Stromspeicher unter Tage
Pumpspeicherkraftwerke zur Speicherung von Energie sind sicher, flexibel und haben einen hohen Wirkungsgrad. Doch sie benötigen viel Platz und sind bei Bürgern wenig beliebt. Die Nutzung alter Kohlebergwerke könnte dabei die Lösung sein. Wissenschaftler untersuchen nun die Machbarkeit und erarbeiten Konzepte. Von Clemens Weiß
Das Steinkohle-Zeitalter ist zu Ende, 2018 werden die letzten deutschen Zechen dicht gemacht. Experten beraten über eine sinnvolle Nachnutzung und sind womöglich fündig geworden. Denn für den Umbau unseres Energiesystems werden zunehmend leistungsfähige Speicher benötigt, um Schwankungen in der Stromproduktion und –nachfrage bedienen zu können. Die riesigen unterirdischen Schacht- und Stollenanlagen könnten so sinnvoll genutzt werden, denn dort gibt es genügend Platz für Pumpspeicherkraftwerke. Ob und wie das funktionieren kann untersuchen Forscher um Professor André Niemann vom Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft der Universität Duisburg-Essen in dem Projekt „Unterflur-Pumpspeicherkraftwerke – Regionale Speicher für regenerative Energien“.
Denn grundsätzlich gebe es kein K.o.-Kriterium für die Idee, so der Professor. Von der Technik her sei es machbar. Ob es sich wirtschaftlich rechnet, ist derzeit bei den niedrigen Börsenstrompreisen eine andere Frage. Die nordrhein-westfälische Landesregierung setzt jedoch auf Pumpspeicherkraftwerke und treibt die Pläne für neue Anlagen voran, u.a. mit 50 Millionen Euro als Absicherung für in der Planungsphase befindliche Projekte.
Dass die Überlegungen für Pumpspeicherkraftwerke unter Tage aus NRW kommen, ist also keine Überraschung. Die Idee besticht aus einem einfachen Grund: Die Akzeptanz in der Bevölkerung für den Bau neuer Pumpspeicherkraftwerke, die viel Platz benötigen, ist kaum vorhanden. Im vergangenen Sommer gab der Stadtwerkeverbund Trianel ein 700 Millionen Euro teures Projekt in der Eifel aufgrund von Bürgerprotesten auf. Unterirdische Kraftwerke finden dagegen deutlich größere Akzeptanz, außerdem gibt es kaum Konflikte mit dem Naturschutz.
Wirkungsgrad von 80 Prozent
Pumpspeicherkraftwerke sind nahezu ideale Stromspeicher. Denn sie sind sicher, einfach in der Handhabung, flexibel und haben einen Wirkungsgrad von 75 bis 80 Prozent. Das Prinzip ist einfach. Es gibt ein oberes und ein unteres Speicherbecken, die mit Wasser gefüllt sind. Je größer der Höhenunterschied zwischen den Becken, desto besser. Wird mehr Strom produziert, als die Verbraucher benötigen, wird Wasser durch große Rohre vom unteren Becken in das höhere gepumpt. Benötigt man später zusätzliche Energie, wird das Wasser durch die Rohre zurück in den unteren See gelassen und treibt mehrere Turbinen und Generatoren an, die über Stunden Strom erzeugen. So können große Energiemengen gespeichert werden, bei Bedarf steht die Energie innerhalb weniger Minuten bereit.
Die Forschungsgruppe um die Wissenschaftler der Universität Duisburg-Essen hält vor allem die derzeit noch im Betrieb befindliche Bottroper Zeche Prosper-Haniel für geeignet. Dort könnte ein Pumpspeicherkraftwerk mit einer Leistung von 250 Megawatt entstehen. Dazu müsste ein Teil der Zeche für das Unterbecken mit Beton ausgegossen werden. Auf dem Zechengelände dürfte genügend Platz sein, um das Oberbecken anzulegen, so die Forscher. Der Landschaftsverbrauch an der Oberfläche würde also gegenüber einem herkömmlichen Pumpspeicherkraftwerk halbiert. Theoretisch ist es auch möglich, beide Becken unter Tage zu legen und den Flächenverbrauch fast vollständig zu reduzieren. Die Kosten dürften sich dadurch allerdings vervielfachen und den Bau erheblich erschweren.
Tunnel als Speicherbecken
Die Wissenschaftler haben bereits eine Idee, wie ein Pumpspeicherkraftwerk in 600 Metern Tiefe aussehen könnte. Für das untere Speicherbecken sollen anstatt der ausgebeuteten Kohleflöze die gut ausgebauten und befestigten Transportschächte genutzt werden, die mit Beton stabilisiert würden. Zusätzlich könnten neue Speicher gebaut werden, allerdings in Form von Tunneln. Die Erfahrungen im Tunnelbau sind vorhanden, ob für Autos, U-Bahnen oder in Kohlezechen. Allein das Transportstreckennetz im Bergwerk Prosper-Haniel ist über 120 km lang.
Eine weitere Herausforderung sind die Wassermassen, die das Kraftwerk benötigt. Denn das Wasser, das unter Tage aus den Gesteinsschichten sickert und aufwendig abgepumpt werden muss, ist kaum geeignet für ein Pumpspeicherkraftwerk. Es enthält größere Mengen Gesteinsstaub und Salze, die die Maschinen und Turbinen des Pumpspeicherkraftwerks angreifen würden. Das Wasser müsste also von der Oberfläche kommen, etwa aus Schiffskanälen. Die vorhandene Brauchwasserversorgung der Zeche könnte hierfür genutzt werden. Damit sich das saubere und das Sickerwasser nicht vermengen, ist ein geschlossenes System notwendig. So muss auch nur die Wassermenge später ersetzt werden, die oberirdisch verdunstet oder durch Lecks verloren geht.
Gute Bedingungen im Harz
Es gibt aber noch weitere technische Fragen, die gelöst werden müssen. So kann die in großer Tiefe durch Turbinen und Generatoren gewonnene Energie kaum durch normale Stromkabel an die Oberfläche gelangen. Wenn die Kabel senkrecht in den Schacht führen, würden sie unter ihrem Eigengewicht reißen, so die Wissenschaftler. Ein gasisolierter Rohrleiter könnte dagegen den Strom problemlos an die Oberfläche befördern. Dabei besteht ein solches System aus zwei ineinander liegenden, konzentrischen Rohren. Durch ein Gasgemisch aus Schwefelhexafluorid und Stickstoff werden sie elektrisch voneinander isoliert. Durch das innere Rohr können so Ströme bis 4.500 Ampere mit einer Hochspannung bis zu 500.000 Volt fließen.
Für die Pumpspeicherkraftwerke kommen allerdings nicht nur ehemalige Kohle-Zechen im Ruhrgebiet in Frage. Auch das Erzbaugebiet im Harz wurde von Experten des Energie-Forschungszentrums Niedersachsen als tauglich bewertet. Dort haben die unterirdischen Anlagen auch einen großen Vorteil. Denn anders als die Kohleflöze im Ruhrgebiet, die ohne zusätzliche Abstützung einfallen, bleiben die Anlagen im Harz aufgrund des festen Gesteins Jahrhunderte lang erhalten.
Bis Ende 2014 wollen die Wissenschaftler grobe Planungen und Konzepte erarbeiten. Denn bereits 2018 schließen die letzten Steinkohlezechen in Deutschland und die Nachfrage nach leistungsfähigen Stromspeichern wird weiter steigen.
Weitere Informationen und Partner des Projektes Unterflug-Pumpspeicherwerke finden Sie auf der Internetseite
Quelle
energiezukunft | Clemens Weiß 2014