Die Ökostromlücke kommt uns teuer zu stehen
Am 7. Oktober wurden um 19 Uhr an der Börse rekordverdächtige 44 Cent je Kilowattstunde Strom bezahlt werden. Auch bei gutem Wind wurden in den vergangenen Tagen stundenweise Preise um 20 ct/kWh aufgerufen. Es fehlen Solar- und Windkraftwerke.
In den ersten sechs Oktobertagen war die Windkraft Deutschlands größte Stromquelle und dennoch hatten wir Strompreise von über 10 ct/kWh
In den ersten sechs Oktobertagen lieferten Solar und Wind zusammen mit 3,5 Terawattstunden (TWh = Mrd. kWh) gut das Eineinhalbfache an Strom wie zusammen Braun- und Steinkohle mit 2,2 TWh. Und dennoch lag der Strompreis an der Börse im Schnitt über 10 ct/kWh und in der Spitze bei über 20 ct/kWh. Denn wir haben zu wenige Windkraftwerke.
Hauptursache des Strompreisanstiegs ist der rasant gestiegene Erdgaspreis. Betrug er Anfang des Jahres an der Börse noch 0,75 ct/kWh liegt er jetzt bei 1,9 ct/kWh. Also ein Anstieg um 150%! Erdgaspreis.
Das treibt an der Strombörse die Preise nach oben. Denn diese werden in der Merit-Order durch den Preis des Kraftwerks bestimmt, das als letztes noch erforderlich ist, um die Stromnachfrage zu decken. Da wir zu wenige Windkraftwerke haben, bestimmen häufig die Erdgaskraftwerke den Preis.
Quelle BNetzA a https://www.smard.de/home Quelle Energy charts Day ahead Auktion volumengewichtet c bis 7.10.
Der Stromexportüberschuss im Oktober von stundenweise sogar 10 Millionen Kilowattstunden zeigt, dass in unseren Nachbarländern, die Strompreise zeitweise sogar höher sind als bei uns. Heute am 7.10. bei unseren extremen Strompreisen haben wir aber einen großen Importüberschuss. Bis zu 11 Million Kilowattstunden in einer Stunde. Dabei nutzt uns auch die neue HGÜ-Verbindung mit Norwegen.
Ausblick
Ende des Jahres 2021 verlieren von den verbliebenen sechs AKW drei ihre Betriebsgenehmigung. Damit gehen 4,1 Gigawatt (GW = Millionen Kilowatt) aus dem Markt. Da die Anlagen in den letzten Betriebsmonaten wegen schwächer werdenden Brennstoffs im Stretch-out-Betrieb immer weniger produzieren, werden voraussichtlich schon in den verbleibenden drei Monaten die Atomstromlieferungen sinken. Ende 2022 werden dann die restlichen drei AKW mit auch rund 4,1 GW ihre Betriebsgenehmigung verlieren.
Von den Kohlekraftwerken wurden bzw. werden laut Bundesnetzagentur in den Jahren 2021/22 rund 4 GW abgeschaltet. Überwiegend in NRW. Neu in den Markt kommen 2,4 GW Erdgaskraftwerke.
Da aber in Deutschland viel zu wenige Photovoltaik- und Windkraftanlagen neu gebaut werden, wächst die Ökostromlücke. Hierdurch wird unverantwortlich viel CO2 erzeugt und steigen die Preise an der Strombörse. Hätten wir in den vergangenen zehn Jahren konsequent Solar und Windkraft ausgebaut, wäre heute der Strompreis auch bei Einberechnung von Systemkosten für Speicher günstiger. Auch würde bei wenig Wind und Sonne dennoch mehr Strom produziert.
Und prompt will ein mächtiger Politiker der CDU eine Laufzeitverlängerung. LEE NRW 5.10.21. Bisher hat Carsten Linnemann, MdB aus Ostwestfalen, sich zwar als Blockierer der Energiewende hervorgetan aber sich noch nirgends hingestellt und gesagt: Wir brauchen in Deutschland ein Endlager – das könnte auch hierhin kommen. Auch hat er, obwohl Ökonom, noch nie vernehmbar gefordert, dass auch die AKW das volle Haftungsrisiko für den Fall des Falles absichern müssen und dies nicht auf den Staat und die potenziell Geschädigten abwälzen dürfen. Dass erst dann ein fairer Wettbewerb am Strommarkt entsteht.
Jetzt muss der Knoten platzen!
Wir brauchen für den Klimaschutz und die Versorgung zu günstigen Preisen einen jährlichen Ausbau mit etwa 15 GW Solar und 10 GW Windkraft. Aus neuen Solar- und Windkraftgroßanlagen wird der Strom für 5 und weniger Cent je Kilowattstunde geliefert. Begleitend brauchen wir die Bioenergie, die Geothermie und die Wasserkraft sowie den Ausbau des Stromverbundes mit modernen verlustarmen HGÜ-Leitungen und den Bau von Speichern. Diese Stromversorgung wird in einigen Jahren preiswerter sein als die heutige.
Auch muss das staatliche System von energiebezogenen Steuern, Abgaben und Umlagen („SAU“) reformiert werden, denn es belastet selbst den Ökostrom mehr als das klimaschädliche Erdgas.
Quelle
Raimund Kamm | FORUM Gemeinsam gegen das Zwischenlager und für eine verantwortbare Energiepolitik e.V. 2021