Wie glaubwürdig sind E.ON und die Politik?
„Deutschland wird grüner: Bis zum 20. Juni, könnte sich die Bundesrepublik rein rechnerisch komplett mit Ökostrom versorgen. Das geht aus einer aktuellen E.ON Berechnung hervor. Damit steuern die Solar-, Wind-, Wasser- und Biomasseanlagen 2020 voraussichtlich bereits genug Energie bei, um unseren Bedarf für insgesamt 172 Tage vollständig aus Erneuerbaren zu decken – so viele wie nie zuvor“.
Mit dieser Meldung versucht der Energieriese E.ON mal wieder, rechtzeitig die Kurve zu kriegen. Jahrzehnte lang wurden die Erneuerbaren auch von E.ON verteufelt und verspottet. Deutschland könne bis zum Ende des 21. Jahrhunderts höchstens 4% Ökostrom erzeugen, prophezeite die alte Energiewirtschaft im Jahr 1993 in ganzseitigen Anzeigen. Doch jetzt im Sommer 2020 sind wir bereits bei 52%. E.ON rechnet nun damit, dass hierzulande bis Ende dieses Jahres 47,3% Ökostrom produziert wird und schreibt – einen Tag nachdem der Bundestag den berüchtigten 52-Gigawatt-Solardeckel aufgehoben hat – „Deutschland wird grüner“, ja ruft sogar für den 20. Juni einen „Tag der grünen Energie“ aus. Welch ein Wandel von einem Tag zum anderen, um beim zukünftigen Geschäft dabei zu sein.
Deutschland wird immer grüner
Noch 2003 fiel der Tag, an dem ganz Deutschland mit dem pro Jahr erzeugten Ökostrom versorgt werden könnte, auf den Januar, 2010 in den März und 2019 fiel er bereits auf den 4. Juni. Nur ein Jahr später bereits auf den 20. Juni.
Die E.ON-Rechnung zeigt tatsächlich, dass unser bisheriger Stromverbrauch im Jahr 2020 rein theoretisch komplett ökologisch gedeckt werden könnte und damit künftig auch praktisch alle Energie in Deutschland erneuerbar erzeugt werden kann. Das wäre für dieses Jahr vom 1. Januar an bis zum Tag der Sommersonnenwende, also dem 20. Juni. Im interaktiven „Eon Energieatlas“ können die Verschiebungen von Jahr zu Jahr nachvollzogen werden.
Welch ein Fortschritt gegenüber den Bedenkenträgern aus der alten Energiewirtschaft der früheren Jahre. Damit ist bewiesen, dass Deutschland und Europa den kompletten Umstieg bis 2030 schaffen kann – was die Klimawissenschaftlerr immer energischer fordern.
In der Arktis ist es 2020 an manchen Tagen bereits um 10 Grad wärmer als früher im Durchschnitt. Eine dramatische Erhitzung, die deutlich macht, dass die komplette Energiewende – weit früher als noch vor wenigen Jahren erwartet – erfolgen muss, wenn wir es gut meinen mit unseren Kindern und Enkeln. Und wenn wir unsere menschliche Zivilisation erhalten wollen.
Das neue EEG entbürokratisieren
Das Gewürge um die Abschaffung des 52-Gigawattdeckels – es ist hauptsächlich vom Wirtschaftsflügel der CDU/CSU in enger Kooperation mit der Lobby der alten Energiewirtschaft zu verantworten – lässt für die nächsten Schritte zur Energiewende wenig Gutes erwarten. Im Herbst muss der Bundestag ein neues Erneuerbares-Energien-Gesetz (EEG) verabschieden, wobei es hauptsächlich darum gehen wird, dass alle PV-Betreiber ihren selbst erzeugten, preisgünstigen Strom auch selbst verbrauchen können und nicht teuren Strom aus der Steckdose vom alten Energieversorger verbrauchen müssen. Das peinliche Tauziehen um den Solardeckel hat viel Vertrauen in die Vernunft der Politik verspielt und die Solarbranche wie auch die Verbraucher stark verunsichert.
Im nächsten EEG muss der Einspeise-Vorrang der Erneuerbaren bleiben und das Motto gelten: „Mein Dach gehört mir“. Weitere Hemmnisse beim Ausbau sowie eine Reihe unsinniger bürokratischer Hürden beim Ausbau der Erneuerbaren müssen beseitigt werden.
Der dringend notwendige und rasche Durchbruch der erneuerbaren Energien insgesamt – vor allem im Heizungs- und Mobilitätsbereich – braucht endlich wieder eine klare politische Perspektive. Nur damit wird eine dezentrale Bürgerenergiewende mit preisgünstigem, selbsterzeugtem Solar- und Windstrom möglich und erfolgreich.