Klimaschutz Frauensache?
Angela Merkel versprach vier jungen Frauen beim Treffen im Kanzleramt, „alles zu versuchen, mutiger zu sein“. Was aber könnte das konkret und praktisch heißen? Von Franz Alt
Das ist symbolisch: Im Kanzleramt reden fünf Frauen über Klimaschutz. Die Kanzlerin empfängt im internationalen Konferenz-Saal ihres Amtes vier Klima-Aktivistinnen der Fridays for Future(FFF)-Bewegung, die Schwedin Greta Thunberg, die beiden Belgierinnen Anuna de Wever und Adelaide Charlier sowie die Deutsche Luisa Neubauer. Thema ist die „Überlebensfrage der Menschheit“, so Angela Merkel 2007 in Grönland vor schmelzenden Eisbergen.
Die Eisberge schmelzen inzwischen dreimal schneller als damals. Ist das Thema jetzt auch dreimal wichtiger als damals als die deutsche Kanzlerin noch als Klimakanzlerin galt?
Den Anstoß zu diesem außergewöhnlichen Treffen gab im Juli ein Brief, den die Klima-Aktivistinnen an die Regierenden Europas geschrieben hatten. „Wir stehen vor einer existentiellen Krise“, schrieben sie, „und aus dieser Krise können wir keinen Weg kaufen, bauen oder investieren“. Das bestehende System lasse sich nicht reparieren. „Wir brauchen ein neues System“. Beinahe 125.000 Menschen hatten diesen Brief unterschrieben, darunter viele Prominente. Das gab den Anstoß zum jetzigen Treffen.
Können und müssen jetzt junge Frauen die Welt retten?
Nun also die fünf Frauen unter sich. Das Patriarchat hat im Industriezeitalter die Klimaerhitzung bewirkt. Wir verbrennen heute an einem Tag so viel Kohle, Gas und Öl wie die Natur in einer Million Tagen angesammelt hat. Jedes Kind lernt in der Schule, dass diese Energiepolitik seine Zukunft in Frage stellen wird. Und nun sitzen die Vertreter dieser „Greta-Generation“ der Kanzlerin gegenüber. Können und müssen jetzt junge Frauen die Welt retten? Zusammen mit der deutschen Bundeskanzlerin?
In den letzten 14 Jahren hat sich die Kanzlerin 14mal in ihren Samstags-Video-Botschaften mit dem Klimawandel beschäftigt. So hat es die Süddeutsche Zeitung recherchiert. Allein dreimal im Jahr 2015 als der Pariser Klimagipfel forderte, dass das globale Klima höchstens um zwei Grad, besser nur um 1.5 Grad gemessen an 1870, ansteigen darf. Ein schönes Ziel, aber nichts Entsprechendes ist passiert. Keine Regierung der Welt handelt bisher danach.
Im letzten Jahr hat die Kanzlerin gar fünfmal am Samstag über Klimaschutz gesprochen. Aber auch Deutschland bleibt weit hinter seinen Versprechungen von Paris zurück. Wissenschaftler sagen, die Erneuerbaren müssten viermal so rasch ausgebaut werden. Und die FFF-Bewegung fordert, dass die Politik endlich auf die Klimawissenschaft hört.
Was also kann man erwarten vom Treffen im Kanzleramt?
Die FFF-Bewegung brachte 2019 Millionen junger Demonstranten für das Klima auf die Straße. Hilft das dem spektakulären Treffen im Kanzleramt?
Auf die Forderung nach einem „neuen System“, sagt die pragmatische Kanzlerin nur „Politik ist das, was möglich ist“. Und nun? Bleibt alles beim Alten oder ist auch im alten System mehr möglich als bisher? Es ist die Frage aller Fragen.
Angela Merkel versprach den vier jungen Frauen, „alles zu versuchen, mutiger zu sein“. Na ja! Was aber könnte das konkret und praktisch heißen?
Der Bundestag wird in wenigen Wochen ein neues Erneuerbares Energien-Gesetz verabschieden:
- Niemand hindert die Abgeordneten daran, dabei mutig zu sein und die Erneuerbaren endlich wieder auf Trapp zu bringen anstatt sie auszubremsen wie es Regierung und Parlament in Berlin seit 2012 getan haben.
- Niemand hindert den Bundestag daran, endlich klimaschädliche Subventionen zu streichen
- Niemand hindert den Bundestag daran, den Kohleausstieg statt auf 2038 zu verschieben, für 2028 festzulegen und mit dem Ausstieg sofort zu beginnen, was bei einem zügigen Ausbau der Erneuerbaren überhaupt kein Problem wäre.
Das alles ist überhaupt keine Frage des Systems, es ist schlicht eine Frage von Mut oder Feigheit. Die Systemfrage muss wieder mal als Feigenbltt herhalten.
Es fehlt der Mut
Es fehlt bisher allein das, was die Kanzlerin jetzt versprochen hat: Mut. Doch im Bundestag sitzen etwa zwei Drittel Männer und nur ein Drittel Frauen. Vielleicht liegt hier das eigentliche Problem. Das „starke“ Geschlecht war bisher einfach zu schwach und zu feige gegenüber den Interessen der alten fossilen Energiewirtschaft. Wir brauchen in der gesamten Politik mehr starke, weibliche Energie so wie sie in diesen Tagen in Belarus sichtbar wird. Weibliche Energie heißt: Gewaltfrei, ausdauernd und deshalb erfolgreich. Vielleicht schafft das die „Generation Greta“.
Die alte Männerherrschaft erweist sich immer mehr als „apokalypseblind“ (Günther Anders). Diese Männer wollen sich einfach nicht mehr vorstellen, was sie anstellen. Das gilt 75 Jahre nach Hiroshima beim atomaren Wettrüsten ebenso wie bei der anderen existentiellen Überlebensfrage der Menschheit, der Klimaerhitzung.
Greta Thunberg nach dem Treffen mit Angela Merkel: „Wir drehen uns im Kreis. Solange die Klimakrise nicht wie eine Krise behandelt wird, werden wir nicht den nötigen Wandel schaffen“.