Elektrofahrzeuge können in der EU über 100 Milliarden Euro in zehn Jahren für Energieversorger und Autofahrende einsparen
Aber es braucht kohärente Rahmenbedingungen für bidirektionales Laden, damit das Potential ausgeschöpft werden kann.
Durch den Einsatz von Elektrofahrzeugen zur Energiespeicherung und Rückspeisung in das Stromnetz könnten Europas Energieversorger und Autofahrende bald Milliarden Euro pro Jahr einsparen, so eine neue Transport & Environment (T&E)-Studie. Elektrofahrzeuge, die mit einer bidirektionalen Lademöglichkeit ausgestattet sind, können wie „Batterien auf Rädern“ fungieren, die in Zeiten eines Überangebots Strom aufnehmen und bei höherer Nachfrage wieder abgeben. Ohne Rahmenbedingungen, die das bidirektionale Laden ermöglichen und fördern, kann ihr Potenzial jedoch nicht voll ausgeschöpft werden.
Die so genannte Vehicle-to-Grid-Technologie (V2G) kann das deutsche Energiesystem bis 2040 jährlich um 8,4 Milliarden Euro entlasten, so der Bericht der Forschungsinstitute Fraunhofer ISI und ISE für T&E. EU-weit würde sich die Einsparung auf 22 Milliarden Euro pro Jahr belaufen, was einer Senkung der Kosten für Bau und Betrieb des EU-Energiesystems um 8 Prozent entspräche. Dies könnte zwischen 2030 und 2040 zu Einsparungen von mehr als 100 Milliarden Euro führen.
Einbindung erneuerbarer Energien
Die massiven potenziellen Kostensenkungen sind darauf zurückzuführen, dass bidirektional ladende Elektrofahrzeuge dazu beitragen, die Energiewende mit immer mehr Strom aus erneuerbaren Energiequellen zu erleichtern. Dies gilt insbesondere für Sonnenenergie. So kann der Bedarf an stationären Batteriespeichern in der EU bis 2040 um bis zu 92 Prozent reduziert werden. EU-weit könnte die installierte PV Leistung durch V2G um 40 Prozent steigen. Bis dahin könnte die deutsche Elektrofahrzeugflotte durch Rückspeisung bis zu 6 Prozent des jährlichen Strombedarfs der EU decken. So könnten Elektrofahrzeuge zu einem relevanten ‘Stromlieferanten’ werden und den Bedarf an zusätzlichen Erzeugungskapazitäten verringern.
Kim Kohlmeyer sagt: „Elektrofahrzeuge dekarbonisieren den Straßenverkehr, aber sie haben noch weitere Vorteile für unsere Wirtschaft und unser Energiesystem, die es zu realisieren gilt. Das bidirektionale Laden wird uns kostenlos Batterien auf Rädern zur Verfügung stellen. Das reduziert auch den Druck, Energiespeicher für überschüssigen Wind- und Solarstrom zu bauen.”
Stromrechnung und Batterielebensdauer
Da Elektrofahrzeuge überschüssigen, günstigen Strom oder Solarenergie von zu Hause beziehen können, könnten deutsche Elektrofahrzeug-Besitzer durch bidirektionales Laden bis zu 45 Prozent ihrer jährlichen Stromrechnung einsparen. Das entspricht einer Ersparnis von bis zu 727 Euro pro Jahr, abhängig von Faktoren wie dem Standort des Fahrzeugs, der Größe der Fahrzeugbatterie und der Frage, ob das Haus über eine Solaranlage verfügt oder nicht. Bidirektionale Heimladesäulen werden langfristig lediglich 100 Euro mehr als konventionelle Wallboxen kosten.
Bidirektionales Laden kann auch die Lebensdauer von Elektrofahrzeug-Batterien verlängern – entgegen der weit verbreiteten Befürchtung, dass die Zellen durch regelmäßiges Laden und Entladen geschädigt werden. Der Analyse zufolge könnte die Lebensdauer der Batterien um bis zu 9 Prozent länger sein als bei herkömmlichem Ladeverhalten, da das Fahrzeug in einem optimalen Ladezustand gehalten wird.
Herausforderungen
Europa und Deutschland können von den Vorteilen der V2G-Technologie fast kostenlos profitieren, da die Kosten für bidirektionale Onboard-Ladegeräte und Wallboxen innerhalb weniger Monate durch niedrigere Stromrechnungen ausgeglichen werden würden. Dafür ist jedoch eine abgestimmte und zukunftsgerichtete Ausgestaltung des gesetzlichen Rahmens notwendig. Problematisch ist zum Beispiel, dass die Automobilindustrie derzeit auf verschiedene technische Ansätze setzt, was die Interoperabilität langfristig erheblich erschweren könnte. Die von Wirtschaftsminister Robert Habeck initiierte und kürzlich erfolgreich abgeschlossene Coalition of the Willing ist dafür ein erster wichtiger Schritt. Nun muss es jedoch um die schnelle Umsetzung gehen.
Kim Kohlmeyer sagt: „V2G kann sich nur durchsetzen, wenn die Rahmenbedingungen es erlauben. Der Gesetzgeber kann das Potenzial dieser Technologie freisetzen, indem er nun schnell Umsetzungshürden für bidirektionales Laden abbaut. Das wäre ein Gewinn für die Verbraucher und die Umwelt und ein Fortschritt bei der Verwirklichung der Klimaziele.