Netzausbau schafft Platz für mehr Erneuerbare
Wenn die aktuellen Planungen zum Ausbau der Stromnetze umgesetzt werden, ließen sich die Abregelungen Erneuerbarer Energien wie auch generell die zur Netzstabilität notwendigen Eingriffe ins Stromsystem – und so auch die damit verbundenen Kosten – deutlich reduzieren.
Die zusätzlichen Transportkapazitäten in einem auf die Energiewende ausgelegten Stromleitungssystem würden sogar einen deutlich schnelleren Ausbau Erneuerbarer Energien zulassen, wie eine nun veröffentlichte Analyse der RWTH Aachen zeigt.
“Mit der Energiewende stellen wir nicht nur unsere Energierzeugung um, sondern es muss das gesamte System entsprechend der neuen Erfordernisse umgebaut werden. Dies gilt natürlich auch und insbesondere für die Stromnetze, welche als Transportadern der Elektrizitätsversorgung sowohl unseren alltäglichen Stromverbrauch gewährleisten, als auch wichtige Flexibilität im Energiesystem bereitstellen” erläutert Philipp Vohrer, Geschäftsführer der Agentur für Erneuerbare Energien. Bislang war die Netzinfrastruktur auf die konventionelle Stromerzeugung ausgerichtet. Doch der Umbau auf ein Energiewende-System hat schon begonnen: Mit der für 2025 angestrebten Inbetriebnahme der Hochspannungs-Gleichstroms-Übertragungsleitungen (HGÜ) SuedLink und SuedOstLink wird ein wichtiger Meilenstein erreicht. Welche Auswirkungen die Realisierung der Netzausbaupläne der Bundesregierung und insbesondere diese neuen Leitungen im System haben werden und wie sich die durch Engpässe im Stromsystem hervorgerufenen Abschaltungen zuvor entwickeln, hat aktuell eine Analyse der RWTH Aachen untersucht.
Eingriffe ins Stromsystem werden mit HGÜ-Leitungen deutlich reduziert
Wichtigste Erkenntnisse: Auch im Jahr 2024, also noch vor der Inbetriebnahme der großen HGÜ-Leitungen, ist die Menge an abgeregeltem bzw. zum Ausgleich erforderlichem Strom auch mit weiterem Erneuerbaren-Ausbau überschaubar. Die errechnete von den Netzbetreibern zur Systemstabilität gemanagte Strommenge von 16 Terawattstunden (TWh) liegt etwa auf dem aktuellen Niveau. Nach Inbetriebnahme der HGÜ-Leitungen im Jahr 2025 wären Eingriffe für die Stromnetzsicherheit kaum noch nötig, insgesamt würde nur noch eine jährliche Strommenge von 2,1 TWh abgeregelt bzw. zusätzlich abgefragt werden. “Auch wenn die Netzbetreiber in den kommenden Jahren weiter einige Herausforderungen für den stabilen Stromnetzbetrieb meistern müssen, scheint die für die Netzstabilität zu steuernde Strommenge entgegen früherer Prognosen auch vor Inbetriebnahme der großen HGÜ-Leitungen im Jahr 2025 im Rahmen zu bleiben. Panikmache, auch hinsichtlich der resultierenden Kosten, ist demnach nicht angesagt”, kommentiert Vohrer die Ergebnisse.
Auch verstärkter Erneuerbaren-Ausbau möglich
Neben dem Referenzszenario hat die RWTH Aachen auch Alternativmodelle mit einem verstärkten Zubau Erneuerbarer Energien für das Jahr 2025 untersucht. Dabei wurde sowohl ein Modell mit einem verstärkten dezentralen Ausbau Erneuerbarer Energien (+ 4 Gigawatt (GW) Onshore-Wind und + 13.3 GW Photovoltaik) vor allem in der Mitte und im Süden Deutschlands als auch eine Variante mit einer um 5 GW Offshore-Wind erhöhten Kapazität berechnet. Beide Modelle sorgen für eine um ungefähr 20 TWh höhere jährliche Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien, was etwas mehr als drei Prozent der gesamten Stromerzeugung wären. Der zusätzliche dezentrale Aufbau von Erneuerbaren-Kapazitäten hat dabei kaum Einfluss auf die Redispatchmenge, das Volumen steigt in dem Fall nur leicht auf 2,6 TWh pro Jahr. Würden hingegen allein die Offshore-Kapazitäten ausgebaut, so stiege die Redispatchmenge aufgrund der regionalen Konzentration der Parks deutlich auf 5,7 TWh pro Jahr. Netzengpässe wären in diesem Szenario vor allem im Nordwesten der Republik zu erwarten, von Abschaltungen wären überwiegend Nordsee-Windparks betroffen. Da die Engpässe sehr regional auftreten, könnte mit nur wenig zusätzlicher Netzverstärkung auch Abhilfe geschaffen werden: Gemäß RWTH-Berechnungen führt schon eine ergänzende HGÜ-Leitung von Cloppenburg Ost nach Uentrop, die bereits im ersten Entwurf des Netzentwicklungsplans 2030 enthalten ist, zu einer Reduzierung der Redispatchmenge auf 2,7 TWh pro Jahr.
“Der Netzausbau ist wichtig für den energiewendegerechten Umbau unseres Versorgungssystems, denn neue Leitungen schaffen Flexibilität für den weiteren Ausbau Erneuerbarer Energien. Parallel zum Umbau der Infrastruktur kann und muss aber ein weiterer dynamischer Zubau der Erneuerbaren stattfinden – das ist technisch machbar und klimapolitisch geboten. Für eine stabile, kostengünstige und klimaschonende Stromerzeugung braucht es dabei alle verfügbaren Technologien”, macht Vohrer abschließend deutlich.
Hintergrund
- Die Studie zum zukünftigen Volumen des Netzengpassmanagements wurde vom Institut für Elektrische Anlagesnysteme und Energiewirtschaft (IAEW) der RWTH Aachen im Auftrag von DONG Energy (ab November 2017: Ørsted) durchgeführt. Die Ergebnisfolien sind hier einsehbar.
- Erläuterungen zum Thema Redispatch insgesamt und eine genaue Betrachtung der Studie sind in folgendem AEE-Hintergrundpapier zu finden: RENEWS KOMPAKT “Netzausbau und Redispatch in Deutschland”.