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Lasst uns die Energiewende feiern!

Der Film „Welcome to the Energiewende“ lässt auf amüsante und nachdenkliche Weise das bisher Erreichte hochleben Craig Morris, vielen auch als Autor und Energieaktivist bekannt, ist mit seinen Kindern durchs Land der Energiewende getourt. Zusammen haben sie zwei coole Musikclips zur Energiewende produziert, Energierpioniere, Solar- und Windkraftwerke, wegweisende Passivhausprojekte, 100-Prozent-Kommunen und die Netzrebellen in Schönau besucht – und die Protagonisten vor Ort zum Interview gebeten. Am Ende war sogar noch Zeit für einen Abschiedsbesuch bei einem Atomkraftwerk. Aus der Reise durchs Land der Energiewende ist ein zweisprachiger Film (Deutsch/Englisch) geworden, der locker, leicht und sehr motivierend daher kommt. Das Interview von Matthias Brake | Telepolis

Telepolis: Craig, was war Euer Anliegen als Ihr euch auf den Weg gemacht habt und wie ist Euer Eindruck vom Stand der Energiewende?

Craig Morris: Der Film ist keine trockene Analyse, sondern wir feiern die Energiewende. Bisher hat gefehlt, dass die Leute kurz innehalten und sagen: Mensch, was haben wir hier auf die Beine gestellt! Keiner hat das für möglich gehalten, alle Prognosen wurden Jahr für Jahr übertroffen. Die Skeptiker wurden widerlegt, und auch die Prognosen aus den eigenen Lagern wurden übertroffen. Es hat keinen einzigen Stromausfall gegeben, der mit der Umstellung auf Erneuerbare zusammenhinge. Und ja, die Strompreise sind noch hoch, aber das zahlen wir an uns zurück, weil fast die gesamte Energiewende bisher Energie in Bürgerhand ist – das alles gehört erstmal gefeiert, bevor wir den nächsten Schritt machen.

Telepolis: Wie haben die Gesprächspartner darauf reagiert, dass sie von Kindern interviewt wurden?

Craig Morris: Ich hab natürlich allen erzählt, dass wir einen Film machen wollen, der nicht so konfrontativ daherkommt und dass wir keine schwierigen Begriffe haben wollten. Der Film kommt beispielsweise komplett ohne das Wort „Megawatt“ aus. Die Fragen sollen für alle verständlich sein und die Antworten genauso. Wenn einer gesagt hat: Die Anlage hat zwei Megawatt, habe ich gefragt: Was willst Du damit sagen, ist das groß oder klein? Die Kinder waren wichtig in dem Film, um das Ganze aufzulockern, damit es eine spielerische Qualität bekommt. Und natürlich ist es auch so, dass die Kinder die Fragen stellen, weil es ihre Zukunft ist, die wir heute gestalten. Wenn die Energiewende 2050 geklappt hat oder nicht, sind wir, die das jetzt bestimmen, vielleicht gar nicht mehr am Leben – aber die Kinder müssen das ausbaden.

Telepolis:Unter Euren Reportern ist auch Nilay, ein Austauschschüler aus Indien. Denkst Du, dass er etwas mitgenommen in sein Land? Hat er erzählt, ob es in Indien auch einen Umstieg auf Erneuerbare gibt?

Craig Morris: Als er herkam, wusste ich nicht, ob er mitmacht, das Drehbuch war geschrieben und wir bekamen Bescheid, dass mein Sohn über ein Austauschprogramm nach Indien gehen konnte und wir einen Austauschschüler aus Indien bekommen. Das fiel direkt in die Zeit, in der ich drehen wollte. Es stellte sich heraus, dass sein Onkel in Indore, einer Millionenstadt in Madhya Prades, ein Solargeschäft betreibt, von daher war ihm die Materie nicht ganz unvertraut.

Was er mitgenommen hat, kann ich nicht sagen, aber er spricht im Film mit einem Studenten aus Pakistan (Filmfolge 14), der hier „Renewable Management“ (so heißt das jetzt auf Neudeutsch) studiert, weil Deutschland auf dem Gebiet führend ist. Und er sagte, er kann nicht einfach kopieren, was er hier lernt, sondern muss es für Indien übersetzen. Denn hier geht es um Klimawandel und den Umstieg auf 100 Prozent Erneuerbare, bei ihm zu Hause sind die Aufgaben, die mit Hilfe der Erneuerbaren anstehen, der Zugang zu Elektrizität und die Netzzuverlässigkeit.

Telepolis: Ihr habt für den Film Erneuerbare-Energie-Kommunen, Genossenschaften und Gemeinschaftsanlagen besucht. Ist Euch dieses Thema besonders wichtig?

Craig Morris: Wir haben den Schwerpunkt auf Energie in Bürgerhand gelegt, weil es das Thema ist, das in der Debatte untergeht. Der Film ist ja zweisprachig, er spricht ein internationales und ein deutsches Publikum an. In beiden Zielgruppen geht die Botschaft unter, dass die Energiewende seit Jahrzehnten eine demokratische Bewegung ist. Deshalb reden wir darüber, dass es eben auch eine Verlagerung in den Besitzverhältnissen ist. Im Ausland ist dieser Aspekt völlig unbekannt. Ich lese immer wieder darüber, was die Energieversorger wohl jetzt machen werden und wie viel Geld sie daran verdienen, und so weiter. Ich muss immer wieder erklären: Die haben damit gar nichts zu tun, sie machen in Deutschland gerade mal sieben Prozent der Investitionen in erneuerbare Energien aus.

Telepolis: Ihr habt ja auch die Stromrebellen in Schönau besucht, die ihr Stromnetz zurückgekauft haben. Das war ja fast schon prophetisch, wo doch Ursula Sladek für ihr Engagement gerade erst letzte Woche den Umweltpreis der DBU bekommen hat?

Craig Morris: Da waren wir nicht prophetisch, die Stromrebellen waren schon immer Vorbild, auch aktuell für den Hamburger Volksentscheid und den Energietisch in Berlin. Andererseits erleben wir gerade, wie der Begriff „Energiewende“ gekapert wird. Es geht nicht um möglichst billigen Strom von Konzernen, sondern um Energiedemokratie. Deswegen ist es auch wichtig, dass man den historischen Blickwinkel im Auge behält. Wir haben deshalb im Film auch zwei Kapitel über Whyl, wo die Kernkraft in den 70er Jahren blockiert wurde. Und es ist auch sehr wichtig, nochmal ins Bewusstsein zu rufen, dass das Wort Energiewende schon in den 70er Jahren geprägt wurde, als Teil der damaligen Bewegung. Ich sitze in einer Szene im Film mit einem Buch aus der Zeit da und weise darauf hin, dass der Begriff eben nichts mit 2011 und Angela Merkel zu tun hat.

Telepolis: Ein Punkt, der oft diskutiert wird: Wind und Solarparks würden die Landschaft verschandeln und laut sein, dem seid Ihr auch nachgegangen?

Craig Morris: Wir haben tatsächlich versucht, den Lärm von Windrädern aufzunehmen, das ist uns nur mäßig gelungen, weil immer wieder ein Auto vorbeifuhr oder die Blätter zu laut raschelten. In einem anderen Kapitel des Films geht es um die sogenannte „Verspargelung“ der Landschaft, da haben wir gleich mal direkt mit Aufnahmen von den riesigen Spargelfeldern selbst angefangen. Darüber hatten wir beide ja im April schon gesprochen.

Telepolis: Ihr habt auch einen Abschiedsbesuch in einem Atomkraftwerk gemacht. Gab es Probleme da rein zu kommen?

Craig Morris: Das war das letzte Kernkraftwerk, das damals in Deutschland gebaut wurde. Es gibt dort einen historischen Wanderweg, und das Wegerecht besteht auch nach dem Bau des Atomkraftwerks weiter. Man läuft da entlang und kommt an eine Sperrzone. An der Mauer mit Nato-Draht steht überall „Betreten verboten!“, aber dann steht an einer Tür ganz klein „Bitte klingeln“. Das haben wir gemacht. Wir mussten dann fast eine halbe Stunde warten; die machen es einem nicht leicht oder spaßig, da reinzugehen. Die beantworten auch keine Fragen, man läuft herum und wird dabei von einem Sicherheitsbeamten mit Pistole und Wachhund begleitet. Als wir wissen wollten, um welche Gebäude es sich handelt, hat er gesagt, er sei nicht befugt, Fragen zu beantworten. Wenn wir das wissen wollten, müssten wir ins Besucherzentrum gehen. Das haben wir auch versucht, aber das Besucherzentrum war geschlossen. Das Kraftwerk oder die Betreiberfirma haben anscheinend die Medienkampagne eingestellt. Die haben komplett aufgegeben, die Allgemeinheit überhaupt noch für die Kernkraft begeistern zu wollen. Das heißt, dass dieser Kampf vorbei ist.

Aber ich fürchte angesichts der momentanen Fixierung auf die „Strompreisbremse“, dass der Kampf für die Energie in Bürgerhand erst jetzt beginnt. Am Wochenende sagten Altmaier und Kraft, die Energiewende müsse „planbarer, berechenbarer, und bezahlbarer“ werden. Warum nicht demokratischer?

Der Link zum Film „Welcome to the Energiewende“

Quelle

Craig Moris 2013Erstveröffentlichung Telepolis | Matthias Brake 2013

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