‹ Zurück zur Übersicht
pixabay.com | Simon

© pixabay.com | Simon

VW: Käfer, Golf, Passat – und jetzt Auslaufmodell?

„Wenn VW hustet, kriegt Deutschland die Grippe“, galt lange als eine zentrale Erkenntnis im hiesigen Wirtschaftswunderland. Jetzt aber hustet VW nicht nur, sondern ist selbst krank. Und zwar so krank, dass der VW-Vorstand mit Massenentlassungen und Werksschließungen droht. Deutschlands Vorzeigekonzern im Sturzflug? Wenn es dazu kommt, ist es ein Novum in der deutschen Autogeschichte.

Auch Wirtschaftsexperten bestätigen: „Die Autoindustrie ist nach wie vor die wichtigste Branche in Deutschland. Und in dieser Branche ist VW der Platzhirsch. Wenn der Riese wankt, dann wackelt alles“. Das sagt zum Beispiel Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der Großbank ING (BILD, 5.9. 2024).

Die VW-Betriebsratsvorsitzende Daniela Cavallo; Bei VW gehe es „nicht nur um die 120.000 Jobs bei der Volkswagen AG, es geht um Deutschland“.

Volkswagen hatte für viele Generationen das passende Auto: Käfer, Golf oder Passat. Die Autos von VW haben Jahrzehnte lang die bundesrepublikanischen Straßen und Städte geprägt. Doch jetzt drohen Werkschließungen. Dabei hatte Ex-Vorstandschef Herbert Dies einst versprochen, Volkswagen bis 2025 zum Welt-Vorreiter für E-Autos zu machen.

Hat Deutschlands Großkonzern die Zukunft der nächsten Auto-Generation, des Elektro-Autos, verschlafen?

Immerhin hat sich die Zahl der verkauften reinen E-Autos zwischen 2010 und 2021 global verzehnfacht – aber weitgehend ohne die deutschen Autobauer und auch ohne VW. 2023 war das Model Y von Tesla erstmals das meist verkaufte Auto der Welt. Und 2024 sind in Norwegen schon 70 Prozent der Neuwagen E-Autos. Und im afrikanischen Kenia dürfen ab Sommer 2024 keine Verbrenner-Autos mehr importiert werden. Das Europäische Parlament hat gerade in diesen Tagen bestätigt, dass ab 2035 in der gesamten EU keine Verbrenner mehr produziert und verkauft werden dürfen.

Doch die Bild-Zeitung macht seit Jahren eine Kampagne gegen das Verbrenner-Aus im Jahr 2035 und lud den Aufsichtsratschef des US-Autobauers Ford in Deutschland, Gunnar Herrmann,  zum Interview. Doch dieser erklärte dem völlig überraschten Bild-Reporter: Wer weiter auf Verbrenner hoffe, habe keine Strategie oder „pfeife aus dem letzten Loch“ – Verbrenner seien Wirtschaftskiller. Aber Verbrenner-Autos seien doch „das Kernstück der deutschen Industrie“, das gehe „flöten“ mahnt der Bild-Kollege den Automanager. Dessen eiskalte Antwort: „Ja, das geht flöten, weil Sie die Klimaziele damit nicht halten können.“

Die Lösung, so der Automanager, seien neue Technologien und das Umschulen der Mitarbeiter. Anders gehe es nicht. Der Automanager müsse an die Zukunft und an die Mitarbeiter denken, sonst läuft ihm die chinesische Konkurrenz den Rang ab, der Bild-Reporter klebe an der Vergangenheit fest.

So ähnlich hatten schon drei Jahre zuvor 69 deutsche Unternehmen einen schnelleren Kohleausstieg und den massiven Ausbau von Wind- und Solarparks gefordert. Dies unterschrieben u. a. die Otto Group, SAP, die Allianz, Rossmann, EnBw und E.on. Aus Eigeninteresse, sie wollten klare Rahmenbedingungen. Und sie wissen: Klimapolitik ist Wirtschaftspolitik. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Die VW-Mitarbeiter erleben die Wahrheit dieser Prognose in diesen Tagen schmerzlich. Vielleicht sind Arbeitszeitverkürzungen oder die Vier-Tage-Woche eher ein Rettungsring für den angeschlagenen Konzern als Werksschließungen und Massenentlassungen. Mit einer vorbildlichen 28-Stunden-Woche hat sich VW mitten in einer Krise schon einmal selbst gerettet. Lieber weniger Arbeit für alle als Arbeit für weniger Menschen bei vielen Entlassungen.

Oliver Blume, VW-Boss, der jetzt die geplanten schmerzhaften Massenentlassungen ankündigen musste, war 1994 bei VW eingestiegen. Und exakt in diesem Jahr hatte der Konzern mit seinen Mitarbeitern den Pakt der Beschäftigungssicherung über 30 Jahre geschlossen, den Blume jetzt aufgekündigt hat. Nach diesem Pakt sollte es keine betriebsbedingten Kündigungen geben. Damit will Blume Milliarden sparen.

Nicht nur die deutschen Autobauer fixierten sich zu lange auf ihre alten Verbrenner-Modelle, auch die Ampelkoalition von Olav Scholz klebte zu lange an der dogmatisierten Schuldenbremse so wie Volkswagen viel zu lange am Verbrenner-Auto. Ausgerechnet Robert Habeck hatte schon 2019 noch als grüner Landespolitiker in Schleswig-Holstein VW gewarnt: „Wenn Sie 2025  kein E-Mobil für unter 20.000 Euro anbieten, dann werden Sie – so fürchte ich – am Markt scheitern.“ Seine Weissagung von 2019 scheint jetzt in Erfüllung zu gehen. Damals wurde er als „Kassandra von Lübeck“ beschimpft.

Zögern, zaudern, zweifeln: Mit diesem Dreiklang kann man keine Zukunft gestalten, nicht einmal die Vergangenheit erfolgreich verwalten  – die chinesische Konkurrenz schläft nicht. Mit der bisherigen deutschen Autopolitik wird aus einem Erfolgsmodell ein Auslaufmodell.

Wir brauchen auch hierzulande die Vision einer elektrischen Mobilität. Denn die Zukunft fährt elektrisch. Die chinesische Autowirtschaft bietet bereits E-Autos für 12.000 Euro an. Das sind die Volks-Wagen von morgen.

Quelle

Franz Alt 2024

Diese Meldung teilen

‹ Zurück zur Übersicht

Das könnte Sie auch interessieren