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Fotolia.com | SandraZuerlein

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Irland: Großzügige Bagatellgrenze für PV-Anlagen

Wie unterschiedlich EU-Staaten im Detail die europäischen Energiewendeziele umsetzen, zeigt sich in Irland. Dort gelten PV-Anlagen mit bis zu 6 bzw. 11 kVA Anschlussleistung als Micro-Generator und können beim Netzbetreiber einfach angemeldet werden.

Irland wird von der Sonne weniger verwöhnt als Deutschland. Die Sonneneinstrahlungswerte liegen in etwa gleichauf mit den südlichen Landesteilen Schwedens, Finnlands und Englands – im Jahresmittel bei rund 900 Kilowattstunden pro Quadratmeter. Bis 2030 will das Land 80 Prozent des erzeugten Stroms aus Erneuerbaren Energien gewinnen. Dafür sollen 2,5 Gigawatt Photovoltaik-Kapazitäten ausgebaut werden, 8 Gigawatt Windkraft an Land und 5 Gigawatt Offshore-Windkraft. 2021 waren gerade mal 100 Megawatt PV-Leistung installiert, die angestrebte Wachstumsrate ist also beachtlich.

Die irische Regierung hat ein Ausschreibungsverfahren für Photovoltaik in Gang gesetzt, die ersten Projekte wurden bezuschlagt und sind im Bau. Darüber hinaus setzt Irland stark auf kleine Eigenversorgungsanlagen in irischen Haushalten. Dafür wurde die Bagatellgrenze im europäischen Vergleich auf einen Höchstwert festgesetzt:  Stromerzeugungsanlagen mit bis zu 6 kVA Wechselrichter-Anschlussleistung in einphasigen Installationen und mit bis zu 11 kVA in dreiphasigen Installationen gelten als Micro-Generator und profitieren von einfachen Anschluss- und Abrechnungsregeln. Am einfachsten und praktikabelsten ist diese Bagatellgrenze für Photovoltaikanlagen. Am Ende des Jahrzehnts sollen in Summe 308 Megawatt Leistung in dieser Anlagenform auf den Dächern oder in den Vorgärten installiert sein.

Europaweit höchste Bagatellgrenze für Kleinanlagen

Das Micro-Generation Support Scheme (MSS) wurde letztes Jahr aus der Taufe gehoben. Aber auch schon zuvor installierten die Iren vielfach Kleinanlagen und speisten Strom ohne Vergütung und ohne Anmeldung ins Netz ein. „Die Leute hier in Irland sind Anarchisten was Heim und Hof betrifft und Charity ist selbstverständlich. Dass man etwas freiwillig weggibt, ohne dafür im Diesseits entlohnt zu werden, ist normal“, berichtet Juri Hertel, der seit vielen Jahren in Irland lebt. Wie viele Kleinanlagen tatsächlich installiert wurden, wird wohl erst feststehen, wenn überall intelligente Zähler verbaut sind. Es könnten Zehntausende sein. Der Begriff Guerilla-PV – in Deutschland in den Anfangszeiten für Stecker-Solargeräte verwendet – bekommt so einen anderen Klang.

Die Micro-Generatoren können mit einem lediglich zweiseitigen Anmeldeformular beim Netzbetreiber angemeldet werden. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um eine Kleinanlage mit Wechselrichter und Netzeinspeisung handelt oder um mehrere Steckersolar-Module, die bereits einen Wechselrichter integriert haben und per Steckdose in den eigenen Haushalt einspeisen. Im letzteren Fall trägt der Hausbesitzer allein die Verantwortung dafür, dass sein hausinternes Stromnetz für die Aufnahme des eingespeisten Stroms ertüchtigt ist.

Intelligente Zähler messen bei Netzeinspeisung Strombezug und Einspeisung – Grundlage für die Abrechnung. Wer keinen smarten Zähler hat oder will, der speist einfach so ein, auch das ist nach wie vor möglich. Kaum zu glauben, aber wahr: Auch ohne Kilowattstundengenaue Zählung wird vergütet – die Einspeisung wird geschätzt. Die Vergütung kommt vom Stromversorger, dem Unternehmen, das den Strom auch vermarktet. Dazu sind die Stromversorger seit Februar 2022 gesetzlich verpflichtet.

In Deutschland dürfen lediglich Solarmodule mit insgesamt 600 Watt Leistung – das sind im Schnitt zwei Module – als Stecker-Solargeräte den eigenen Haushalt per Steckdose mit Strom versorgen. Und selbst um diese Grenze und die damit verbundenen technischen Anforderungen wurde jahrelang gerungen. Alle anderen Anlagen müssen beim Netzbetreiber angemeldet und dafür ein nach bestimmten Regeln erstelltes Inbetriebnahmeprotokoll vorweisen.

Netzstruktur und Bevölkerungsdichte in Deutschland und Irland sind sehr verschieden, weshalb die irische Großzügigkeit nicht 1:1 auf Deutschland übertragbar ist. Doch das Beispiel Irland zeigt, wie groß der Spielraum für kleine Selbstversorger sein kann. Dass die Balkonmodule trotz der schwierigen Anlaufphase in Deutschland ihren Weg in den Markt gefunden haben, beweist einmal mehr, wie stark und weit verbreitet das Engagement für die Energiewende in der Bevölkerung ist. Petra Franke

Nachtrag: In der ursprünglichen Fassung des Artikels war fälschlicherweise von einer Bagatellgrenze bis zu 3 Kilowatt Anlagenleistung die Rede. Die Regularien des irischen Netzbetreibers ESB Networks stellen jedoch nicht auf die Anlagenleistung ab, sondern auf die Anschlussleistung, die bei einphasigen Umgebungen 6 kVA und bei dreiphasigen Umgebungen 11 kVA betragen darf.

Quelle

Der Bericht wurde von der Redaktion “energiezukunft“ (Petra Franke) 2022 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung weiterverbreitet werden! | energiezukunft | Heft 31/2021 | „Dezentral Erneuerbar – ein Update“ |  Jetzt lesen | Download

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