Durch Photovoltaik erzeugte Solarenergie könnte 2030 rund 12 Prozent des europäischen Strombedarfs abdecken – viermal so viel wie noch 2013
Durch Photovoltaik erzeugte Solarenergie könnte 2030 rund 12 Prozent des europäischen Strombedarfs abdecken – viermal so viel wie noch 2013.
- Endkunden können durch Photovoltaik selbst Energie erzeugen – Energielandschaft wird zu einem multidirektionalen System
- Diese Entwicklung gefährdet das Geschäftsmodell der Versorger, schafft aber auch neue Geschäftsmöglichkeiten
- Aktuell decken traditionelle Energieversorger in Europa weniger als 1 Prozent der installierten Photovoltaik-Kapazität ab
- Versorger sollten sich vorbereiten, um die großen Wachstumschancen des Photovoltaikmarktes für sich zu nutzen
Die Photovoltaik (PV) ist weltweit ein stabiler Wachstumsmarkt. Allein im vergangenen Jahr stieg die globale Photovoltaik-Kapazität im Vergleich zum Vorjahr um knapp 40 GW; insgesamt beläuft sie sich auf 177 GW. Doch obwohl dieser Markt so schnell wächst, spielen die traditionellen Energieversorger im Bereich der Photovoltaik immer noch eine nur marginale Rolle: Auf sie entfällt in Europa nicht einmal 1 Prozent der installierten Kapazität, so die neue Roland Berger-Studie „Solar PV could be similar to the shale gas disruption for the utitilities industry“.
„Die meisten PV-Anlagen werden immer noch auf Dächern von Häusern und Firmengebäuden installiert“, erläutert Torsten Henzelmann, Partner von Roland Berger Strategy Consultants. „Projektentwickler, Investoren, Haushalte und Gewerbetreibende werden so zu einer ernsthaften Konkurrenz für die traditionellen Energieversorger. Diese sollten daher die Marktchancen der Photovoltaik schnell erkennen und für sich nutzen.“
Photovoltaikanlagen erleben Hochkonjunktur
In Europa werden sich voraussichtlich immer mehr Privathaushalte und Firmen in den kommenden Jahren entscheiden, in eine eigene Photovoltaikanlage zu investieren. Einer der Hauptgründe: Die Preise für PV-Anlagen in Europa sinken weiter; die Investition wird deshalb immer attraktiver. So gingen die Systemkosten der PV-Anlagen bei Privathaushalten zwischen 2010 und 2013 um 15 Prozent zurück; im Gewerbebereich nahmen die Kosten im gleichen Zeitraum sogar um 23 Prozent ab. Im europäischen Vergleich zeigen Deutschland und Italien besonders günstige Anlagenpreise im Haushaltsbereich.
Vorteilhaft ist auch die aktuelle Preisentwicklung des PV-Stroms. In Deutschland ist dieser im Privatbereich 17 Cent/kWh günstiger als der Einzelhandelsstrompreis. „Innovative Technologien wie Batteriespeicher und Hausautomationssysteme werden dazu führen, dass die Eigentümer einen höheren Anteil des günstig erzeugten Solarstroms selbst nutzen werden“, erklärt Henzelmann. Hinzu kommen die guten Finanzierungsmöglichkeiten: Der leichte Zugang zu Finanzierungen und Dienstleistungsangeboten steigern das Interesse der Verbraucher am Kauf einer Photovoltaikanlage.
Traditionelle Energieversorger zeigen Nachholbedarf
Diese Faktoren werden in den kommenden Jahren für ein weiteres Wachstum der PV-Branche sorgen. So gehen die Roland Berger-Experten davon aus, dass bis 2030 fast 12 Prozent des gesamten Stromverbrauchs in Europa auf Photovoltaik entfallen werden. Doch trotz der starken Entwicklungsperspektiven des PV-Marktes ist der Anteil der europäischen Energieversorger derzeit sehr gering: Weniger als 1 Prozent der installierten PV-Kapazität ist auf die traditionellen Versorger zurückzuführen.
„Diese Entwicklung des PV-Marktes wird sich in vielen Ländern erheblich auf die Energiekonzerne auswirken“, prognostiziert Roland Berger-Partner Torsten Henzelmann. So wird die Photovoltaik-Kapazität in Ländern wie Deutschland, Griechenland und Italien schon 2025 die Grundlastnachfrage übersteigen. Sie könnte sogar 50 Prozent der Spitzenlastnachfrage übertreffen und dadurch mehr Exporte und Speicherkapazitäten erfordern, um der Marktlage gerecht zu werden. „Das wird die klassische Energielandschaft stark verändern“, so Henzelmann. „Versorger müssen sich auf zunehmende Schwankungen des Energiesystems, den Verlust von Erzeugungsvolumen und niedrigere Preise einstellen. Außerdem werden neue Akteure auf diesem Markt agieren.“
Neue Chancen für Energieversorger und Netzbetreiber
Das Wachstum der Photovoltaik-Branche stellt nicht nur eine Herausforderung für Energieversorger dar – es ist für sie auch eine Chance, auf ein neues, zukunftsträchtiges Geschäftsfeld zu setzen. Denn konventioneller Strom wird weniger gefragt sein – vor allem auf dem margenstarken Wohnungsmarkt. „Energiekonzerne sollten den Umfang ihrer Erzeugungsanlagen reduzieren und flexibler auf Schwankungen bei Angebot und Nachfrage reagieren“, rät daher Torsten Henzelmann.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Versorgungssicherheit: Die starken Leistungsschwankungen der Photovoltaik zwingen Energieanbieter, neue Preismodelle für den Zugang zur Stromversorgung zu entwickeln. Ihre Hauptrolle wird sich daher zunehmend verlagern: von der traditionellen Energielieferung hin zur Abstimmung von Nachfrage und Angebot. So wird sich die Präsenz der Energieanbieter im Handel verstärken, denn hier können sie von ihren langjährigen Kundenbeziehungen profitieren.
Und auch die europäischen Netzbetreiber sollten sich den neuen Marktentwicklungen anpassen. Denn die dezentrale Energieerzeugung verändert den Stromfluss; dies wird dazu führen, dass sich auch Umfang und Form der Stromnetze ändern werden. „Netzbetreiber sollten vor allem die Chancen der Smart Grids für sich ausschöpfen“, empfiehlt Henzelmann. „Durch diese intelligenten Stromnetze werden Netzbetreiber den Strommarkt flexibler steuern und ihren Endkunden passende Leistungen anbieten können.“