WWEA Projektion: 100% Erneuerbare Energien in Deutschland
World Wind Wind Energy Association: Deutschland könnte heute schon längst Strom aus 100% heimischen Erneuerbaren Energien beziehen.
Zubau bei den Erneuerbaren Energien sank nach EEG-Änderungen massiv:
- Windenergie: von 14,4% Wachstum (2001-2017) auf 3,9% (2018-2024)
- Photovoltaik: von 64,2% Wachstum (2003-2012) auf 9,6% (2013-2024)
- Ohne Eingriffe ins EEG hätte Deutschland auch unter konservativen Annahmen schon 2024 Strom aus 100% heimischen Erneuerbaren Energien erreicht haben können, bei einem mittleren Szenario bereits im Jahr 2022
Das im Jahre 2000 in Kraft getretene Erneuerbare-Energien-Gesetz EEG hat einen beispiellosen Boom bei der Installation der Erneuerbaren Energien in Deutschland ausgelöst und dutzende anderer Länder zum Nachahmen animiert. Der Erfolg des EEG machte sich nicht nur in Installationen, sondern auch in erheblichen Kostendegressionen, Jobeffekten und erheblichen wirtschaftlichen Strukturverbesserungen gerade in oftmals ländlichen Regionen Deutschlands bemerkbar. Die größten Erfolge wurden bei Solar- und Windenergie erzielt, aber auch im Bereich Biogas gab es substanzielles Wachstum.
Leider führten nicht alle folgenden Regierungen diese Erfolgsgeschichte fort und nahmen immer weitere Einschränkungen vor, die die Wirkung des EEG begrenzten. Die schwarzgelbe Regierung änderte die Vergütung für Photovoltaik im Jahr 2012 derart, dass ab dem Jahr 2013 ein deutlicher Einbruch bei Neuinstallationen und Beschäftigungseffekten in der deutschen Solarindustrie (von ca. 150.000 auf ca. 50.000 Jobs) gab zu verzeichnen war. In der Folge wanderte nahezu die gesamte Solarindustrie nach Ostasien ab.
Im Jahr 2017 führten dann der Wechsel des seit 2000 gültigen degressiven Mindestpreismodells zu Ausschreibungen bei der Windenergie zu einem Zusammenbruch des Windkraft-Marktes ab dem folgenden Jahr, der auch ein Viertel der Arbeitsplätze in der deutschen Windindustrie kostete.
Wie hätte sich aber der Zubau entwickelt, wenn die verhängnisvollen Änderungen am EEG in den Jahren 2012 und 2016 nicht vorgenommen worden wären?
Entwicklung der Solarenergie
Bei der installierten Solarenergieleistung gab es in den Jahren 2003-2012 Steigerungsraten in Höhe von durchschnittlich 64,2%. In den Jahren 2013-2024 ging dieses Wachstum auf nur noch 9,6% zurück. Beim jährlichen Wachstum der eingespeisten Solarstrommenge sank das durchschnittliche Wachstum sogar von 64,3% auf 7,5%.
Hätte sich dieses Wachstum von 64% fortgesetzt, dann hätte Deutschland im Jahr 2025 statt des tatsächlich erreichten Ausbaustandes von knapp 100 GW eine imposante Kapazität von 20.798 Gigawatt. Selbst bei einem jährlichen Wachstum von nur 30% ab 2013 läge die PV-Kapazität nun bei 1000 Gigawatt. Bei einer Steigerungsrate seit 2013 von jährlich 20% wären immerhin ebenfalls eindrucksvolle 353 Gigawatt erreicht worden. In der Realität werden in Deutschland Ende des Jahres 2025 rund 112 Gigawatt installiert sein.

Entwicklung der Windenergie
Bei der Windenergie gab es von 2001 bis 2017 durchschnittliche Steigerungsraten von 14,4% bei der installierten Leistung und 16,7% bei der Stromerzeugung aus Windenergie. Von 2018 bis 2024, also unter seit Einführung der Ausschreibungen, sank das jährliche Wachstum auf 3,9% beim Zubau und bei der Stromproduktion.
Wäre die Windenergie in Deutschland auch ab 2018 weiter so gewachsen wie seit Inkrafttreten des EEG, dann würde Deutschland im Jahr 2025 über eine installierte Leistung von 164.611 MW verfügen, statt voraussichtlich rund 78.000 MW. Auch bei einem Wachstum von 10% läge die Kapazität Ende 2025 bei 120.448 MW.

Entwicklung der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien
Der Bruttostromverbrauch in Deutschland blieb in den letzten Jahren relativ konstant bzw. ging zuletzt sogar zurück, er wird im Jahr 2025 rund 520 TWh betragen. Nach verschiedenen Vorhersagen wird der Stromverbrauch allerdings in den kommenden Jahren aufgrund der Elektrifizierung insbesondere im Verkehr und beim Heizen wieder zunehmen.
Derzeit liegt der Anteil der Erneuerbaren Energien am Nettostromverbrauch bei etwa 60%, beim Bruttostromverbrauch etwas niedriger. Die Bundesregierung will bis zum Jahr 2035 100% des in Deutschland verbrauchten Stroms aus Erneuerbaren Energien decken.

Sowohl bei der Bioenergie wie auch bei Laufwasserkraft gab es in den letzten Jahren eine relativ konstante Stromerzeugung, was sich voraussichtlich auch in den kommenden Jahren so fortsetzen wird. Es wird also entscheidend auf das Wachstum bei Wind und Sonne ankommen, um eine Vollversorgung mit Erneuerbaren Energien zu erreichen.
Weitere Aspekte wie die Anpassung der Stromnetze oder die verstärkte Nutzung von Speichern sollen hier nicht analysiert werden. Ein beschleunigter Ausbau bei Wind und Sonne geht Hand in Hand mit einem Umbau der Stromnetze. Bei Batteriespeichern ist ohnehin ein starker Preisrückgang und ein exponentielles Wachstum zu beobachten, so dass davon auszugehen ist, dass solche Speicher für den Ausgleich zwischen Erzeugung und Nachfrage sorgen werden, zusammen mit anderen Flexibilitätsoptionen wie etwa beim Biogas.
Szenario 1: Ungebremster Ausbau – 100% EE vor 2018
Wenn der Ausbau sowohl bei der Windenergie als auch bei der Solarenergie ab dem Jahr 2013 bzw. 2018 unbegrenzt und mit dem vorigen Tempo weitergegangen wäre, dann hätte Deutschland schon vor dem Jahr 2020 seinen Strom vollständig aus heimischen Erneuerbaren Energien bezogen.

Szenario 2: Mittlerer Ausbau – 100% EE im Jahr 2022
Bei einem mittleren Szenario (weiterhin 14,4% Wachstum bei der Windenergie, 30% Wachstum bei der Solarenergie) hätte die erzeugte Strommenge aus Wind und Sonne bereits zwei Jahre früher, also im Jahr 2022, 579 TWh erreicht, was deutlich über dem Bruttostromverbrauch des Jahres 2022 in Höhe von 551 TWh gelegen hätte.

Szenario 3: Niedriger Ausbau – 100% EE im Jahr 2024
Ausgehend von einer eher konservativeren Annahme von nur 10% Wachstum bei der Windenergie ab dem Jahr 2018 und 20% Wachstum bei der Photovoltaik ab 2013, hätten die beiden Energieträger zusammen im Jahr 2024 rund 500 Terawattstunden Strom geliefert. Zusammen mit den 58 TWh Strom aus Bioenergie und Wasserkraft hätte dies den deutschen Bruttostromverbrauch des Jahres 2024, der bei 512 TWh lag, erstmals deutlich übertroffen.

Die in den Grafiken und Projektionen verwendeten Daten zu installierter Kapazität bzw. Stromerzeugung stammen u.a. vom Bundesverband WindEnergie, Fraunhofer ISE und dem Umweltbundesamt. Die Daten für 2025 wurden geschätzt, basierend auf der Entwicklung im Jahr 2024.
Zur Einordnung
Es stellt sich die Frage, ob die oben genannten Szenarien realistische Entwicklungspfade gewesen wären. Dabei sei zunächst darauf hingewiesen, dass es in Deutschland ja bereits sehr starkes Wachstum gab und die Industrie entsprechende Kapazitäten und Arbeitsplätze geschaffen hatte, die dann wieder abgebaut wurden. Eine aufschlussreiche Zahl ist auch die Anzahl der neu installierten Windkraftanlagen: Hier erreichte Deutschland das Maximum beim Zubau schon kurz nach Inkrafttreten des EEG im Jahr 2002 mit 2328 neuen Anlagen. 2023 wurden dann nur noch 745 Anlagen neu errichtet. Ein Zubau von 2000 Anlagen mit heute üblichen 6 MW Leistung hätten einen Leistungszubau von 12.000 Megawatt zur Folge. Dies überträfe das heutige Ausbauziel der Bundesregierung von jährlich 10 Gigawatt – das aber gegenwärtig noch in weiter Ferne scheint.
Lohnend ist auch ein Blick nach China. Dort waren zum Ende des Jahres 2003 567 MW an Windkraft in Betrieb. Im Jahr 2004 begann die industrielle Entwicklung im großen Rahmen, maßgeblich unterstützt durch die 3. Welt-Windenergie-Konferenz WWEC2004, die im November 2004 in Peking stattfand, die erste große internationale Veranstaltung in China. Wenige Monate später beschloss die chinesische Regierung das erste Erneuerbare Energien-Gesetz, das sich am damaligen deutschen EEG orientierte.

Deutschland blieb noch einige Jahre deutlich vor China, bis China im Jahr 2009 mit Deutschland bei der installierten Leistung mit jeweils 25,8 GW gleichzog und dann überholte. In den Folgejahren baute China kontinuierlich die weltweit leistungsstärkste Windindustrie der Welt auf, im vergangenen Jahr 2024 überschritt die installierte Leistung 500.000 MW. Das durchschnittliche Wachstum der installierten Windkraftleistung betrug zwischen 2004 und 2024 stolze 43,2%, und auch in den Jahren seit 2017, als der Zubau in Deutschland massiv einbrach, lag die jährliche Steigerungsrate noch bei 16,5%. Ähnlich verlief der Ausbau der Photovoltaik in China, der etwas später einsetzte, dafür aber noch schneller zunahm.
Erfolgsrezepte
Ein klares politisches Bekenntnis zur Zukunft der Erneuerbaren Energien ist ohne Zweifel die wichtigste Basis für den Erfolg von Wind- und Sonnenergie. Daraus müssen dann die politischen Rahmenbedingungen resultieren, die die konkrete Grundlage für unternehmerische Investitionsentscheidungen sind – und zwar im Bereich der Anlagenfertigung wie auch bei Installation und Betrieb. Für beide industrielle Sektoren ist die langfristige Planbarkeit und damit Investitionssicherheit fundamental, Strukturbrüche sind dagegen schädlich für den Aufbau von Erzeugungsanlagen, aber auch für die Schaffung bzw. Beibehaltung industrieller Führerschaft und von entsprechenden Produktions-Kapazitäten.
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