Erneuerbare brauchen Kommunikation
Fehlte den Erneuerbaren Energien von Anfang an die richtige Kommunikationsstrategie? Der Prozess des Übergangs in ein neues Energiesystem muss kommunikativ begleitet werden, sonst wird es kaum möglich sein, eine breite Akzeptanz dafür zu schaffen. Das gilt auch für die effektive Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen.
Ohne Strom geht kaum noch etwas im Leben. Kein Computer, kein Smartphone, keine Pumpe im Wasserwerk. Strom ist teuer und seine Produktion belastet in vielen Bereichen die Umwelt. Kohle zerstört das Klima, atomare Erzeugung führt zu weitreichenden und ungeklärten Problemen. Letztlich handelt man sich mit dieser Stromerzeugung nur Nachteile ein. Nur eine Erzeugungsart hat keine: Erneuerbare Energie aus Wind, Sonne, Biomasse und Wasserkraft. Diese sind nicht nur sauber zu erzeugen, sie schicken zudem auch keine Rechnung. Eigentlich ideal. Und dennoch gibt es Vorbehalte. Erneuerbare Energien werden mittlerweile als Teuermacher verschrien, Windräder als „Spargel“ in der Landschaft bezeichnet.
Was macht Produkte oder Projekte erfolgreich? Neben der Qualität und dem Nutzen ist es auch eine möglichst breite Akzeptanz. Diese wird erzielt, indem man zu den offensichtlichen Vorteilen eine passende Marketingstrategie hat, die den Menschen diese Vorteile auch erklärt. Bei den Erneuerbaren wurde dieser Zusammenhang offensichtlich nicht erkannt oder gar missachtet. Zu lange hat man sich offenbar dem Glauben hingegeben, dass alles selbsterklärend sei.
Das ist es aber nicht! Immer mehr Menschen sehen in ihrer Umgebung immer mehr Windräder stehen, die Zahl der als störend empfundenen Atomkraft- oder Kohlekraftwerke nimmt gleichzeitig in der Relation ab. Die Entwicklung hat sich scheinbar verselbstständigt. In der Folge wird das Produkt der Erneuerbaren zunehmend kritisch gesehen, obwohl es fast nur Vorteile aufweist. Wie kommt das? Warum gab es nicht von Anfang an ein stimmiges Marketingkonzept, sondern endet in einem regelrechten Marketing-Desaster?
Ausgehend vom klassischen Marketing-Mix mit seiner Produkt-, Preis, Distributions- und Kommunikationspolitik, mit dem üblicherweise Marketingstrategien in die Tat umgesetzt werden, ist es an der Zeit sich diese Fragen zu stellen. Denn ganz offenbar hätte man das Produkt besser verkaufen können: Erneuerbare sind nicht sexy, werden in der öffentlichen Diskussion als Preistreiber gebrandmarkt und der Anblick der regenerativen Anlagen stößt zunehmend auf Widerstand in der Bevölkerung. Und das obwohl Umfragen tatsächlich das Gegenteil ergeben: eine knappe Mehrheit der Befragten ist mit der Höhe der EEG-Umlage sowie einem Umbau der Energieversorgung in Deutschland einverstanden.
Wieso ist es bislang nicht gelungen, eine breitere Akzeptanz für dieses wichtige Generationenprojekt zu gewinnen? Und wer ist für dieses Marketing-Desaster letztlich verantwortlich? Hat die Bundesregierung versagt oder sind die Unternehmen ihrer Rolle als Vermittler der Information nicht gerecht geworden?
Ziel dieser Analyse sollte also sein, die Gründe für das Scheitern dieser Marketingstrategie herauszufinden, deren Ziel es war, eine breite Akzeptanz zu erreichen. Und noch wichtiger als die notwendige Analyse ist es, daraus entsprechende Schlussfolgerungen für die Zukunft abzuleiten.
Im Vordergrund steht zunächst das Produkt. Die Erneuerbaren Energien, eine Erfolgsgeschichte, die ihren Anfang in den 1980er Jahren im Rahmen der Anti-Atom-Kraft Bewegung nahm und seit Beginn der 1990er Jahren in der Bundesrepublik mit zunehmender Anlagenanzahl realisiert wurde. Mit der Entwicklung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), welches seit dem Jahr 2000 den Marktzugang der erneuerbaren Technologien neben den atomaren und fossilen ermöglichte, gelang es, den Anteil der Erneuerbaren im Jahr 2013 auf rd. 25 Prozent des deutschen Strombedarfs in der Bundesrepublik zu steigern.
Es sind Unternehmen, die das Produkt Erneuerbare Energie in Form von regenerativen Anlagen entwickeln, bauen und betreiben und aus der Summe der Gesamtheit der unternehmerischen Aktivitäten ihren betriebswirtschaftlichen Erfolg ableiten.
Das Produkt der Erneuerbaren hat aber eine Einschränkung. Es handelt sich um ein Produkt mit hohem Erklärungsbedarf. Dazu können zunächst folgende Tatsachen festgehalten werden:
- Die Diskussion um die Erneuerbaren Energien wurde in der Öffentlichkeit nahezu ausschließlich um das Thema Strom geführt.
- Strom ist unsichtbar. Das gilt auch für eingesparte Energie. Auch sie kann der Verbraucher nicht sehen.
- Die Kosten für die fossilen Kraftwerke sind deutlich höher, insbesondere die externen Kosten, die sich nicht auf den Einzelnen umlegen lassen, sondern als gesamtgesellschaftliche Last z. B. im Zuge der folgenden Umweltverschmutzung zu tragen sind.
- Die Kosten für die atomare Energieerzeugung sind bislang ebenfalls nicht final bezifferbar. Bis heute gibt es keine endgültige und sichere Lösung für die Lagerung atomaren Abfalls. Alle Kosten der Atommüllentsorgung wurden zudem bislang über Steuermittel finanziert und waren im Preis der Kilowattstunde Strom nicht eingerechnet.
Der durch Windenergie- und Photovoltaikanlagen erzeugte Strom senkt aktuell den Börsenstrompreis, weil das Produkt mit Grenzkosten von nahezu Null an der Börse gehandelt wird. Volkswirtschaftlich betrachtet liegt hier ein klassisches Marktversagen vor. Im Vergleich mit herkömmlichen Kraftwerken sind die Erneuerbaren durch einen staatlich festgelegten Preis, die sogenannte Einspeisevergütung, nicht in der Lage, auf einem Markt einen Preis im klassischen Sinne zu bilden. Diese feste Einspeisevergütung allerdings ist aufgrund der bei den fossilen und atomaren Wettbewerbern nicht internalisierten Kosten erforderlich, um der besonderen Marktzutrittssituation gerecht zu werden. Mit welcher Systematik die Höhe der Einspeisevergütung erfolgt, ist für eine Marketingstrategie irrelevant.
Die Preispolitik der Erneuerbaren Energien spielt daher im Marketing-Mix eine andere Rolle, als dies herkömmlich der Fall ist. Hier geht es nicht darum, aus den Variablen Nachfrage, Wettbewerb oder Kosten einen spezifischen Marktpreis zu ermitteln. Der Preis ist durch die Systematik der festen Einspeisevergütung, die ein Windradbetreiber gesetzlich garantiert für die Dauer von 20 Jahren erhält, fixiert und für den Kunden in Form der anteiligen EEG-Umlage auf der Strompreisrechnung ausgewiesen.
Für Unternehmen der EE-Branche entfällt damit das Marketingelement der Preispolitik. Diese außergewöhnliche Voraussetzung muss aber zwingend im Rahmen der Akzeptanzgewinnung integriert und schließlich in Form einer angemessenen Kommunikationspolitik umgesetzt werden. Allein deswegen, weil der Stromnutzer (wir bleiben bei den privaten Haushalten) eine jährlich steigende EEG-Umlage auf der Stromrechnung findet und ihm dadurch suggeriert wird, der Strompreis steige ausschließlich wegen der Energiewende.
Das ist einer der schwerwiegendsten Kritikpunkte. Spätestens hier hätte eine Marketingkampagne gestartet werden müssen, die den Stromkunden motiviert, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, die komplexen Hintergründe der Energiewende in einem Lernprozess zu verstehen und schließlich die Notwendigkeit mancher Vorgänge leichter zu akzeptieren. Diese ergibt sich sicherlich nicht morgen, aber im übertragenen Sinne spätestens übermorgen, wie der jüngste Bericht des Weltklimarates zeigt.
Nur der Abschied von Öl, Gas und Kohle hilft: Das ist die Kernbotschaft des dritten Teils des neuen IPPC-Berichts. Der weltweite Ausstoß an Treibhausgasen muss bis Mitte des Jahrhunderts um 40 bis 70 Prozent sinken, zeitnahes Handeln ist dringend erforderlich. Experten halten die Kosten für überschaubar. Dennoch sind Investitionen notwendig, die sich erst später auszahlen.
Akzeptanz ist das wohl wichtigste Schlagwort. Wie kann sie bei einem solchen Produkt mit einer derartigen Preisvorgabe erreicht werden und bei wem? Zwar unterstützt laut Umfragen immer noch die Mehrheit die Energiewende. Die Akzeptanz der steigenden Strompreise droht allerdings mehr und mehr zu schwinden, ganz gleich, wodurch der Anstieg nun begründet ist.Die Akzeptanz der Energiewende muss aber zwingend von den Bürgern ausgehen, denn sie sind es, die die Energiewende als Generationenprojekt tragen müssen, insbesondere finanziell.
Die Schwierigkeit liegt zunächst darin, den Bürgern die Funktion und den langfristigen Nutzen dieser Investition zu erklären. Die Bürger der Bundesrepublik sind also die Zielgruppe, denen schließlich das Produkt der Energiewende, also der Wechsel von atomaren und fossilen Kraftwerken hin zu regenerativen Energien, „verkauft“ werden muss.
Es gibt bereits viele Bürger, die sich beispielsweise in Genossenschaften an der Energiewende unmittelbar beteiligen und das Produkt z. B. in Form einer Photovoltaikanlage oder eines Windrades auch tatsächlich kaufen. Im übertragenen Sinne müssen aber alle Bürger, auch jene, die nicht von der Technologie begeistert sind, das Produkt und seinen Preis zumindest akzeptieren.
Zu Recht wird daraus die Essenz abgeleitet, dass die Zielgruppe zunächst dazu motiviert werden muss, sich mit dem Produkt auseinander zu setzen. Je komplexer das Produkt ist, desto anstrengender ist es, sich damit aktiv zu beschäftigen. Der Anreiz muss also stark sein und von außen gesetzt werden.
Wie aber muss ein solcher Anreiz inszeniert werden? Und welche Kommunikationsstrategie wählt man, damit sie erfolgreich ist? Welche Kommunikation muss eingesetzt werden, damit die Erneuerbaren Energien gemeinhin noch mehr Akzeptanz erfahren?
Problem Nummer eins: erklärungsbedürftige Produkte benötigen in der Regel ein hohes Maß an persönlichem Dialog, der von schriftlichen Kommunikationsmitteln begleitet wird. Die Energiewende ist aber anders, sie ist neu und aus diesem Grunde gab es keinen Königsweg, der hätte befolgt werden können. Die Unternehmen hätten von Beginn an ihre Interessen in der Politik stärker vertreten müssen. Und die Politik hätte das Generationenprojekt Energiewende den Wählern transparent und ehrlich vermitteln müssen. Im Nachhinein betrachtet, wurde die Umsetzung der Energiewende in ihrem Ausmaß und ihren Konsequenzen von den politischen Akteuren und der EE-Industrie deutlich unterschätzt. Bezogen auf die Kommunikationsstrategie muss der klassische Marketing-Mix neu erfunden werden. Eine Übertragung auf die Energiewende gelingt nur noch in Ansätzen. Was bleibt, ist vermutlich das Tool der Werbung.
Was auch bleibt ist die Frage, wer eigentlich für das Generationenprojekt Energiewende hätte werben sollen oder gar müssen? Die Unternehmen? Die Bundesregierung? Die Umsetzung der Energiewende geht zwingend mit dem Errichten von regenerativen Anlagen einher. Eine Veränderung der Kulturlandschaft durch Windräder oder Photovoltaikanlagen war damit vorprogrammiert. Eine begleitende Marketingstrategie hat bei diesem Prozess nicht stattgefunden und findet seinen Niederschlag nun in der schwindenden Akzeptanz in vielen Teilen der Bevölkerung.
Angesichts der zeitlichen als auch der thematischen Tragweite der Energiewende, hätte die Werbung um Akzeptanz von Beginn an ein übergreifendes Modul im Rahmen eines Masterplans sein müssen, den es aber leider nie gegeben hat – ganz zu schweigen vom Modul Werbung. Die bislang durchgeführten Kampagnen für die Erneuerbaren Energien haben sich mit ihrer Ansprache in der Regel auf Zielgruppen konzentriert, die ohnehin schon Anhänger der Energiewende waren. Die Initiativen haben damit jene nicht erreicht, die hätten motiviert werden sollen, sich mit den Folgen auseinanderzusetzen. Neutral, aber kritisch muss konstatiert werden, dass diese Ansprache nicht gelungen ist, denn die eigentliche Zielgruppe wurde schlichtweg ignoriert.
Es ist nach wie vor Aufgabe der Politik, die Entscheidung für eine Energiewende mit einer angemessenen Kommunikationsstrategie zu begleiten und damit die Akzeptanz in der Bevölkerung zu erhöhen, wenn sie die Energiewende ernst nimmt. Dazu gehört es auch, Dinge beim Namen zu nennen und transparent die Kosten aller Komponenten darzustellen. Intransparente und inkorrekte Botschaften zu verbreiten schadet nur, das hat die vorherige Bundesregierung bewiesen. So war das Wahlargument der sogenannten Strompreisbremse vom damaligen Bundesumweltminister Peter Altmaier in der Sache nicht korrekt und hat dazu geführt, dass die Diskussion in der Öffentlichkeit mit falschen Argumenten geführt wurde und immer noch geführt wird.
Die Lust zu lernen, wieso manche Dinge eben so sind wie sie sind, ist eine schwierig zu vermittelnde Aufgabe, aber dennoch lösbar. Jedenfalls für kreative Köpfe, die wissen, wie man Marketing macht. Für eine Energiewende-Kampagne ist es nicht zu spät, wenngleich der Aufwand nun deutlich höher ist als noch vor einigen Jahren. Der Auftrag dazu muss von der Bundesregierung kommen, die Botschaften müssen im Sinne der Umsetzung der Energiewende sein. Der Prozess des Übergangs in ein völlig neues Energiesystem muss dringend kommunikativ begleitet werden, sonst wird es kaum möglich sein, eine breite und dauerhafte Akzeptanz dieser weitreichenden Veränderung zu kreieren.
Den Unternehmen allein die Verantwortung dafür zu übertragen, ist nicht in Ordnung und auch nur in Maßen erfüllbar. Sie alleine können die Scharten der Politik nicht immer auswetzen. Idealerweise kann diese Erkenntnis rechtzeitig auf die nächste Herausforderung, die effiziente und effektive Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen, übertragen werden.
—
Dr. Gabriele Ackermann leitet im Bereich Public Affairs/Unternehmenskommunikation die bundesweite Länder- und Regionalpolitik bei der juwi AG und hat seit Dezember 2013 einen Lehrauftrag an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Mannheim am Lehrstuhl International Business inne.
Quelle
NATURSTROM AG 2014Dr. Gabriele Ackermann 2014