beim Ausbau der erneuerbaren Energien und in der Energieeffizienz drohen die G20-Staaten sich in die falsche Richtung zu bewegen. Die Subventionen für Kohle, Erdöl und Erdgas erreichen neue Rekorde, was das Erreichen der Klimaziele verhindert.

„Massiv wachsende Investitionen in fossile Infrastruktur“

Die Entwicklung in dieser Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer ist entscheidend, da sie zusammen für rund drei Viertel der globalen Treibhausgas-Emissionen verantwortlich sind. Climate Transparency ist ein Netzwerk von 16 Thinktanks und Organisationen aus 14 Staaten, darunter die deutsche Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch.

Der Anstieg der fossilen Subventionen ist in der Tat besorgniserregend. Bereits im Corona-Jahr 2021 erreichten sie laut dem Report 190 Milliarden Dollar, ein Plus von fast 30 Prozent gegenüber 2020. „In diesem Jahr sehen wir nun nochmal massiv wachsende Investitionen in fossile Infrastruktur“, sagte Jan Burck von Germanwatch, einer der Autoren des Reports.

Das ist offenbar einer der Hauptgründe dafür, dass die G20-Staaten beim grünen Umbau zu wenig Fortschritte machen. Schlussfolgerung des Berichts ist denn auch, dass die Staaten sich von ihren selbstgesetzten CO2-Zielen für 2030 zu entfernen drohen, statt ihnen näher zu kommen. Das ist umso dramatischer, als diese Ziele bei keinem der 20 Staaten ausreichen, um das 1,5‑Grad-Limit zu halten.

Etwas Hoffnung macht, dass Solar- und Windenergie laut der Analyse G20-weit weiter auf dem Vormarsch sind – Folge einer drastischen Verbilligung dieser Energieformen in den vergangenen 20 Jahren. Im Schnitt lag der Anteil der Erneuerbaren am Energiemix 2021 bei 10,5 Prozent, etwa 1,5 Prozentpunkte mehr als vier Jahre zuvor.

Das zeigt allerdings auch: Ihr Wachstum ist insgesamt zu niedrig. Bliebe es bei dem Tempo, bräuchte es noch viele Jahrzehnte, um auf eine grüne Vollversorgung zu kommen – Zeit, die nicht mehr da ist. Allerdings wird die Dringlichkeit des Problems in den G20-Ländern offenbar sehr unterschiedlich gesehen. Der Zuwachs an erneuerbarer Energie unterscheidet sich von Land zu Land sehr.

Das Schwellenland Indonesien war hier mit einem Plus von 7,8 Prozent seit 2017 am stärksten, am wenigsten ambitioniert hingegen der Erdölstaat Saudi-Arabien – hier blieb der Anstieg mit 0,1 Prozent im kaum messbaren Bereich. Deutschland liegt in dem Ranking mit plus drei Prozent nur knapp über dem EU-Schnitt auf Platz vier.

Kleiner Ökostrom-Boom spart der EU Milliarden

Umso wichtiger ist es nun, schnell deutlich mehr Investitionen in Erneuerbare und Energieeffizienz zu lenken, und, wie es in dem Report heißt, die fossilen Investitionen, die sich nicht mehr stoppen lassen, so zu gestalten, dass sie einen zügigen Übergang von fossiler zu klimaneutraler Nutzung ermöglichen.

Letzteres gilt zum Beispiel für die Flüssigerdgas-Infrastruktur, die weltweit ausgebaut wird, um russisches Erdgas zu ersetzen. Theoretisch ist es möglich, sie künftig auch für grünen Wasserstoff zu nutzen. Das spielt allerdings bisher nur eine untergeordnete Rolle.

Um das Umdenken zu beschleunigen, sollten sich die Verantwortlichen eine Untersuchung zum EU-Stromsektor anschauen, die soeben die britischen Klima-Thinktanks 3EG und Ember vorgelegt haben. Danach hätte ein stärkerer Ausbau der Erneuerbaren in den letzten Jahren geholfen, die Abhängigkeit von Erdgas zu senken und viel Geld zu sparen.

Die Studie zeigt, dass Sonne und Wind seit Beginn des Ukraine-Krieges im Februar ein Viertel des in der EU verbrauchten Stroms geliefert haben. Durch den erreichten Rekordzuwachs gegenüber 2021 seien rund elf Milliarden Euro an Erdgas-Kosten vermieden worden.

Allerdings habe die EU im gleichen Zeitraum immer noch 82 Milliarden Euro für die Verstromung von Gas ausgegeben. Geld, das bei einer anderen Energiepolitik frei für Sinnvolleres gewesen wäre. 

Quelle

Der Bericht wurde von der Redaktion „klimareporter.de“ (Joachim Wille) 2022 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung (post@klimareporter.de) weiterverbreitet werden! 

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