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Gefährlicher Chemikaliencocktail

Eicke R. Weber argumentiert, dass die hohen Risiken beim Fracking den Nutzen bei weitem übersteigen.

In der Diskussion um Energiekosten in Deutschland wird die Fracking-Technologie erwähnt, die Gewinnung von Erdgas aus Schiefergestein, in dem dieses Erdgas gespeichert ist. Ist es Dummheit, uns dieser Technologie zu verweigern, die doch angeblich den USA einen großen Vorteil mit billigem Gas verschafft? Beim Fracking geht es darum das Schiefergestein durch Flüssigkeiten zu zertrümmern (engl.: to fracture), die mit hohem Druck in Bohrlöcher gepresst werden und mit Hilfe eines Cocktails aus zum Teil hochgiftigen Chemikalien das im Gestein sitzende Erdgas herausspülen. Im Gegensatz zur normalen Gewinnung von Erdgas aus gasförmigen Vorkommen oder als Nebenprodukt der Erdölförderung ist dies eine energieaufwändige Technologie, die Kosten des aus Fracking gewonnenen Erdgases sind deutlich höher als die Kosten der konventionellen Gasgewinnung.

Diese Technologie lohnt ökonomisch nur, wenn der Gaspreis über den Kosten der Gewinnung des Schiefergases liegt. Hierzu lohnt es sich, die Umrechnungen kennenzulernen: International wird der Gaspreis in Dollar pro 1 Million British Thermal Units angegeben (als $/MMBtu). Dabei entsprechen 10 $/ MMBtu grob circa 2,5 ct/kWh thermischer Energie. Wenn damit Strom hergestellt werden soll, liegt diese Zahl – je nach Effizienz – fast doppelt so hoch. Der Preis für in der Welt gehandeltes Gas wie auch der Gaspreis in Deutschland liegt nahe dieser 10 $/MMBtu. Dies entspricht übrigens etwa 360 $/1000 m, der in Europa üblichen Einheit.

Die Kosten des Fracking werden nie genau angegeben. Schätzungen gehen von circa 4 $/MMBtu aus, je nach Art der Bohrung mehr oder weniger. Daher scheint es im Vergleich zum internationalen Gaspreis derzeit sinnvoll zu sein, in den USA Gas durch Fracking zu gewinnen. Kann aber dadurch ein dauerhaft niedriger Preis für die Verbraucher gewonnen werden? Welche Umweltschäden müssen in Kauf genommen werden?

Nützlich ist ein Vergleich mit dem Preis von Erdöl. Das kostet weltweit zurzeit circa 80 $/Fass Öl (ein Fass sind circa 160 Liter). Die Förderkosten des Öls sind an Land bedeutend niedriger. In Saudi-Arabien liegen sie im niedrigen einstelligen $/Fass Bereich, in den USA um die 10 $/Fass. Dennoch profitiert in den USA kein Verbraucher von diesen niedrigen Gestehungskosten, da es einen Weltmarktpreis gibt, der auch in den USA gilt. Beim Gas ist es noch anders: Gas wird meist in Rohrleitungen verteilt. Dies begrenzt das Ausbilden eines allgemeinen Preises. Daher ist in den USA zurzeit der Gaspreis nur halb so hoch wie etwa in Europa. Diese Situation wird sich ändern. Auch in den USA werden Hafenanlagen zum Verschiffen von Flüssiggas gebaut. Sobald Gas ähnlich wie Öl verschifft werden kann, wird der Traum vom billigen Gas dort enden. Dies gilt auch für Schiefergas, das möglicherweise in Deutschland gewonnen würde: Dieses würde dem Verbraucher sicher nicht zu den Herstellungskosten verkauft werden, sondern zum bei uns etablierten Weltgaspreis. Den Gewinn würden die Gasfirmen machen.

In der Zwischenzeit werden zudem die beträchtlichen Umweltschäden durch die Gewinnung des Schiefergases in den USA wachsen. Die USA wie auch Kanada sind große Kontinente, so dass die geologischen Gefahren durch lokale Erdbeben, die durch das Einpressen großer Flüssigkeitsmengen unter hohem Druck entstehen können, nicht ins Gewicht fallen. Im dicht besiedelten Deutschland ist das anders. Von besonderem Gewicht ist hier auch die Gefahr für das Grundwasser: Der Chemikaliencocktail, aus dem die Fracking-Flüssigkeit besteht, ist ein gut gehütetes Geheimnis. Niemand weiß, wie viel Quecksilber, Cadmium, und andere hochgiftige Zusätze in die Erde gepresst werden und ihren Weg ins Grundwasser finden können. Neben einem Verbot der Fracking-Technologie würde bereits die Auflage, die Zusammensetzung der Fracking-Flüssigkeit offenzulegen, das Interesse am Fracking in Deutschland stoppen. Wir können es uns in einem so dicht besiedelten Land einfach nicht leisten, die Sauberkeit unseres Grundwassers heute und in künftigen Jahrhunderten zu gefährden.

Es gibt noch eine andere Gefahr: Bohrlöcher produzieren Schiefergas nur für wenige Jahre. Bei normalen Gasvorkommen ist das anders. Daher fürchten Experten wie der britische Solarpionier Jeremy Leggett, dass die Bohrfirmen durch die gigantischen Ausgaben für das Fracking in eine finanzielle Schieflage kommen könnten – mit unabsehbaren Auswirkungen auf die Weltwirtschaft.

Quelle

Eicke R. Weber | Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg 2014

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