Ist Jesus CSU-Mitglied?
Die christlichen Konfessionen trennt noch immer viel. Aber ein Zeichen eint sie alle: Das Kreuz. Alle christlichen Konfessionen sind sich darin einig: ihr gemeinsames Vorbild ist der Jude Jesus aus Nazareth. Ein Kommentar von Franz Alt
Dieser junge Mann ging an einem Freitag um das Jahr 30 unserer Zeit als etwa 37-jähriger für seine Lehre und für seine Überzeugung bewusst ans Kreuz. Von den befreundeten Männern dieses Gekreuzigten sind an diesem Tag fast alle geflüchtet im Gegensatz zu einigen seiner befreundeten Frauen, die auch unter dem Kreuz und am Kreuz zu ihm standen – wie zum Beispiel seine enge Vertraute Maria Magdalena.
Seit die bayerische Landesregierung beschloss, dass jetzt im Vorwahlkampf in allen staatlichen Behörden christliche Kreuze aufgehängt werden müssen, gibt es darüber heftigen Streit.
Einige christliche Bischöfe distanzierten sich vorsichtig. Die schmachvolle und unvorstellbar schmerzvolle Kreuzigung Jesu brachte schon die ersten Christen in Verlegenheit. Sie konnten darin keinen „Sieg“ sondern lediglich eine grauenhafte Demütigung erkennen. Deshalb wurde erst ab der Mitte des vierten Jahrhunderts Jesu Kreuzigung auch bildlich dargestellt.
Jesus war kein Christ, er war Jude, und sein „Abba“, sein himmlischer Vater, war nicht CSU-Mitglied, ja nicht einmal katholisch. Dennoch ist das Kreuz das zentrale Symbol aller Christen. Es markiert damit auch den Unterschied zum Judentum und zum Islam.
Doch im säkularen Deutschland leben neben Christen auch Muslime, Juden, Buddhisten, Atheisten, Agnostiker und Anhänger aller Religionen. Sie alle sollen friedlich zusammen leben. Deshalb sagt der Artikel vier des Grundgesetzes auch nicht, dass die Bundesrepublik ein christliches Land sei, sondern garantiert die „Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit“ als „unverletzlich“.
Obwohl die CSU und damit Bayern bis zum heutigen Tag diesem Grundgesetz nicht zugestimmt hat, gilt unsere Verfassung auch in und für Bayern oder wie es die Präambel des Grundgesetztes sagt: „Für das gesamte deutsche Volk“.
Doch das interessiert die bayerische Staatsregierung nicht. Dieselbe CSU-Regierung, die von allen hier lebenden Ausländern, aktuell vor allem von Muslimen, Grundgesetztreue und Toleranz verlangt und zurecht gegen religiösen Fundamentalismus wettert, verletzt mit ihrem neuen Kreuz-Zug für das Kruzifix das Grundgesetz und betreibt selbst religiösen Fundamentalismus.
Die CSU verletzt das religiöse Neutralitätsgebot des Grundgesetzes und treibt Schindluder mit dem zentralen Symbol des Christentums. Sie macht exakt das, was sie muslimischen Fundamentalisten vorwirft. Sie missbraucht ein religiöses Symbol im bayerischen Vorwahlkampf für parteipolitische Zwecke. Doch für einen bayerischen Wahlkampf ging Jesus vor 2.000 Jahren nicht ans Kreuz.
Den Gipfel der Jesus- und Gotteslästerung hat jetzt der neue CSU-Generalsekretär Markus Blume erreicht. Er sagte, wer die neue bayerische Kreuz-Pflicht kritisiere, sei ein „Religionsfeind“ oder ein „Selbstverleugner“. Da sind auch jene Christen und ihre Bischöfe gemeint, welche das Christentum – wie Jesus selbst – eher als eine Herzensangelegenheit verstehen und nicht als eine politische Kampfparole.
Jesus selbst bat seine Anhänger und Nachfolger, im „stillen Kämmerlein zu beten“ und zu meditieren. „Geht mit dem Kreuz in bayerische Behörden oder ins bayerische Bierzelt“ hat er mit Sicherheit weder gesagt noch gemeint. Und schon gar nicht, dass diejenigen, die ein anderes religiöses Symbol wertschätzen, „Religionsfeinde“ seien.
Jesus hat immer deutlich gemacht, dass sein Weg und seine Lehre ein Angebot für alle Menschen aller Überzeugungen seien. Er ist nicht der Gründer einer neuen Religion, er ist der Überwinder aller alten Religionsschranken. Zum Kulturkampf mit dem Kreuz hat er jedenfalls nicht aufgerufen. Die CSU hat offensichtlich die Bergpredigt komplett missverstanden.
Die Instrumentalisierung religiöser Symbole, welche gerade die CSU bei anderen Religionen vehement ablehnt, war schon immer eine Hauptursache politischer Konflikte, sogar von Kriegen. Die Söder- und Blume-CSU verrät mit ihrem aktuellen Kreuzzug das „C“ in ihrem Namen. Und sie enttarnt damit ihre eigene geistige Heimatlosigkeit.