Spanien ist erneuerbar
In einem Interview mit der Mallorca-Zeitung und in einem Vortrag in der Kulturfinca Son Bauló warb Franz Alt für den 100prozentigen Umstieg Spaniens für Erneurbare Energie. Das Land habe unendlich viel Sonne und Windkraft. Das Interview der Marllorca Zeitung führte Frank Feldmeier.
Während in Deutschland die Energiewende in aller Munde ist, wurden hier Subventionen für Solaranlagen gekürzt. Wie sehen Sie die Entwicklung in Spanien?
Das Land hat in Europa einen Mittelplatz. Zumindest auf dem Festland sieht es schon ganz gut aus. Spanien könnte lässig eine ähnliche Entwicklung wie Deutschland mit bereits 28 % Ökostrom haben. Und wenn die Deutschen zeigen, dass es technisch möglich ist und neue Jobs entstehen, dann werden die Spanier auch dabei sein. Ich habe in Spanien Vertreter von Großkonzernen kennengelernt, die sehr wohl begriffen haben, dass ihre Zukunft in der Umstellung liegt. Aber das ist sicherlich nicht die Mehrheit, wie in der ganzen Welt. So eine Kehrtwende braucht gerade bei den Großen Zeit. Es gibt in Deutschland 20 Millionen Gebäude – in Spanien dürften es 17 Millionen sein –, auf denen noch keine Solaranlagen stehen. Was für eine Chance! Derzeit versorgen wenige Großkraftwerke Millionen Haushalte. Künftig werden wir Millionen kleine Kraftwerke haben, die die großen Verbraucher mit versorgen.
Wie passt das zusammen mit den Bestimmungen in Spanien, wo bislang wegen bürokratischer Hürden nur sehr wenige Privathaushalte selbsterzeugten Strom ins Netz einspeisen?
Auch Spanien hat ein Erneuerbare-Energien-Gesetz, auch wenn es gestutzt wurde. Da sind auch viele Investoren verschreckt worden, da die Einspeisevergütung zu rasch gesunken ist und sogar geplant war, gezahlte Hilfen zurückzuverlangen. Es sind politische Fehler gemacht worden, auch durch den Druck der alten Energiewirtschaft. Eine konservative Regierung gibt der klassischen Wirtschaft gerne nach, auch in Deutschland. Die Konzerne sagen: Wenn ihr uns schon die Atomkraft weggenommen habt, dann lasst uns doch wenigstens länger als geplant die Kohle auf dem Markt haben. Dabei kostet eine intelligent gemachte, rasche Energiewende ein Fünftel dessen, was wir langfristig ohne Energiewende zahlen müssten. Das hat die Weltbank vorgerechnet.
Was ist dann davon zu halten, dass die spanische Regierung prüft, die Suche nach Erdgas und Erdöl vor den Balearen zuzulassen?
Wir sollten diese alte Energie dort lassen, wo sie ist. Die Natur hat sie nicht zufällig dort deponiert. Die deutsche Bundeskanzlerin nennt den Klimawandel die Überlebensfrage der Menschheit. Mit dieser Aussage geht sie in den Klimagipfel Ende des Jahres in Paris. Ein Land wie Spanien mit soviel Wind und Sonne hat es gar nicht nötig, den letzten Liter Öl oder Kubikmeter Gas aus dem Boden zu holen. Die Sonne schickt uns jeden Tag 15.000 Mal mehr Energie, als alle Menschen brauchen – aber keine Rechnung. Allerdings müssen wir die Strukturen ändern. Costa Rica ist als erstes Land beim Strom komplett auf erneuerbare Energien umgestiegen. Auch Mallorca kann in zehn Jahren umsteigen und einen Anteil von 100 Prozent erreichen.
Auch wenn die Insel derzeit bei zwei Prozent Sonnenergie steht?
Das wäre überhaupt kein Problem – wenn der politische Wille da ist, oder die Bürger die Politik in diese Richtung drängen. Ihr seid gesegnet von Sonne, in den Bergen gibt es viel Wind. Und Biomasse wächst auch. Den Atomausstieg in Deutschland hätte man vor Fukoshima auch nicht für möglich gehalten.
Der politische Wille ist da beim Protest gegen die Ölsuche. Bei Solar- und Windanlagen dagegen laufen Umweltschützer Sturm, weil sie eine Verschandelung von Mallorcas Landschaft befürchten.
Das ist in Deutschland nicht viel anders, der Lernprozess ist aber inzwischen weiter – wir haben 28.000 Windräder aufgestellt. Die Umweltverbände gehen heute Kompromisse ein. Ich will auch nicht auf bestem Ackerboden Schilfgras oder Raps anbauen. Und Windräder müssen einen gewissen Abstand zu Wohnhäusern haben.
Und Anlagen in Schutzgebieten wie der Tramuntana?
Wenn wir unsere Landschaften wirklich schützen wollen, brauchen wir Klimaschutz. Das wird in Deutschland weit differenzierter als vor 20 Jahren diskutiert. Ein Abstand von 500 Metern reicht vollständig aus, um Schattenwurf und Geräusche zu verhindern. Die Technik ist viel weiter als noch vor 20 Jahren. Für Mallorca sind zudem Kleinstwindräder ein Riesenthema. Sie lassen sich intelligent mit Solaranlagen auf Häusern kombinieren.
Sie plädieren für kleine Lösungen. Auf Mallorca wird vor allem in Großprojekte investiert. Diskutiert wird über einen Solarpark bei Manacor mit 270.000 Modulen.
Ich habe in Deutschland vergleichbare Anlagen eingeweiht. Wenn das in Deutschland geht, dann erst recht auf der sonnenverwöhnten Insel.
Aber bräuchte es nicht vor allem mehr kleine Investoren? Die Subventionen der balearischen Landesregierung für Solaranlagen auf dem Dach wurden zum Teil gar nicht abgeschöpft.
In Deutschland haben wir inzwischen 900 Energiegenossenschaften. Da gibt es das Selbstbewusstsein, dass man das selbst in die Hand nimmt, dass es schick ist und Spaß macht, sich selbst zu versorgen. Die Sensibilität nimmt zu, aber langsam. Die Politik darf das Thema aber nicht den Großkonzernen überlassen.
Wobei die Politik in Spanien vor allem mit der Bewältigung der Wirtschaftskrise beschäftigt ist.
Auch Spanien gibt viel Geld für Öl- und Gasimporte aus, genauso wie das arme Griechenland. Das dürften 70 Milliarden Euro pro Jahr sein. Das kann man intelligenter machen. Kein Land dieser Welt muss Energie importieren. Die erneuerbaren Energien sind zudem ein Jobmotor. Bei einem vollständigen Umstieg wäre in Spanien knapp eine Million neuer Arbeitsplätze möglich.
Auch in der öffentlichen Debatte spielen erneuerbare Energien kaum eine Rolle.
Da muss noch einiges passieren. Leider werden Menschen erst durch Unglücke schlauer. Und jede Verschärfung der Klimakatastrophe trägt dazu bei, dass die Menschen endlich aufwachen.
Das PDF „„Mallorca kann in zehn Jahren umsteigen“ Von Frank Feldmeier
Energiepapst Franz Alt über das Potenzial der Insel für erneuerbare Energien, die Widerstände der Großkonzerne und die geplante Ölsuche
Quelle
Sonnenseite | Mallorca Zeiutung 2015