Neue Studie „Ökostrom 2025“: Verbraucher beschleunigen die Energiewende
Die Energiewende in Deutschland steht vor einem Paradigmenwechsel. Bisher bestimmten fast ausschließlich EEG-Subventionen das Tempo des Ökostrom-Ausbaus. In den kommenden Jahren kann die steigende Nachfrage nach grünem Strom zu einem immer wichtigeren Treiber der Energiewende werden.
Dafür muss die Politik die Verzahnung zwischen der Produktion und dem Verkauf von Ökostrom verbessern. Das geht aus der heute veröffentlichten Studie „Ökostrom 2025“ hervor, die das Hamburg Institut im Auftrag des Ökostrom-Marktführers LichtBlick erstellt hat.
So steigt etwa der jährliche Grünstrom-Bedarf durch Elektromobilität und Stromheizungen in den nächsten zehn Jahren um mindestens 150 Milliarden Kilowattstunden. Zum Vergleich: 2018 wurden hierzulande rund 219 Milliarden Kilowattstunden erneuerbare Elektrizität erzeugt. Auch Unternehmen, öffentliche Hand und Haushalte fragen verstärkt saubere Energie nach.
Verbindung von Angebot und Nachfrage nach Ökostrom
Bisher sind Angebot und Nachfrage von Ökostrom weitgehend getrennt. Der Neubau von
Wind-, Solar- und Biomasse-Anlagen wird aus dem EEG subventioniert und darf derzeit nicht als Ökostrom an Endkunden vermarktet werden. Die Verbraucher-Nachfrage (sogenannter „freiwilliger Ökostrommarkt“) hat deshalb nahezu keinen Einfluss auf den Ausbau der erneuerbaren Energien.
Dazu erklärt Gero Lücking, Geschäftsführer Energiewirtschaft bei LichtBlick: „Die Zeit ist reif, um Nachfrage und Angebot miteinander zu verknüpfen. Grüne Energie wird immer billiger. Zugleich wächst der Bedarf rasant. Die Politik muss bürokratische Hürden abbauen, Anreize setzen und das EEG effizienter gestalten. Dann kann der Markt seine Potentiale entfalten, den Zubau beschleunigen und gleichzeitig den Förderbedarf spürbar senken.“
Reformen für mehr Markt
Wie die Studie „Ökostrom 2025“ belegt, steht vor allem die aktuelle Gesetzeslage einer Koppelung von Nachfrage und Angebot im Weg. Die Studie schlägt deshalb umfassende Reformen vor.
Verkauf von EEG-Strom aus Neuanlagen an Endkunden
„Der Kauf von Ökostrom sollte künftig zu einem zusätzlichen Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland führen“, heißt es in der Studie. Bisher ist das kaum der Fall. Dazu schlagen die Autoren unter anderem vor, dass Ökostrom aus neuen geförderten Windrädern und Solaranlagen direkt an Verbraucher verkauft werden darf. Bisher ist das untersagt. Diese Vermarktungsoption würde durch frei handelbare Herkunftsnachweise für EEG-Strom ermöglicht. Durch die Vermarktung der grünen Qualität des Stromes können Anlagenbetreiber zusätzlich Geld verdienen – und benötigen weniger EEG-Förderung.
Marktnahes EEG-Fördersystem
Bisher wird die Förderung für neue Öko-Kraftwerke über 20 Jahre pro Kilowattstunde gezahlt. Dieses System sollte auf eine Investitionsförderung für Neuanlagen umgestellt werden. Damit entsteht ein Anreiz, erneuerbare Energien während ihrer Laufzeit – in der sie dann keine weitere Förderung erhalten – möglichst wirtschaftlich zu steuern, also stärker als bisher an der Ökostrom-Nachfrage auszurichten. Zudem schlägt die Studie vor, die staatliche Fördersumme festzuschreiben, um die Kosten der Energiewende zu kontrollieren.
Direktverkauf von Strom aus Öko-Kraftwerken
Ein großes Potential sieht die Studie im Direktverkauf vorrangig an Unternehmen. Über 100 Firmen wie etwa Google, Facebook, Microsoft oder Ikea sichern sich bereits über Sonderverträge (sogenannte „Power Purchase Agreements“, PPAs) langfristig den Strom aus Wind- oder Solarparks. Dank der langfristig gesicherten Finanzierung können neue Anlagen ohne oder mit nur geringer Förderung errichtet werden. Auch für EEG-Anlagen, die ab 2020 keine Förderung mehr erhalten, ist dieses Modell attraktiv. Die Politik sollte deshalb die Rahmenbedingungen für PPAs verbessern.
CO2-Abgabe auf alle Energieträger
Die Umstellung von Verkehr und Wärme auf Ökostrom wird vor allem durch eine ungleiche Abgabenlast behindert. Während für eine saubere Kilowattstunde Ökostrom im Schnitt 18,7 Cent an Abgaben und Umlagen anfallen, sind es bei Erdgas nur 2,2 Cent und beim Öl nur 0,6 Cent. Diese Kostenverteilung schadet dem Klima und sollte durch eine CO2-Abgabe ersetzt werden, die die Abgabenlast eines Energieträgers von seiner Klimawirkung abhängig macht. So wird es attraktiver, Autos und Heizungen mit CO2-freiem Strom zu betreiben. Die Abgabenlast für die Verbraucher soll nicht erhöht werden.
Chaos bei der Ökostrom-Bilanz beenden
Wenn ein Elektroauto mit klimaschädlichem Kohlestrom fährt, darf der Autohersteller sich trotzdem null Emissionen in die Bilanz schreiben. Wenn dagegen ein Haushalt Ökostrom für seine Wärmepumpe bezieht, darf er das nicht auf seine Energiebilanz anrechnen. Das Chaos bei der Ökostrom-Bilanzierung muss beendet werden. Künftig muss gelten: Wer Ökostrom bezieht, der darf auch die Null-Emissionen für sich verbuchen (marktbezogene Bilanzierung). Durch klare Bilanzierungs-Regeln wird Ökostrom für Unternehmen, öffentliche Hand und Verkehr attraktiver, weil er ihre Klimabilanz verbessert.
Klimafreundlicher Staat
Derzeit nutzt die öffentliche Hand für Gebäude, Busse oder Schienenverkehr überwiegend dreckige Energien. Bund, Länder und Kommunen sollten als Vorreiter für Klimaschutz dazu verpflichtet werden, nur noch Ökostrom zu beziehen.