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Dobrindt verhindert Aufklärung des Diesel-Abgasskandals

Deutsche Umwelthilfe: Bundesverkehrsminister Dobrindt verhindert Aufklärung des Diesel-Abgasskandals und hilft Autokonzernen zum Schaden der Bürger.

Der Verzicht auf einen amtlich verfügten und damit rechtlich geregelten Rückruf ist ein erneuter Kniefall vor den Autokonzernen. Mehrere Millionen betroffene Fahrzeughalter müssen nun mit Einzelklagen und Einzelgutachten ihre Ansprüche gegen die Hersteller durchsetzen. Im Gegensatz zu den USA oder Südkorea verzichtet Verkehrsminister Dobrindt auch weiterhin auf konkrete Vorgaben zur Höhe der zu erreichenden Verbesserung der Stickoxid-Emissionen im Straßenbetrieb

Anlässlich der Veröffentlichung des Prüfberichts des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) zum Diesel-Abgasskandal erhebt die Deutsche Umwelthilfe (DUH) Vorwürfe gegen Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt. Nach Auffassung der Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation behindert Herr Dobrindt weiterhin sowohl die Aufklärung wie die Lösung des Diesel-Abgasskandals und setzt seine konspirative Kooperation mit den Autokonzernen zum Schaden der Bürger fort.

„Seit fünf Monaten kennt die Bundesregierung die alarmierenden Stickoxid-Werte bei den getesteten Dieselfahrzeugen, ohne diese zu veröffentlichen. In dieser Zeit haben viele hunderttausend Bürger im Vertrauen auf die Behörden vermeintlich saubere Euro-6 Diesel-Pkw gekauft, die sich jetzt als Dreck- und Giftschleudern herausstellen. Wenn Opel bereits bei plus 17 Grad und Mercedes-Benz bei zehn Grad Außentemperatur rechtswidrig die Abgasreinigung weitgehend einstellen, dann muss die Bundesregierung handeln und die betroffenen Fahrzeuge stilllegen oder einen amtlichen Rückruf zur Reparatur anordnen. Doch mehr als einen freiwilligen Rückruf kann und will diese Bundesregierung offensichtlich gegenüber den Autokonzernen nicht durchsetzen“, so Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH.

„Wer eine rote Ampel überfährt, muss mit einem Monat Fahrverbot rechnen. Wer aber wie Dieter Zetsche von Daimler und Herr Neumann von Opel seinen Kunden Autos ohne funktionierende Abgasreinigung verkauft und für jährlich mehrere tausend vorzeitige Todesfälle verantwortlich ist, darf Art und Umfang seines Rückrufs selbst definieren. Die Folgen sind für die betroffenen Autobesitzer verheerend. Da die Bundesregierung diese Praktiken als ’noch legal‘ akzeptiert, muss jeder Autohalter in individuellen Klagen seine Ansprüche gegen den Hersteller oder Händler durchsetzen“, so Resch weiter.

Schwere Vorwürfe erhebt die DUH auch bezüglich der Rückrufe bei Volkswagen. Während in den USA und selbst in Korea Volkswagen, Audi beziehungsweise Porsche nachweisen müssen, dass durch die Nachrüstung die Abgasreinigung auf der Straße uneingeschränkt funktioniert, verzichtet Minister Dobrindt und das ihm unterstellte KBA absurderweise gerade hierauf. Beim ersten nachgerüsteten VW Fahrzeug sind nach dem Softwareupdate sogar die viel zu hohen NOx-Emissionen nochmals leicht gestiegen.

„Die DUH fordert ein Ende des Schmusekurses und eine harte und konsequente Durchsetzung des geltenden Rechts. Die Zulassungsverordnung kennt den Begriff ‚Thermofenster‘ nicht. Vielmehr verbietet sie ausdrücklich und an erster Stelle Abschalteinrichtungen, die bei bestimmten Temperaturen aktiviert werden. Die Autokonzerne müssen verpflichtet werden, ihre zur Verpestung der innerstädtischen Luft beitragenden Euro 5 und Euro 6 Diesel-Pkw so nachzurüsten, dass sie auf der Straße die Dieselabgase immer zu über 90 Prozent herausfiltern. Fahrzeuge, die nicht nachrüstbar sind, müssen wie in den USA zurückgekauft und verschrottet werden. Alle Kosten für Nachrüstung, Rückkauf und Kompensation des Schadens müssen die Hersteller tragen“, so Resch.

Mit Bekanntwerden des Volkswagen-Betrugs in den USA im September 2015 intensivierte die DUH ihre eigenen Abgasmessungen und die Auswertungen vorliegender Gutachten. Als einzige Prüfstelle sucht sie gezielt nach klaren Indizien für Abschalteinrichtungen (defeat devices) und veröffentlicht diese jeweils umgehend gemeinsam mit den gefundenen – in jedem Einzelfall erschreckend hohen – Stickoxid-Emissionen. Gleichzeitig stellte sie die Daten den deutschen, europäischen und amerikanischen Behörden zur Verfügung. In den vergangenen sieben Monaten hat das Bundesverkehrsministerium jeden einzelnen Gesprächswunsch, in mehreren Fällen verbunden mit dem dringenden Angebot, vertrauliche Whistleblower-Informationen zu übermitteln, abgelehnt oder ignoriert. Die DUH wurde bei ihren Messungen zudem aktiv behindert. In zwei Fällen benötigte sie beim KBA vorliegende, öffentliche Daten zur Einstellung des Rollenprüfstands für Abgastests, zu deren zeitnahen Überlassung sich diese Behörde nicht in der Lage sah. Nur durch eine Amtshilfe jeweils durch Schweizer Behörden gelang es, jeweils binnen Minuten diese Angaben zu erhalten, um dann die Prüfungen durchführen zu können. Kooperativ zeigt sich auch die amerikanische Umweltbehörde EPA, mit der auch Arbeitsgespräche möglich und behördlicherseits erwünscht sind.

Hintergrund:
Die DUH hat bereits 2008 gegen den aktiven Widerstand der Bundesregierung auf dem Klageweg dem Umweltministerium vorliegende Gutachten über unwirksame Dieselrußfilter öffentlich gemacht und einen halbherzigen Teilrückruf durch das KBA erreicht. Seit Herbst 2007 weist sie auf die zunehmenden Abweichungen bei Abgas- und CO2-Emissionen und die seit spätestens 2009 rechtswidrige Nichtkontrolle durch das Kraftfahrtbundesamt hin.

Bereits 2011 veröffentlichte sie eigene Tests mit 34-fachen Überschreitungen von Stickoxid-Emissionen bei einem 1-er BMW und informierte im Februar 2011 das Bundesverkehrsministerium in einem offiziellen Besprechungstermin über Prüfergebnisse am VW Betrugsmotor der 189er Baureihe, eingebaut in einem VW Passat.

Im September 2015, zwei Tage vor dem Bekanntwerden des Diesel-Abgasskandals in den USA veröffentlichte die DUH erstmals Zahlen zu den vielfachen Überschreitungen der größten europäischen Autobauer. Heute, sieben Monate später, haben sich die Zahlen und die Abschalteinrichtungen als wahr bestätigt. Leider aber auch die konsistente Haltung der Bundesregierung, in den USA als rechtswidrig angesehene Manipulationen der Abgasreinigung z. B. bei niedrigen Außentemperaturen als legal zu betrachten.

Quelle

Deutsche Umwelthilfe 2016

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