Der Weg zur emissionsfreien Schifffahrt
Im Auftrag eines deutschen Reeders hat ein Team der ETH Zürich Wege in eine emissionsfreie Schifffahrt ausgearbeitet. Es hat dafür den Schiffsverkehr in der Nordostsee sowie Infrastruktur, Speicherung und Kosten von neuen Treibstoffen untersucht.
Die Schifffahrt verursacht aktuell etwa drei Prozent des weltweiten CO2-Ausstosses, sie gehört damit neben dem Strassen- und dem Flugverkehr zu den grössten Emittenten unter den Verkehrsträgern. Zum grössten Teil werden diese Emissionen durch internationale Handelsschiffe und grosse Frachter verursacht. Verschiedene Organisationen, Reedereien und Regierungen haben sich gemeinsam zum Ziel gesetzt, den Transport über Wasser in den nächsten Jahren CO2-neutral zu gestalten. Wie dieser Übergang effektiv gelingen soll, war bisher aber unklar.
Nun hat eine Gruppe am Departement für Management, Technologie und Ökonomie an der ETH Zürich mögliche Wege in eine emissionsfreie Schifffahrt ausgearbeitet. Das sogenannte «sus.lab» hat zum Ziel, wissenschaftliche Erkenntnisse zur Nachhaltigkeit mit Partnern aus der Wirtschaft umzusetzen. Den Auftrag für die Studie erhielt das Team von Christian Oldendorff, Unternehmer und Miteigentümer der Reederei Nord.
Nordostseeregion als Innovationstreiber
Der Report betrachtet die Nordsee und die Ostsee. Studienleiterin Petrissa Eckle sagt, die Region habe sich bereits als Innovationstreiber in dem Sektor positioniert. Zudem könne so auf kleinem Raum getestet werden, welche Lösungsansätze wirklich funktionieren. Mittels externer Studien und Interviews mit Innovatoren und Experten aus der Industrie untersuchte ihr Team die Reiserouten, die vorhandenen Infrastrukturen, die Nachhaltigkeit und die Kosten möglicher neuer Treibstoffe.
Dabei konzentrierten sie sich auf Energieträger, die in den nächsten fünf bis zehn Jahren einsetzbar sind und die auf der Fahrt keine CO2-Emissionen mehr freisetzen. Zudem mussten die Lösungsansätze auf die internationale Schifffahrt skalierbar sein. Nicht berücksichtigt wurden effizienzsteigernde Massnahmen wie ein verbessertes Rumpfdesign oder betriebliche Optimierungen. Diese können zusätzlich Energie und somit Kohlendioxid sparen.
«Nun sind Pilotprojekte nötig»
Petrissa Eckle und ihr Team sehen das grösste Potenzial in naher Zukunft deshalb in «Null-Emissionen»-Antrieben wie elektrischen Motoren, Brennstoffzellen oder mit Ammoniak betriebenen Verbrennungsmotoren. Welcher Energieträger am geeignetsten ist, hängt vom Schiffstyp und der Routenlänge ab. «In der Nordostseeregion werden auf kurzen Strecken bereits elektrisch betriebene Schiffe eingesetzt, was Sinn macht», sagt Petrissa Eckle. Für lange Strecken würde sich laut dem Report Ammoniak als Treibstoff eignen, allerdings ist dieser giftig und deshalb aktuell nicht als Brennstoff zugelassen. Bei Wasserstoff fehlen Verflüssigungs- und Transportkapazitäten, erste Transportschiffe werden bald getestet. Um die vielen offenen Fragen zu beantworten, brauche es nun Pilotprojekte, sagt Petrissa Eckle. «Wir brauchen Reedereien, die emissionsfrei angetriebene Schiffe testen.»
Der Report ist Teil einer Initiative des Auftraggebers und Reeders Christian Oldendorff. Sie ist ein Versuch, wichtige Interessengruppen wie Reedereien, Schiffsbetreiber, Investoren und politische Entscheidungsträger hinter einer gemeinsamen Vision für eine nachhaltigere Zukunft der Schifffahrt zu vereinen. Der Unternehmer sagt, der Zeitpunkt zum Handeln sei gekommen: als einer der grössten Emittenten von Emissionen im Transportwesen sei die Industrie gefordert, neue Wege des ökonomischen und ökologischen Wirtschaftens zu finden. Man müsse jetzt umdenken und alternative Treibstoffe und höhere Effizienz anstreben.
Am 28. Oktober bringt die Initiative acht Reeder der Nordostseeregion an einen Tisch, um über die Ergebnisse des Reports zu diskutieren.