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Der Bodensee soll Energiespeicher werden

Der Bodensee ist als Quelle Erneuerbarer Energien in den Blickpunkt gerückt. Das sei ökologisch und ökonomisch sinnvoll, weil dabei kostenlose Umweltenergie genutzt werden könne, sagen Energieexperten und Politiker. Widerstand gegen den Eingriff in ein gesundes Ökosystem regt sich bislang nicht. Von Nicole Allé

Glasklar ist er, bis zu 254 Meter tief, ein sauberes Trinkwasserreservoir für Millionen Menschen, er erhält Diplome für seine Naturschutzgebiete und ist extrem beliebt bei Mensch und Tier. Der See, wie ihn die Einheimischen liebevoll nennen, als gäbe es keinen anderen, ist in den Fokus der Umwelttechniker gerückt – und soll künftig der Energieversorgung dienen. Im Winter könne die Wärme des Sees mithilfe von Wärmepumpen zum Heizen von Gebäuden genutzt werden, im Sommer hingegen lasse sich das vergleichsweise kühle Bodenseewasser zum Kühlen einsetzen, sagen nun Energieexperten. Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) findet die Idee gut, aus wirtschaftlicher und klimapolitischer Sicht. Ob die Felchen (schmackhafter Bodenseefisch) das auch so sehen wenn es dann vielleicht schon mal wärmer wird im See?

Die Voraussetzungen für das Vorhaben sind indes schon geschaffen worden: Die Internationale Gewässerschutzkommission (IGKB) hat bereits beschlossen, den Bodensee als riesigen Energiespeicher verstärkt zu nutzen. Die entsprechenden Richtlinien für die thermische Nutzung des Bodenseewassers wurden flugs neu gefasst. Die IGKB folge damit den Empfehlungen des Weltklimarates, der im Kampf gegen die weiter fortschreitende Klimaerwärmung bei der Heizung und Kühlung von Gebäuden zum Energiesparen aufruft und zum Einsatz von regenerativen Energien Die IGKB hat mit ihren Beschlüssen das Ökosystem Bodensee schon einmal stark beeinflusst, damals positiv. Anfang der 1970er Jahre, als der Bodensee „umzukippen“ drohte, wurden Kläranlagen gebaut und weniger Phosphate in den See geleitet. Das kam dem See zugute, der heute so sauber ist, dass die Fischer beklagen, der Felchenbestand habe sich deswegen reduziert, weil die Felchen nicht mehr genügend Nahrung an Plankton und Algen fänden.

Thermische Nutzung neu entdeckt

Alle drei Bodenseeanrainerländer, Deutschland, Österreich und die Schweiz., haben das jahr-zehntealte Verbot, Seewasser zum Heizen und Kühlen zu verwenden, gemeinsam gekippt. Das Thema „thermische Nutzung“ wird in den Alpenländern gerade heiß diskutiert. Da in den Alpen die Klimaerwärmung ja besonders deutlich werde, wolle man verstärkt über thermische Nutzung nachdenken. Vielleicht sollte man aber erstmal die Schneekanonen im Winter ein-stellen um Energie zu sparen? Stattdessen haben Schweiz und Österreich jetzt auch schon die Alpenseen im Visier für eine thermische Nutzung.

Der Gewässerschutz stehe aber nach wie vor an oberster Stelle sagen Umwelttechniker und die Grünen. Um den See nicht zu verunreinigen oder aufzuwärmen, darf die Rückgabetemperatur des thermisch genutzten Wassers höchstens 20 Grad Celsius betragen, die Rückgabetiefe sollte in einer Zone zwischen 20 und 40 Metern Tiefe erfolgen. Dies solle gewährleisten, dass die natürlichen Schichtungsverhältnisse im See möglichst wenig gestört werden. Ebenso müssten bestimmte Abstände zu Trinkwasserentnahmestellen eingehalten werden.

Über hunderte Meter lange Rohrleitungen soll der See in Zukunft angezapft werden. Über einen riesigen Wärmetauscher wird die im Wasser steckende Wärme an einer Stelle aufgenommen und an einer anderen wieder abgegeben. Die Wärme soll genutzt werden um Häuser, Schulen und Fabrikhallen das ganze Jahr über zu temperieren. An den bereits umkämpften Ufern des Bodensees – private oder öffentliche Nutzung – könnten Kraftwerke errichtet werden.

Seit 1987 ist es verboten, den See zur Energieerzeugung anzuzapfen. Ein paar wenige bestehende kleine Pumpanlagen gibt es jedoch bereits, sie wurden schon davor in den 60er-Jahren errichtet und haben eine geringe Energieausbeute, die Uni Konstanz verfügt über eine solche. Die nun geplanten thermischen Kraftwerke sollen jedoch eine Leistung von bis zu einem Gigawatt haben – das ist mehr als das Dreißigfache der bisherigen Anlagenkapazität.

Schon einmal gab es die Idee den Bodensee mit Kraftwerken zu bestücken und das Gebiet an den Ufern zu industrialisieren: Wasserkraft, Wasserwege und Energie für die Industrie zu nutzen und den Bodensee zu einer Art Ruhrgebiet  zu machen. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts sollten rund um den See Chemiewerke und gigantische Industriehäfen entstehen. Bis in die 1960er-Jahre schwelte die Idee immer wieder auf und scheiterte letztendlich an der Uneinigkeit der Schweizer Kantone – Glück für ein großartiges Ökosystem und eine einmalige Landschaft in Deutschland, die Mensch und Tier erhalten blieb.

Umweltschützer sind dafür

Bislang regte sich keine Kritik gegen das Vorhaben, Deutschlands größtes Binnengewässer als Energiepeicher zu nutzen – was ja doch immerhin einen enormen Eingriff in ein großartiges ökologisches System bedeutet. Sowohl Umweltschutzorganisationen wie der BUND als auch Wasserversorger und Bürgermeister in den Seegemeinden unterstützen sogar das Projekt. Wenn bestimmte Vorgaben eingehalten werden, gehe der Eingriff fast spurlos an dem 536 Quadratkilometer großen Binnengewässer vorüber, versprechen die Wissenschaftler. Schätzungsweise um 0,2 Grad Celsius könnte sich das Wasser erwärmen – allein der Klimawandel habe den See bereits um ein Grad erwärmt.

Aber lässt sich bei einem solchen Eingriff wirklich eine verlässliche Erwärmungsprognose treffen? In der Schweiz wird die Technik teilweise schon genutzt, wird argumentiert. Städte wie Zürich oder Lausanne nutzten ihre Seen seit Jahren, um einen Teil ihres Gebäudebestands zu klimatisieren. Auch die Städte rund um den Bodensee wären dann große Energieabnehmer. Klingt lukrativ. Projektoren sitzen wohl schon in den Startlöchern.

Quelle

energiezukunft.eu | Nicole Allé 2014

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