‹ Zurück zur Übersicht

Franz Alt: „Die Zukunft ist schwarz-grün“

Franz Alt erkennt in Grün-Schwarz das neue bürgerliche Lager – und in Merkels Politik die Grundlage für ein Wirtschaftswunder. Interview von Til Huber im Münchner Merkur 

Herr Alt, die CDU geht erstmals als Juniorpartner in eine Koalition mit den Grünen. Tut sich die Partei damit einen Gefallen?
Die CDU ist noch immer traumatisiert durch die Wahlergebnisse. Die Partei sieht sich als geborende Regierungspartei und tut sich mit der Rolle des Juniorpartners natürlich schwer. Sie hofft, dass sie die Regierung nach Kretschmann wieder führen kann. Ich glaube aber nicht, dass das aufgeht. Die Partei ist noch tief gespalten. Grün-schwarz in Baden-Württemberg ist auch ein später Sieg der 68-er. Das muss die CDU  erst verdauen.

Das „Ländle“ ist im Kern immer konservativ gewesen. Sind die Grünen die neuen Konservativen?
Ministerpräsident Winfried Kretschmann sagt, Grün-Schwarz sei eine neue bürgerliche Koalition. Damit hat er nicht unrecht. Er ist bürgerlich-fortschrittlich und passt einfach zu Baden-Württemberg, einem Land der technologischen Innovationen.  Auf Bundesebene gibt es ja auf einmal den Slogan: Mehr Kretschmann wagen. Ich gehe davon aus, dass Schwarz-Grün auch eine sehr wahrscheinliche Option nach der Bundestagswahl wird. Die Grünen sind wertkonservativ. Zum Beispiel Schöpfung bewahren.

Noch vor 20 Jahren dachte man, Schwarz und Grün seien gegensätzliche Pole. Wie kam es zur Annäherung?
Wenn staatstragende Parteien Zukunftsthemen verpassen, werden sie abgestraft. Die Ökologie ist das große Thema des 21. Jahrhunderts. Das hat die Union lange nicht gesehen…

…und die Grünen haben es ihr beigebracht?
Traditionell hat die CDU ökonomische Stärken. Die Grünen haben ökologische Stärken. Was wir brauchen ist eine ökologische Wirtschaftspolitik. Nur wenn eine Wirtschaft nachhaltig ist, kann sie zukunftsfähig sein. Die Versöhnung von Okologie und Ökonomie ist das Thema dieser Koalition. Und Angela Merkel hat das begriffen.

Das große Thema im Moment ist aber nicht die Ökologie, sondern Flüchtlinge und Integration. Viele Bürger halten Merkels Kurs für falsch. Die erstarkte AfD könnte schwarz-grüne Option durchkreuzen.
Ach, wir hatten immer wieder rechtspopulistische Parteien. Sie sind immer wieder zerfallen. Entscheidend ist, wie die etabliereten Parteien damit umgehen. Den Seehofer-Kurs, der die Thesen der AfD aufnimmt, halte ich nicht für überzeugend. Die Union muss da mehr Merkel und weniger Seehofer wagen.

Aber gerade mit dem Merkel-Kurs ist die Union in Umfragen im freien Fall – auch die persönlichen Werte der Kanzlerin schrumpfen.
Langfristig zahlt sich Merkels Kurs aus. Die Menschen wollen vor allem eine konsequente Politik. In wenigen Jahren, werden die Wähler Merkel dankbar sein. Ich sehe schon die Überschriften: Danke, Angela Merkel, Sie haben uns die Arbeitskräfte der Zukunft beschert. Merkel organisiert mit ihrer Flüchtlingspolitik das nächste deutsche Wirtschaftswunder.

Das ist Spekulation.
Nein, das lässt sich leicht belegen mit den Erfahrungen der bisherigen Einwanderung, mit den Flüchtlingen nach 1945 und mit den Gastarbeitern. Ohne diese Einwanderungen ginge es uns heute nicht so gut.

Mit ihrer Orientierung nach links, auch hin zu den Grünen, bricht der Union erstmal der rechte Rand weg.
Kurzfristig ist das der Fall. Aber ein Politiker ist, wer an die nächste Wahl denkt. Ein Statsmann ist, wer an die nächste Generation denkt. Angela Merkel ist mehr Staatsfrau als ihre Vorgänger.

Die AfD will die nächste Wahlen unter anderem mit der These bestreiten Klimaschutz sei unnötig. Ist das nicht der Beleg dafür, dass eben nicht alles auf Schwarz-Grün zuläuft?
Nein, beim Klimaschutz denkt die Bevölkerung schon sehr weit. Wenn ein Papst sagt, dass Klimaschutz die Überlebensfrage der Menschheit ist, dann sagt das doch alles. Ich verstehe nicht, wie man in der heutigen Zeit, einen solchen Unsinn ins Parteiprogramm schreiben kann. Je mehr Naturkatastrophen kommen, desto deutlicher werden die Menschen verstehen, was für eine kindische und unreife Partei die AfD ist. Sie leugnet einfach eindeutige wissenschaftliche Erkenntnisse. An der Energiewende führt kein Weg vorbei.

Quelle

Erstveröffentlichung | Interview von Til Huber im Münchner Merkur Nr. 109 | 12. Mai 2016 |

Diese Meldung teilen

‹ Zurück zur Übersicht

Das könnte Sie auch interessieren