Vom Hoffnungsträger zum Sündenbock (2)
Teil 2: Die Attacke der Wirtschaftslobby INSM, Fukushima und die Energiewende der Bundesregierung. Im März 2011 kam es in Fukushima zur Kernschmelze. Zigtausende Menschen demonstrierten in Deutschland gegen die Laufzeitverlängerungspolitik der Regierung. Plötzlich geschah erstaunliches in den Zeitungen. das ununterbrochene Dauermantra „ökostromförderung und Wildwuchs von PV-Anlagen lässt Strompreise explodieren“ verstummte im März augenblicklich. Keine Zeile mehr zu explodierenden Strompreisen. Es herrschte regelrechte PV-Bashing Friedhofsruhe. Wurden denn weniger solaranlagen zugebaut? Nein, im Gegenteil! Die Branche erfuhr einen deutlichen Nachfrageschub. War die vergütungshöhe niedriger als vorher? Nein, im Gegenteil! der Umweltminister setzte die von der solarwirtschaft selbst vorgeschlagene Kürzungsanpassung im Juli 2011 sogar aus. Von Tina Ternus
Offshore-Haftungsregelung und Industrieausnahmen
Nach mehreren Energiegipfeln mit der atomar-fossilen Energiewirtschaft verkündete die gleiche Regierung, die wenige Monate zuvor gegen den Willen der Bürger eine Laufzeitverlängerung durchgesetzt hatte, plötzlich mantra artig die Energiewende, als hätte sie diese persönlich erfunden. Die Richtung war klar: Offshore und Stromtrassen. Gleichzeitig wurde die EEG-Novelle mit Kürzungen für alle dezentralen Energieträger sowie eine massive Ausweitung der Industrieprivilegien zur EEG-Umlage beschlossen. Auch beschloss das Bundeskabinett zu Lasten der Endverbraucher und zugunsten der Energiekonzerne, bzw. Betreiber von Offshore-Windkraftanlagen die Offshore-Haftungsregelung. Gab es seitdem pausenlos aufgeregte Schlagzeilen zu den zu erwartenden höheren Strompreisen durch Offshore und ausgeweitete Industrieausnahmen? Nein!
EEG-Umlage im Fukushimajahr
Die EEG-Umlage ist ein rein rechnerischer Wert. Er beruht auf Prognosen und Zubauzahlen für Ausgaben und Einnahmen für das Folgejahr, sowie hochgerechneter Werte anhand des EEG-Kontostands im September des laufenden Jahres. Die EEG-Umlage wird von den ÜNB jährlich für das folgende Kalenderjahr bekannt gegeben. Gab es in Anbetracht des starken Nachfrageschubs 2011 und der zugleich im Juli ausgesetzten Förderungskürzung eine starke Steigerung der EEG-Umlage 2012? Erstaunlicherweise Nein, sie stagnierte! Bekanntlich kann man sich bei Prognosen irren. Bei der Veröffentlichung der EEG-Umlage 2012, nur wenige Monate nach den Explosionen in Fukushima, gab es so gut wie keine aufgeregten Schlagzeilen zur EEG-Umlage bzw. gegen EEG oder Photovoltaik. Passend zum begonnenen medialen Mainstream „Wir sind Energiewende“ analog dem bekannten „Wir sind Papst“. Die Ruhe währte jedoch nicht lange.
Der Solarausstieg 2012
Obwohl Anfang 2012 bereits eine starke Kürzung von 15% stattfand, um eine Marktüberhitzung zu vermeiden, wurde das Messer nur vier Wochen später erneut angesetzt: Röttgen und Rösler stellten ihre Ausstiegspläne vor. Die Stimmungsartikel gegen EEG und PV kehrten ab November 2011 wie auf Knopfdruck zurück. Aggressiver als je zuvor. Und wieder gab es nicht einen Artikel über die Ausgleichsmechanismusverordnung (AusglMechV, siehe Teil 1), die eigentliche Hauptursache der EEG-Umlagen- und somit Strompreissteigerung. Die Solarausstiegsbeschlüsse zogen sich über Monate hin, die Branche wurde auf Eis gelegt. Im Sommer 2012 erfolgten rückwirkend zum 01. April Kürzungen von z.T. über 25%, nach ohnehin gerade erfolgten 15%. Das hatte eine Unterförderung der Solarstromanlagen zur Folge. Insbesondere den Projekten der Bürgerenergiegenossenschaften auf kommunalen Dächern wurde die Existenzgrundlage genommen.
Solarparks und die FDP
In der Geschichte des EEG gab es in der Tat durch Auseinanderentwickeln von Vergütungshöhe und Modulpreisentwicklung ab Sommer 2009 für mehrere Monate eine Marktüberhitzung. Diese war maßgeblich im großen Leistungssegment zu beobachten. Es war zu diesem Zeitpunkt geboten, im Sinne einer breiten Akzeptanz des EEG zu handeln. Röttgen kürzte und bekam Anfang 2010 einen unerwarteten Gegner in der eigenen Koalition. Die FDP entdeckte überraschenderweise ihr Herz für große Freiflächenanlagen 1) und machte sich für dieses Leistungssegment stark.
Die sehr großen Solarparks, die am wenigsten Akzeptanz in der Bevölkerung haben, überproportional Finanzjongleure und Glücksritter anzogen und zugleich am wenigsten dem Charakter der dezentralen Bürgerenergiewende kleiner Leute entsprechen, erhielten im Solarausstieg 2012 durch schwarz-gelb eine Sonderfrist. Dadurch wurde speziell für das Marktsegment der Investmentfonds und Vermögenden eine attraktive Rendite ermöglicht. Dies löste einen vorher nie stattgefundenen Solarpark-Boom aus. Gleichzeitig wurde beim kleinen und mittleren Marktsegment der Familien, Landwirte, Kommunen, Genossenschaften und mittelständischen Betriebe Stornos und massiver Auftragseinbruch erzeugt. Die Insolvenzwelle und das Massensterben in der PV-Branche begann, während für Vermögende und wenige Projektierer Klientelpolitik betrieben wurde, die nur einen geringen Prozentsatz aller Anlagenbetreiber ausmachten, aber durch Megawatt die Zubauzahlen und Auszahlungssummen hochtrieben.
EEG-Umlage 2013
2013 stieg die EEG-Umlage kräftig. Kein Wunder, es gab einen starken Nachholeffekt für das falsch prognostizierte Fukushimajahr 2011. Außerdem wirkte das EEG-Paradoxon, angeschoben durch den Nachfrageschub 2011 und Megawattpark-Boom 2012. Die Börsenpreise fielen deutlich. Gleichzeitig wirkte sich die Ausweitung der Industrie-Privilegien aus.
Kurz vor Veröffentlichung der EEG-Umlage 2013 begann eine aggressive, flächendeckende Anzeigen- und Plakatkampagne: „EEG stoppen, sonst scheitert die Energiewende“. Begleitet durch passende Artikel in FAZ, Spiegel, Focus, Welt usw. Die AusglMechV, durch die die EEG-Umlage unvergleichlich stärker angestiegen ist als die eigentlichen EEG-Kosten an die Anlagenbetreiber, blieb wie immer völlig unerwähnt! Stattdessen wurde die Abschaffung des EEG gefordert und die Einführung eines Quotenmodells. An Bahnhöfen wurde man schier erschlagen von überlebensgroßen Plakaten mit stimmungsmachenden Karikaturen und Slogans gegen das EEG und einem Appell an die Bundeskanzlerin. In ganzseitigen Anzeigen sämtlicher Tageszeitungen war zu bewundern: „Hilfe, die Energiewende wird unbezahlbar“, „Schluss mit dem Strompreis-Horror“, „Subventionen lassen die Strompreise explodieren“ oder „Hohe Strompreise kosten Wählerherzen“. 2)
Quelle
TINA TERNUS 2014Redaktion SONNENENERGIE 2014