Atomwaffen sind Terrorwaffen
Weltweit geben wir zurzeit jedes Jahr mehr als 2.000 Milliarden Euro für Rüstung aus und lassen zur selben Zeit Millionen Menschen verhungern.
In einem Fernseh-Interview hat mir der Friedenspolitiker Michail Gorbatschow einmal die Frage gestellt: „Wie könnte die Welt heute aussehen, wenn wir nach 1945 die vielen Milliarden Dollar statt in Rüstung und Kriegsvorbereitung in die Überwindung der Armut und in Bildung gesteckt hätten?“
Fachleute haben heute die Antwort: Ein Zehntel der globalen Rüstungsgelder würde ausreichen, um den Hunger in der Welt zu überwinden, ein zweites Zehntel würde ausreichen, um allen Kinder der Welt endlich eine Schulbildung zu ermöglichen.
Wer Frieden will, muss den Frieden vorbereiten
Seit mehr als 2.000 Jahren gilt der altrömische Grundsatz „Wer Frieden will, muss den Krieg vorbereiten.“ Ergebnis: 2.000 Jahre immer wieder Kriege, Massenelend und Millionen Tote. Solange Kriege vorbereitet werden, werden sie auch geführt. Das erleben wir alle schmerzlich beim Ukraine-Krieg. Präsident Putin hat diesen Krieg lange vorbereitet.
Wie wäre es, wenn wir künftig nach dem Motto leben würden: „Wer Frieden will, muss den Frieden vorbereiten“? Und wie ginge das konkret und praktisch? Unser Bestreben muss sein, in Zukunft den Frieden zu gewinnen und nicht mehr den Krieg.
Eine neue Politik beginnt mit neuem Denken
Das hat uns Michail Gorbatschow erfolgreich vorgemacht, ein Realpolitiker mit Visionen. Das Ergebnis seiner Politik hat uns dreißig Jahre Frieden in Europa geschenkt.
Warum? Weil einer den Mut hatte voranzugehen und in einem Umfeld von Hardlinern auf realisierbare Visionen zu setzen, konnten erstmals in der Menschheitsgeschichte ganze Waffensysteme einfach verschrottet werden – kontrolliert verschrottet. 80 Prozent aller Atomwaffen wurden vor etwa 30 Jahren verschrottet. Das zeigt am 78. Jahrestag der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki am 6. und 9. August: : Atomare Abrüstung ist möglich, wenn sie wirklich gewollt ist.
Was wäre ein Atomkrieg, frage ich den Fachmann Gorbatschow in unserem gemeinsamen Buch: „Kommt endlich zur Vernunft – Nie wieder Krieg“. Seine Antwort: „Ein Atomkrieg wäre wahrscheinlich der letzte Krieg der Menschheitsgeschichte, weil es danach keine Menschen mehr gäbe, die noch einen Krieg führen könnten.“
Gorbatschow in unserem Buch: „Auch der Westen hat nach 1990 mit der NATO-Osterweiterung große Fehler gemacht.“ 1990 hatte die NATO noch 16 Mitglieder, heute 30. Und weitere wollen dazu. Das war und ist für uns im Westen natürlich kein Problem, aber wir müssen uns doch auch fragen: Wie wirkt unsere Sicherheitspolitik auf die andere Seite.
Keine Frage: Jedes Volk hat das Recht, sich einem Militärbündnis anzuschließen. Aber spätestens im Atomzeitalter muss kluge Politik verstehen, dass Sicherheit für uns auch immer die Sicherheit des Anderen sein muss. Denn wir alle wären die Opfer eines Atomkriegs. Wirkliche Sicherheit ist gemeinsame Sicherheit.
Präsident Biden hat vor wenigen Monaten gesagt: Die Welt stand seit der Kuba-Krise von 1962 noch nie so nahe am atomaren Abgrund oder an einem dritten Weltkrieg wie heute. Dass der Westen die Sicherheitsinteressen der Ukraine verteidigen muss, auch militärisch, ist auch für mich als Pazifist und Christ selbstverständlich. Alles andere wäre jetzt unterlassene Hilfeleistung. Wir sind solidarisch mit der Ukraine.
Aber als Pazifist und Christ weise ich darauf hin, dass auch 144 Millionen Russen Sicherheitsinteressen haben. Darauf hat Michail Gorbatschow in vielen Gesprächen mit mir immer wieder gepocht, aber auch deutsche Politiker wie Helmut Schmidt und Helmut Kohl haben auf die berechtigten Sicherheitsinteressen Russlands hingewiesen oder in diesen Tagen auch Henry Kissinger aus Anlass seines 100. Geburtstags.
Den Aggressor Putin bekommen wir wahrscheinlich nur an den Verhandlungstisch, wenn auch der Westen und die NATO bereit sind, über unsere frühere Fehler zu reden. Auch wir müssen lernen, Feindbilder abzubauen – so wie es Jesus in seiner Bergpredigt vorgeschlagen hat. Der frühere Kommunist Gorbatschow „Die Bergpredigt Jesu ist das Überlebensprogramm im Atomzeitalter.“ Wann fangen wir an, endlich die Kraft der Bergpredigt zu verstehen? Das hieße. Dass auch wir unsere eigenen Ängste nicht dadurch überwinden können, dass wir der anderen Seite immer noch mehr Ängste machen. Diese Politik wird eines Tages in die totale Katastrophe führen.
Nur wenn wir unseren eigenen Schatten verstehen, können wir lernen, Frieden zu gewinnen statt Kriege. Wer „Feindesliebe“ als naiv abtut, möge doch bitte an die Folgen von Feindeshass denken.
In unserer Stadt Baden-Baden leben 123 Nationen friedlich zusammen, In dieser Stadt haben De Gaulle und Adenauer nach 1945 das Ende des gegenseitigen Abschlachtens zwischen Deutschen und Franzosen beschlossen und den Grundstein für die deutsch-französische Freundschaft und für die friedliche Europäische Union gelegt. In dieser Stadt wurde bewiesen, dass Frieden immer möglich ist. Noch nie hat ein Land der EU Krieg geführt gegen ein anderes Land der EU. Dafür hat die EU 2012 zu Recht den Friedensnobelpreis erhalten. Krieg ist kein Gottesurteil, Krieg ist kein Naturereignis, Krieg wird immer von uns Menschen geführt. Also können Menschen Kriege auch immer beenden.
Der erste und wichtigste Schritt zu einer sichereren Welt ist die Abschaffung aller Atomwaffen.