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© Depositphotos | olivermayer | Dem staatlichen französischen Energiekonzern EDF wachsen die Probleme mit seiner alternden AKW-Flotte über den Kopf.

Wer hohe Strompreise in Deutschland verstehen will, muss eher nach Frankreich schauen als nach Russland

Die strukturelle Krise der französischen Atomkraft ist ein entscheidender Preistreiber auf dem deutschen Strommarkt. Hierzulande wird das kaum wahrgenommen.

Europa erlebt eine Energiepreiskrise historischen Ausmaßes. Auch in Deutschland eilen Großhandelspreise für Strom und Gas von Höchststand zu Höchststand.

Im Vergleich zum Vorjahr liegen die Steigerungen derzeit je nach Produkt bei Faktoren von vier bis sechs und darüber. Und obwohl diese Preise noch nicht mit voller Wucht auf die Verbraucher durchschlagen, sind Millionen Menschen und zehntausende Unternehmen unmittelbar und hart betroffen, bis hin zu existenziellen Fragen.

Kein Wunder, dass über die Ursachen dieser Krise sehr laut und vielstimmig diskutiert wird, ebenso über mögliche Auswege.

Umso erstaunlicher ist dabei, dass ein Elefant im Raum es schafft, in der öffentlichen Diskussion weitgehend unbemerkt zu bleiben.

Auch wenn der russische Krieg gegen die Ukraine und die in der Folge gedrosselten Gaslieferungen entscheidend auf die Gas- und Wärmepreise wirken – die Strompreise werden von anderen Faktoren dominiert.

Das zeigt ein Blick auf die Mechanismen des Strommarktes. Gaskraftwerke machten bisher etwa 15 Prozent der deutschen Stromerzeugung aus. Aufgrund ihrer Flexibilität werden sie vor allem eingesetzt, um die Zeiten mit hohem Stromverbrauch, die Lastspitzen, abzudecken.

In diesen Zeiten setzen sie aufgrund des Merit-Order-Effekts den Preis am Markt. Hohe Gaspreise wirken also auf die Strompreise vor allem zu diesen Spitzenlastzeiten.

Der Gaspreis erklärt nicht, warum auch die Preise für die durchlaufende Stromlast, die sogenannten „Base“-Preise, im selben Maße gestiegen sind. Hier setzen Grundlastkraftwerke den Preis. Das sind Atomkraftwerke, aber auch Braunkohle- und Wasserkraftanlagen.

Und hier steht dann auch der Elefant: die strukturelle Krise der Atomkraft in Frankreich.

Frankreich: Vom Selbstversorger zum Importeur

Seit Jahren hat Frankreich Probleme mit seinen 58 Atomkraftwerken. Von der installierten Erzeugungskapazität von 63.000 Megawatt sind zurzeit nur 27.000 Megawatt oder 44 Prozent verfügbar.

Erzeugten die französischen AKW in den Jahren vor 2015 stets eine Strommenge von mehr als 400 Milliarden Kilowattstunden, ist diese Zahl 2020/21 auf etwa 350 Milliarden gesunken. Für das laufende Jahr rechnet der Betreiber EDF nur noch mit rund 300 Milliarden Kilowattstunden. Diese Angabe stammt allerdings aus einer Zeit noch vor den aktuellen Hitzewellen und notwendigen weiteren Drosselungen aufgrund von Kühlwassermangel.

Die Probleme mit Frankreichs Atommeilern sind strukturell und langwierig. Denn neben den üblichen Wartungsarbeiten im Sommer sind bereits zwölf Atomkraftwerke und damit mehr als jedes fünfte seit Längerem aufgrund von Korrosionsproblemen außer Betrieb, also aus Sicherheitsgründen. Ob und bis wann die Kraftwerke überhaupt ertüchtigt werden können, ist unklar.

Quelle

Der Bericht wurde von der Redaktion „klimareporter.de“ (Tim Meyer) 2022 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung (post@klimareporter.de) weiterverbreitet werden!  | Tim Meyer hat Elektro­technik studiert und am Fraunhofer-Institut für Solare Energie­systeme (ISE) promoviert. Nach Tätigkeiten in der Fraunhofer-Gesellschaft, der Industrie und als Gründer im Solar­strom­markt war er zuletzt Vorstand bei der Natur­strom AG. Heute ist er als Berater und Interims­manager für Energie­unter­nehmen tätig.

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