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pixabay.com | akitada31 | Wasserstoff H2

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NRL-Studienreihe zu Potentialen und Grenzen von grünem Wasserstoff

Erste Veröffentlichung richtet den Blick auf den Wärmesektor

Grüner Wasserstoff wird in einem zukunftsfähigen Energiesystem eine
wichtige Rolle spielen. Allerdings ist er derzeit noch eine knappe Ressource, weshalb die
Potentiale und Grenzen seines Einsatzes in verschiedenen Einsatzfeldern fundiert bewertet
werden müssen. Wo liegen die Anwendungsfälle, in denen grüner Wasserstoff alternativlos ist?
Wo ist er verzichtbar, weil es effizientere Wege der Dekarbonisierung gibt? Diesen Fragen
widmet sich eine mehrteilige Studienreihe des Energiewende-Verbundprojekts Norddeutsches
Reallabor.


Die Studienreihe trägt den Titel „Potentiale, Grenzen und Prioritäten. Grüner Wasserstoff für die
Energiewende” und gibt einen Überblick von der Wasserstofferzeugung bis hin zur Anwendung in den
verschiedenen Verbrauchssektoren. Durch techno-ökonomische Betrachtungen werden relevante
Technologien in Hinblick auf ihre Potentiale und Grenzen bewertet und daraus Prioritäten für den
zukünftigen Einsatz von grünem Wasserstoff abgeleitet. „Für einen energieeffizienten Markthochlauf
geht es nicht darum, möglichst viele theoretische Anwendungsfälle für grünen Wasserstoff zu finden,
sondern zu identifizieren, wo der Einsatz von grünem Wasserstoff alternativlos ist und wo demzufolge
prioritär neue Geschäftsmodelle bzw. Wertschöpfungsketten erforderlich sind. Hierzu soll unsere
Studienreihe beitragen“, erklärt Prof. Dr. Jens-Eric von Düsterlho, Leiter des Departments Wirtschaft an
der HAW Hamburg und Leiter der hinter den Veröffentlichungen stehenden Arbeitsgruppe des
Norddeutschen Reallabors (NRL).


Das NRL ist ein vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gefördertes
Verbundprojekt, in dem 50 Partner aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik neue Wege zur
Klimaneutralität aufzeigen wollen. Die aktuelle Studienreihe ist im NRL-Teilvorhaben „Neue Markt- &
Geschäftsmodelle, Regulatorik“ des Norddeutschen Reallabors angesiedelt, das die
Erprobungsvorhaben der Industriepartner des NRL aus einer ökonomischen Perspektive
wissenschaftlich begleitet. Beteiligte Partner sind das Competence Center für Erneuerbare Energien
und EnergieEffizienz (CC4E) der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg und die
Hochschule Flensburg. Forschungsgrundlage waren Literaturrecherchen, Interviews mit Expert*innen
aus dem NRL-Projekt sowie eigene Modelle und Berechnungen zu Kosten und CO2-Einsparungen.
Wasserstoff im Gebäudesektor: Wärmepumpe deutlich effizienter.


Den Auftakt der Reihe macht – neben einer für sich stehenden Hinführung zum Thema grüner
Wasserstoff – zunächst eine Veröffentlichung zum Gebäudesektor, auf den 41 Prozent der deutschen
CO2-Äq-Emissionen entfallen. Der zentrale Einsatz von Wasserstoff in der Fernwärmeerzeugung kann
in Kraftwerkskonzepten sinnvoll sein – zur Abdeckung von Spitzenlasten oder durch Kraft-Wärme-
Kopplung. In der Studie steht insbesondere die dezentrale Wärmeerzeugung durch Wasserstoff auf dem
Prüfstand. Durch die direkte Verbrennung von Brennstoffen in Gewerbe, Handel und Dienstleistungen
(GHD) und Haushalten entstehen 13 Prozent der deutschen CO₂-Äq-Emissionen. Der CO2-Ausstoß
dieser Form der Wärmebereitstellung muss sich bis 2030 um 43 Prozent reduzieren, um die
bundesweiten Klimaziele einzuhalten. Dies erfordert neben einer umfassenden
Gebäudesanierungsstrategie ein schnelles Überdenken der einsetzbaren Heiztechnologien.


Um verschiedene Heiztechnologien vor dem Hintergrund des prognostizierten Markthochlaufs von
Wasserstoff ökonomisch zu bewerten, wurden die tatsächlich anfallenden Kosten im Zeitverlauf
verglichen. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass auf Wasserstoff ausgerichtete Gas-
Brennwertthermen an dieser Stelle nicht sinnvoll sind: „Aus Effizienzgründen ist der Einsatz von
Wasserstoff für die dezentrale Wärmebereitstellung nicht zu priorisieren, da hier ein Vielfaches an grüner
elektrischer Energie für die Elektrolyse im Vergleich zu einem Szenario mit Wärmepumpen notwendig
wäre”, betont Felix Doucet, Autor der Studie und Wissenschaftlicher Mitarbeiter am CC4E. Der direkte
Vergleich zeige, dass der Einsatz von erneuerbarem Strom pro kWh zu erzeugender Wärme bei der
Verbrennung von grünem Wasserstoff in Brennwertthermen fünf- bis sechsmal höher ist als bei der
direkten Nutzung in einer Wärmepumpe.


Wenn alle Gebäudenutzer*innen der gezeigten Vorteilhaftigkeit von Wärmepumpen folgen würden und
es keine Restriktionen im Stromnetz gäbe, könnten große Teile der bestehenden Gasnetzinfrastruktur
in Wohngebieten obsolet werden, so die Studie weiter. Eine Ertüchtigung der Gasnetze für einen Wasserstofftransport in Wohngebiete wäre aus ökonomischer Sicht jedenfalls nicht zielführender als die
ohnehin notwendige Ertüchtigung des Stromnetzes.


Wenngleich die Verbrennung von Wasserstoff zur dezentralen Wärmeerzeugung im direkten
Kostenvergleich mit Wärmepumpen unvorteilhaft ist, könnte die Abwärme von Elektrolyseuren und
Brennstoffzellen, die zur Produktion von grünem Wasserstoff für andere Sektoren notwendig sind, zur
Effizienz-Steigerung in Wärmenetze eingespeist werden. Standorte von Elektrolyseuren sollten daher
idealerweise so gewählt werden, dass ein Wasserstoffnetz bzw. ein Wasserstoffspeicher vorhanden ist
und gleichzeitig ein Wärmenetzanschluss bzw. eine Nutzungsmöglichkeit für die Wärme gegeben sind,
empfehlen die Studienautor*innen.


Wärmenetze können die Vorteile von unterschiedlichen Wärmeerzeugern aufgreifen: So kann bei
hohem Angebot erneuerbarer Energien und damit bei günstigen Strompreisen eine Wärmepumpe
betrieben werden, bei hohen Strompreisen kann mit Kraft-Wärmekopplung Strom und Wärme aus einem
Brennstoff erzeugt werden, zum Beispiel grünem Wasserstoff oder daraus hergestelltem Methan.
Fortsetzung der Reihe mit Fokus auf weitere Sektoren
Bis zum Sommer sollen in lockerer Folge drei weitere Studien der Reihe veröffentlicht werden. Sie
widmen sich der Wasserstoffanwendung im Verkehrssektor, der Wasserstoffanwendung im
Industriesektor und der Wasserstoff-Erzeugung. Den Abschluss macht eine Publikation zu
Wasserstoffanwendungen im Sektorenvergleich.

Quelle

Norddeutsche Reallabor 2023

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