Ökodiesel aus Wasser und CO2
Kohlendioxid und Wasser – mehr ist nicht nötig, um einen beinahe klimaneutralen Treibstoff für Autos zu erzeugen.
Audi erprobt ihn gerade. Wirklich umweltfreundlich ist er jedoch nur, wenn der zur Herstellung benötigte Strom aus grünen Quellen stammt. Seit April produziert eine Forschungsanlage in Dresden die ersten Mengen Öko-Diesel für den Automobilhersteller Audi. Das Dresdner Energietechnikunternehmen sunfire ist Betreiber der Anlage. Sie arbeitet nach dem Power‑to‑Liquid-Prinzip (PtL) und nutzt Ökostrom, um einen flüssigen Energieträger herzustellen. Als Rohstoffe benötigt sie lediglich Wasser und Kohlendioxid. Das verwendete CO2 liefert derzeit eine Biogasanlage. Zusätzlich soll demnächst ein Teil des CO2 per Direct‑Air‑Capturing – einer Technologie von Climeworks aus Zürich – aus der Umgebungsluft gewonnen werden.
Die Produktion erfolgt schrittweise: Zunächst spaltet eine Hochtemperatur-Elektrolyse das zu Dampf erhitzte Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff. Dieses Verfahren, bei dem die Temperatur mehr als 800 Grad Celsius beträgt, ist unter anderem durch Wärmerückgewinnung effizienter als konventionelle Techniken. Eine weitere Besonderheit der Hochtemperaturelektrolyse: Sie kann dynamisch betrieben werden und damit die Stromnetze bei Ökostrom-Spitzen stabilisieren. Wirklich umweltfreundlich ist der gesamte Prozess allerdings nur dann, wenn der dafür benötigte Strom aus regenerativen Quellen stammt.
In zwei weiteren Arbeitsschritten reagiert der Wasserstoff in Synthesereaktoren, erneut unter Druck und Temperatur, mit dem CO2. Das Resultat ist eine aus langkettigen Kohlenwasserstoffverbindungen bestehende Flüssigkeit, das so genannte Blue Crude. Der Wirkungsgrad des Gesamtprozesses – vom erneuerbaren Strom bis zum flüssigen Kohlenwasserstoff – ist mit etwa 70 Prozent sehr hoch. Ähnlich wie fossiles Rohöl lässt sich Blue Crude in einem Raffinerieprozess veredeln – zum Endprodukt Audi e‑diesel. Dieser synthetische Kraftstoff ist frei von Schwefel und Aromaten, seine hohe Cetanzahl macht ihn sehr zündwillig. Wie Labortests von Audi ergeben haben, eignet er sich als Beimischung zu fossilem Diesel oder aller Voraussicht nach auch als alleiniger Kraftstoff.
Reiner Mangold, Leiter nachhaltige Produktentwicklung bei Audi, erklärte, mit dem Ökodiesel bringe das Unternehmen einen Kraftstoff aus CO2 für eine nahezu klimaneutrale Langstreckenmobilität auf den Weg. Die Nutzung von CO2 als Rohstoff sei nicht nur eine Chance für die Automobilindustrie in Deutschland, sondern lasse sich auch auf andere Branchen und Länder übertragen. Im Juli 2013 erfolgte der erste Spatenstich für die Anlage in Dresden‑Reick, am 14. November 2014 die Inbetriebnahme. In den kommenden Monaten soll die Anlage mehr als 3.000 Liter für Audi herstellen.