Weltweiter Missbrauch von Religion
Schon immer und immer wieder wird Religion politisch missbraucht. Bereits am 14. Juli 1996 sagte der damalige Bürgermeister von Istanbul und heutige türkische Präsident Erdogan: „Die Demokratie ist kein Ziel, sondern ein Mittel.“
Er meinte: Ein Mittel, um den Islam in der Türkei als autoritäre Staatsreligion einzuführen“. Den aktuellen Militärputsch nennt Erdogan folgerichtig „Ein Geschenk Allahs – ein Gottesgeschenk“.
Schon vor Jahren hatte Erdogan den Muslimen gesagt: „Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten“. Der Mann spricht von Demokratie und meint religiösen, militarisierten Fundamentalismus.
Der 17-jährige muslimische Flüchtling, der bei Würzburg mit Messer und Axt im Regionalzug fünf Menschen verletzte hatte, soll bei seinem Mordanschlag – ähnlich wie Terroristen schon zuvor in Nizza, Brüssel und Paris – gerufen haben: „Allahu Akbar – Gott ist groß“. In einem Bekennervideo hatte der Terrorist gesagt: „Ich bin ein Soldat des Kalifats. Ich werde euch abschlachten. Ich werde eine Märtyrer-Attacke in Deutschland ausführen“. Der Mann wollte sich an „Ungläubigen“ rächen, die seinem muslimischen Freund Leid angetan haben.
Politischer Missbrauch von Religion ist uralt. Das muslimische „Allahu Akbar“ hieß bei christlichen Kreuzfahrern „Deus vult – Gott will es“ und war nicht weniger vulgär. Ähnlich gotteslästerlich wurden alle Religionskriege unter Christen im Mittelalter bis heute in Nordirland gerechtfertigt. Im Ersten Weltkrieg hatten deutsche Soldaten auf ihrer Koppel die fürchterliche Inschrift „Gott mit uns“ und begingen nach diesem Motto Massenmord.
Als muslimische Fundamentalisten im Januar 2015 in Paris ihren Anschlag auf die Satire-Zeitschrift „Charlie Hebdo“ verübten und ebenfalls „Allahu Akbar“ brüllten, redete als erster globaler Religionsführer der Dalai Lama Klartext und sagte: „Ich denke an manchen Tagen, dass es besser wäre, wenn wir gar keine Religionen mehr hätten. Alle Religionen und alle Heiligen Schriften bergen ein Gewaltpotential in sich. Deshalb brauchen wir eine säkulare Ethik jenseits aller Religionen“.
In dem Büchlein, das wir anschließend zusammen schrieben, meint der Dalai Lama: „Ethik ist wichtiger als Religion“.
Seine Begründung: „Wir kommen nicht als Mitglieder einer bestimmten Religion auf die Welt. Aber Ethik ist uns angeboren“. Diese säkulare Ethik des Dalai Lama sprengt nationale, religiöse und kulturelle Grenzen und skizziert Werte, die allen Menschen angeboren und allgemein verbindlich sind. Werte wie Achtsamkeit, Mitgefühl, Geistesschulung sowie das Streben nach Glück.
Eine der zentralen Überzeugungen des Dalai Lama: In unserem Streben nach Glück und unserem Wunsch, Leid zu vermeiden, sind alle Menschen gleich. Daraus resultieren die größten Errungenschaften der Menschheit. Deshalb sollten wir anfangen, auf der Grundlage einer Identität zu denken und zu handeln, die in den Worten „Wir Menschen“ wurzelt.
Keiner kommt als religiöser Mensch auf die Welt, aber jedes Neugeborene ist ein fühlendes und mitfühlendes Wesen. Zu religiösen Menschen werden wir später erst gemacht.
In den Schulen, so folgert der Dalai Lama, ist Ethik in Zukunft wichtiger als Religionsunterricht. Warum? „Weil das Bewusstsein des Gemeinsamen wichtiger ist als das ständige Hervorheben des Trennenden“. Hier ist eine neue Botschaft, welche die Welt verändern kann. Aber dazu bedarf es einer starken Bewusstseinsrevolution in allen Religionen und bei allen Religionsführern.
Der Dalai Lama hat einen wichtigen Anfang gemacht: „Ethik ist wichtiger als Religion“. Damit ist er in der Spur Buddhas, aber auch in der Spur Jesu – beiden ging es nicht um eine neue Religion, sondern um die Überwindung aller alten Religionen.
- Dalai Lama (Franz Alt Hrsg.) „Der Appell des Dalai Lama an die Welt – Ethik ist wichtiger als Religion“ (online bestellen)
- Benevento: Als E-Book kostenloser Download in Deutsch und Englisch
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