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Fotolia.com | masterric3000 | Berliner Mauer

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Erich Honeckers seltsame Wiedergeburt

Das hätte Erich Honecker 1989 nicht zu träumen gewagt: Eine Wiedergeburt seiner Mauer-, Stacheldraht- und Schießbefehl-Politik.

In  den USA will Donald Trump eine „wunderschöne Mauer“ bauen, um Flüchtlinge aus Mexiko abzuschrecken. Ungarns Viktor Orban lässt an den Grenzen seines Landes, das 1989 als erstes kommunistisches Land den Stacheldraht abgebaut hat, neue Stacheldraht-Zäune gegen Flüchtlinge errichten und deutsche AfD-Politiker schwadronieren vom „Schießbefehl“ an den Grenzen.  

Und dann hat Horst Seehofer in dieser Woche wieder einmal seine alte Forderung nach einer „Obergrenze“ von 200.000 Flüchtlingen wiederholt und die AfD rechts überholt. Was macht Seehofer, wenn 250.000 Flüchtlinge und Asylsuchende kommen? Er schlägt eine Politik gegen das Grundgesetz vor, wonach laut Artikel 16 „politisch Verfolgte Asylrecht genießen“.

Lieber billige Stammtisch-Parolen als die komplexe Realität des Grundgesetzes!

Einer sich christlich nennenden Partei wie der CSU war ihr „Hohes C“ schon oft Mittel zum Zweck des Machterhalts. Die Aufforderung des jungen Mannes aus Nazareth in der Bergpredigt „Selig sind die, welche Flüchtlingen helfen“, ist dann freilich nur noch Polit-PR. Die Bergpredigt als das Überlebensprogramm der Menschheit wird so zum billigen Heimatroman degradiert. Und die Wählerinnen und Wähler merken das.

Dabei könnten wir von Frankreich lernen: Dort ist die Front National vor allem deshalb so stark geworden, weil die klassischen Parteien ihr inhaltlich, aber auch sprachlich immer näher gekommen sind und deshalb ihre Identität verloren haben. Wähler wollen dann doch lieber das Original als die lächerlichen Kopien.

Horst Seehofer ist mit seiner AfD-Rhetorik ein Getriebener. Seine größte Angst, so hat er soeben gesagt, ist, dass er 2018 bei der nächsten Landtagswahl in Bayern mit seiner CSU nicht mehr die absolute Mehrheit bekommt. Mit dieser Angst aber  ist er gerade dabei, diese absolute Mehrheit zu verspielen. Eine Angstpartei hat noch nie eine absolute Mehrheit gewonnen.

Die Wähler-Verdrossenheit gegenüber den „Altparteien“ hängt wesentlich mit deren programmatischer Beliebigkeit zusammen. Wem das Schicksal der Flüchtlinge weniger wichtig ist als der eigene Machterhalt, darf sich über Wählerverdrossenheit nicht wundern.  Der Verrat am C ist sowohl strategisch wie auch taktisch falsch. Genau deshalb haben die Populisten zurzeit Hochkonjunktur.

Das Schicksal von Erich Honecker mit seiner Mauer-, Stacheldraht- und Schießbefehl-Politik sollte seinen heutigen Nachfolgern zu denken geben. Schon deshalb, liebe CSU und CDU: Mehr Merkel und weniger Seehofer.

Der Wiedergeburts-Glaube hat heute in Deutschland immer mehr Anhänger. Aber Leute wie Frauke Petry und Horst Seehofer sind schon sehr seltsame Wiedergeburten von Erich Honecker.

Gütersloher Verlagshaus
Quelle

FRANZ ALT 2016

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