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Wie viel Energie steckt im „Kraftwerk Erde“ wirklich?

Warum Solarenergie das meiste Energiepotenzial hat. Die Erde versorgt uns kostenlos mit Erneuerbaren Energien wie Wind, Wasser und Sonnenlicht und das auch noch unbegrenzt. Tatsächlich? Stoßen die Erneuerbaren nicht auch an Grenzen? Doch. Gemeint sind nicht technische Grenzen. Es geht um die natürlichen Energieumsätze der Erde. Sie erzeugt aus Sonnenlicht die Energieformen, die in Wind, Wasser und Wellen stecken und die wir als erneuerbare Energiequellen nutzen können. Dabei folgt sie den gleichen Regeln wie ein Kraftwerk, leider können wir auch im Falle des Kraftwerks Erde die meiste Energie nicht nutzen. Von Axel Kleidon

Die Erde funktioniert wie ein Kraftwerk

Betrachten wir die Erde also als Kraftwerk, um zu verstehen, warum nur ein Teil der Energie nutzbar ist. Ein Kraftwerk erzeugt nutzbare Energie aus einem Brennstoff wie Kohle oder Gas. Die erste Regel besagt, dass Energie erhalten bleibt. Bei der Verbrennung wandelt sich die Energie, die in der Kohle steckt, zum einen in Abwärme um, also in nicht nutzbare Energie, die durch den Schornstein verschwindet. Zum anderen in die erzeugte, nutzbare Energie. Die zweite Regel beschreibt, dass man Abwärme nicht vermeiden kann. Das hat zur Folge, dass nur ein Teil der Energie, die aus dem Brennstoff fließt, in nutzbare Energie umgewandelt werden kann. Anders ausgedrückt: Der Wirkungsgrad ist weniger als 100 Prozent. Typischerweise liegt der beste Wirkungsgrad in einem Kohlekraftwerk bei um die 60 Prozent. Mehr geht nicht, und zwar nicht wegen der technischen Möglichkeiten, sondern weil wir an grundlegende physikalische Grenzen stoßen. Die gleichen Regeln gelten auch für die Energieumwandlungen der Erde: Energie bleibt erhalten und es gibt unvermeidbare Verluste. Die Wirkungsgrade bei der Erde sind anders als bei einem Kraftwerk sehr viel geringer. Warum?

Aus Sonnenenergie entstehen Wind, Wellen und Meeresströmungen

So wie ein Kraftwerk aus Brennstoff nutzbare Energie gewinnt, erzeugt das „Kraftwerk Erde“ aus Sonnenlicht die Energie, die in Wind, Wellen und Meeresströmungen steckt. Das einfallende Sonnenlicht erwärmt die verschiedenen Regionen der Erde unterschiedlich stark. Diese Temperaturunterschiede sind dafür verantwortlich, dass in der Atmosphäre Luftbewegungen entstehen, die versuchen, diese Unterschiede auszugleichen. Dabei entsteht Bewegungsenergie, die sich in Form von Wind zeigt. Der Wirkungsgrad bei der Umwandlung von Sonnenlicht in Windenergie ist dabei gering: Aus den gewaltigen 175.000 Billionen Watt Sonnenlicht, die auf die Erde einstrahlen, erzeugen nur etwa 1.000 Billionen Watt die Winde der Atmosphäre. Das ist immer noch sehr viel, entspricht aber einem Wirkungsgrad von weniger als einem Prozent. Der Wirkungsgrad ist so niedrig, da die Temperaturunterschiede auf der Erde viel geringer sind, als die, die bei der Verbrennung im Kraftwerk entstehen. Wiederum die Hälfte der Windenergie geht in der Atmosphäre in Form von Wärme verloren, die andere Hälfte erreicht die Erdoberfläche. Dort schafft der Wind über dem Ozean die Wellen und erzeugt, mit weiteren Verlusten, Wellenenergie. Jetzt sind es nur noch 0,04 Prozent vom Sonnenlicht, die die Wellen des Ozeans erzeugen. Die Wellen schaffen die Strömungen der Weltmeere. Wieder kommt es zu Verlusten bei der Umwandlung. Lediglich eine Billion Watt sind es letztendlich, die die Strömungen der Weltmeere aufrechterhalten.

Um diese gigantischen Zahlen in Proportion zu setzen: Die gesamte Menschheit verbrauchte 2012 im Mittel etwa 17 Billionen Watt an Energie. Das heißt, wir verbrauchen 17 Mal mehr, als die Energie, die die Weltmeere in Bewegung hält. Das liegt daran, dass sich Sonnenlicht mehrfach mit Energieverlust umwandelt. Es geht so viel Abwärme verloren, dass das Energievolumen dem riesigen Energiebedarf der Menschheit nicht standhalten kann. Im Gegensatz zu Wellenkraft haben daher Solar- und Windenergie ein sehr großes Potenzial, nachhaltig erneuerbare Energien zu liefern. Denn die Solarenergie speist sich direkt aus der gigantischen Quelle – der Sonne – während bei der Windenergie das Sonnenlicht nur einmal umgewandelt wurde.

Ein Bruchteil der Windenergie ist wirklich nutzbar

Aber selbst bei der Windenergie ist das Potenzial nicht so gewaltig, wie es zunächst aussieht. Von den 1.000 Billionen Watt, die die Winde antreiben, gelangt nur etwa ein Achtel an die Landoberfläche, wo Windturbinen sie einfangen können. Aber auch bei dieser Umwandlung gibt es Verluste. Jede Turbine entzieht dem Wind einen Teil seiner Energie. Das führt zu Windschatten, also ausgebremster Luft hinter der Turbine, die die Atmosphäre erst wieder auffüllen muss. Bei einer einzelnen Turbine spielt dieser Effekt keine Rolle. Aber je mehr Turbinen dem Wind Energie entziehen, desto stärker wächst die Bedeutung des Windschattens. Es gelten die Regeln eines Kraftwerks: Die Turbinen können nicht die gesamte Windenergie nutzen und die Energie im erzeugten Strom der Turbinen fehlt dem Wind. Die Physik zeigt uns, dass Windturbinen nur 38 Prozent der Energie, die die Atmosphäre an die Erdoberfläche bringt, nutzen können. Die 1.000 Billionen Watt, die die Atmosphäre erzeugt, schrumpfen zu 48 Billionen Watt, die Windturbinen auf Land maximal nutzen können. Das ist zwar immerhin noch das Dreifache des gegenwärtigen Energieverbrauchs. Das hieße aber auch, dass die gesamte Erde mit Windturbinen bepflastert wäre.

Auf die Fläche Deutschlands übertragen, erhielten wir ein Potenzial für die Windenergie von 225 Milliarden Watt. Im Jahr 2012 verbrauchten die Bundesbürger im Mittel aber 428 Milliarden Watt. Windkraft kann deshalb zwar einen guten Anteil für die Energieversorgung beitragen, den Bedarf aber nicht vollständig bewältigen.

Quelle

Erstveröffentlichung FORUM Nachhaltig Wirtschaften | Dr. Axel Kleidon 2014Der Physiker Dr. Axel Kleidon erforscht mit seiner Arbeitsgruppe am Max-Planck-Institut für Biogeochemie die Grundlagen von Energieumwandlungen im Erdsystem. Dieser physikalische Ansatz wird in der Forschung angewendet, um das Klima und die Kreisläufe von Wasser und Kohlenstoff im Erdsystem sowie deren Änderungen im Klimawandel besser verstehen zu können, aber auch, um die natürlichen Grenzen erneuerbarer Energien zu ermitteln.

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