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Stadler Rail AG | Schleswig-Holstein hat bereits 55 "Flirt Akku"-Züge des Schweizer Herstellers Stadler bestellt. Die Batterien kommen vom Schweizer Hersteller ABB.

© Stadler Rail AG | Schleswig-Holstein hat bereits 55 „Flirt Akku“-Züge des Schweizer Herstellers Stadler bestellt. Die Batterien kommen vom Schweizer Hersteller ABB.

Batteriezug fährt dem Wasserstoffzug davon

Auch die Bahn muss bald klimaneutral fahren. Eine direkte Elektrifizierung der Züge, ob nun per Oberleitung oder per Batterie, ist dabei wirtschaftlicher als die Nutzung von Brennstoffzellen, die mit grünem Wasserstoff gespeist werden, zeigt eine neue Studie.

Bei Autos ist die Sache eigentlich klar. Fahrzeuge, die Grünstrom in ihre Batterie laden und direkt für den Antrieb nutzen, sind klimafreundlicher als Brennstoffzellenautos. Letztere werden von der Autobranche dennoch weiter feilgeboten – vor allem für Leute, die mit einer Tankfüllung einmal quer durch Deutschland fahren wollen.

Wie sich das bei Bahnantrieben im Nah- und Pendlerverkehr verhält, hat eine jetzt veröffentlichte Studie des Technologieverbandes VDE untersucht.

Die Antriebswende auf der Schiene ist klimapolitisch relevant: Zwar werden laut der Studie im Schienen-Personen-Nahverkehr schon mehr als 80 Prozent der Verkehrsleistung von Triebzügen erbracht, die ihre Energie direkt aus einer Oberleitung oder einer Stromschiene beziehen. Dennoch erbringen klimaschädigende Dieseltriebzüge immer noch gut ein Drittel der Fahrleistungen, meist auf Nebenlinien.

Anders gesagt: Auf Strecken, wo wenige Leute über viele Kilometer gefahren werden, dominiert noch der Diesel, also das Erdöl. Für die Betreiber dieser Strecken ist vor allem die Frage interessant, wie sich die restlichen Dieseltriebzüge am wirtschaftlichsten aus dem Verkehr ziehen lassen. Durch traditionelle Elektrifizierung oder per Batteriezug? Oder sollten besser wasserstoffgespeiste Brennstoffzellenzüge zum Einsatz kommen?

Bei ihren Berechnungen gingen die VDE-Experten von einer Lebensdauer der Züge von 30 Jahren aus und selbstverständlich auch davon, dass der jeweils genutzte Strom zu hundert Prozent aus erneuerbaren Quellen stammt.

Der Vergleich der Antriebe förderte auch für die VDE-Experten Überraschendes zutage. So sind batteriegetriebene Züge „ähnlich wirtschaftlich“ wie Triebzüge, die ihre Energie aus der Oberleitung beziehen. Am teuersten und unwirtschaftlichsten sind dagegen laut der Studie die Brennstoffzellenzüge – und zwar in Anschaffung, Betrieb und Wartung um bis zu 35 Prozent teurer als Batteriezüge.

„Wie man es auch dreht oder wendet, das Batteriekonzept bleibt immer vorn“, bilanziert Studienautor Wolfgang Klebsch. Auf typischen Pendlernebenstrecken, auf denen derzeit noch Dieselzüge eingesetzt werden, sei der Wasserstofftriebzug stets die wirtschaftlich ungünstigere Lösung. Klebsch: „Auch für uns war das eine überraschende Erkenntnis.“

Wasserstoff bleibt so oder so zu teuer

Für den VDE-Experten sind vor allem zwei Gründe dafür verantwortlich, dass Brennstoffzellen-Züge das Nachsehen haben. Der erste Grund sind die Energiekosten. Zunächst wird der grüne Wasserstoff über einen Elektrolyseur mit einem Wirkungsgrad von unter 80 Prozent erzeugt – und dann muss der Wasserstoff in der Brennstoffzelle im Fahrzeug mit einem Wirkungsgrad von unter 70 Prozent in Antriebsstrom umgewandelt werden.

Das Problem des Brennstoffzellenkonzepts ist, „dass es sowohl mit dem Wirkungsgrad des Elektrolyseurs als auch mit dem Wirkungsgrad der Brennstoffzelle im Fahrzeug belastet wird“, betont Klebsch gegenüber Klimareporter°. Daher müsse für einen Brennstoffzellenzug am Ende immer mehr Energie eingesetzt werden als für einen Zug mit Batterie oder mit Strom aus einer Leitung.

Zwar sei es über die jahrzehntelange Laufzeit der Züge denkbar, dass grüner Wasserstoff künftig sehr billig importiert werden könne, merkt der VDE-Experte an – ob das den Nachteil der Brennstoffzelle ausgleichen kann, bleibt aber fraglich.

So wird in der Studie, um die Wirtschaftlichkeit der Batteriezüge zu beurteilen, ein Bahnstrompreis von zwölf Cent je Kilowattstunde angenommen. Schon für den heutigen Fall müsste der Preis des grünen Wasserstoffs unter einen Euro je Kilogramm fallen, damit Batterie- und Brennstoffzellenzug gleichziehen, rechnet die Studie vor.

Der reale Preis des grünen Wasserstoffs liegt zurzeit bei fünf bis sechs Euro je Kilo. Manche Unternehmen werben zwar schon mit Preisen von unter vier Euro – ein Preis von unter einem Euro liegt aber auch perspektivisch außer Reichweite.

Ob die Deutsche Bahn für eine Kilowattstunde Antriebsstrom wirklich um die zwölf Cent bezahlt, wollte das Unternehmen übrigens auf Nachfrage von Klimareporter° weder bestätigen noch dementieren. Weitere Angaben dazu wurden nicht gemacht.

Ab 2025 keine neuen Dieseltriebzüge

Einen zweiten Grund, warum das Brennstoffzellen-Konzept deutlich teurer ist, hat die Studie in den hohen Tauschkosten für die Zelle ausgemacht. Die Brennstoffzellen müssten über die Fahrzeuglebensdauer von 30 Jahren bis zu siebenmal ausgetauscht werden. Zwar werde sich dieser Kostennachteil mit der Zeit relativieren. Wann das aber der Fall sein wird – auch das könne heute noch niemand prognostizieren.

Auf irgendwann eintretende Verbesserungen zu hoffen ist aus Sicht des VDE-Experten Klebsch keine Option. Denn die politische Vorgabe, den Verkehr in Deutschland bis 2050 CO2-frei zu machen, erzeuge besonderen Handlungsdruck.

„Ausgehend von einer Laufleistung von 30 Jahren sollten spätestens ab 2025 keine neuen Dieseltriebzüge mehr in Betrieb genommen werden“, betont der VDE-Experte. Entscheidungen über grüne Antriebskonzepte müssten daher schnell getroffen werden.

Quelle

Der Bericht wurde von der Redaktion „klimareporter.de“ (Jörg Staude) 2020 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung (post@klimareporter.de) weiterverbreitet werden! | (Foto: Stadler Rail AG)

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