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Reflektierende weiße Straßenbeläge können den Fußgängern einheizen

Städte haben wegen der vielen versiegelten Flächen, die Wärme speichern, ein Mikroklima, sie sind Wärmeinseln im Vergleich zum Umland.

Um die Temperaturen in den urbanen Wärmeinseln zu senken, kann man Straßen und Dächer weiß anstreichen, um das Sonnenlicht zu reflektieren, aber es gibt eine bislang nicht beachtete Nebenwirkung.

Die Unterschiede in einer Höhe bis zu zwei Metern können bis zu 10 Grad Celsius wie in Peking betragen, was bei zunehmender Klimaerwärmung zu gesundheitlichen Problemen führen wird oder bereits geführt hat. Nachts wird die Wärme wieder abgegeben und verhindert damit eine Abkühlung. Das ist nicht nur die Folge davon, dass es weniger Grün gibt oder Gebäude Luftschneisen sperren, sondern dass die versiegelten Flächen aus Materialien mit unterschiedlichen thermischen Eigenschaften bestehen, die schon aufgrund ihrer dunklen Farbe wie Dächer oder Asphalt mehr Wärme aufnehmen als Vegetation und sie vor allem in der Höhe von 2m abstrahlen, in der sich die Menschen aufhalten.

Auf der Hand liegt, dass die Temperaturen in den Wohngegenden der Reicheren meist niedriger sind als in denen der Ärmeren. Die Reicheren wohnen gerne in Vierteln mit vielen Einzelhäusern, Gärten und Parks, in den ärmeren Vierteln ist meist die Bebauung dichter und es gibt weniger Bäume oder Gärten, so dass es hier nicht nur wärmer wird, sondern es auch während der Nacht weniger abkühlt. Der Umgang mit dem Stadtklima ist also auch ein soziales Thema.

Neue Untersuchung ergibt nur geringen kühlenden Effekt
Abhilfe könnten Dächer, Fassaden oder Straßenbelag schaffen, die das Sonnenlicht ähnlich wie Schnee oder Eis reflektieren. Man könnte sie einfach weiß anstatt grau oder rot machen, was das Albedo erhöhen würde, oder Dächer und Fassaden begrünen. Die Straßen könnten wie früher aus Kopfsteinpflaster bestehen, wodurch die zumindest Regenwasser aufnehmen könnten. Oder man überzieht Straßen und Plätze mit weißer Farbe oder einem Belag, der Sonnenlicht reflektiert.

Klingt erst einmal einleuchtend und wirkungsvoll, auch wenn Reduzierung der Lufttemperatur in der Höhe von zwei Metern über dem Boden nur geringfügig zu sein scheint, nämlich zwischen 0,5 bis 1 Grad, wenn alle urbanen Oberflächen Sonnenlicht reflektieren, wie Stadtklimaforscherin Ariane Middel mit Kollegen von der Arizona State University in Tempe für einen Vorort von Phoenix anhand von meteorologischen Messungen mit einem numerische Strömungsmechanik berechnet haben. Hier sind 19 Prozent der Fläche Straßen und 15 Prozent Gebäude, meist Einfamilienhäuser. Das ist nicht typisch für Innenstädte, daher kamen andere Wissenschaftler auf deutlich höhere Kühleffekte bis zu 5 Grad. Auch eine weiße Stadt ist mit ihren Gebäuden und Straßen- und Platzflächen eben versiegelt und nicht grün, was sich nur durch Begrünung der Dächer und Fassaden und Rückbau der versiegelten Flächen ändern würde.

Reflektierte Wärme wird von Menschen absorbiert
Middel hat zusammen mit der Stadtplanerin V. Kelly Turner (UCLA) zudem eine Nebenwirkung bei Messungen von unbeschatteten Straßen mit normalem und reflektierendem Asphalt in Pacoima und Sun Valley festgestellt, wie CityLab berichtet. Gemessen wurden an einem Tag im Sommer vom Morgen bis zum Abend Lufttemperatur, Luftfeuchtigkeit, Windgeschwindigkeit und Strahlung. Zwar wird durch einen reflektierenden Asphalt wie CoolSeal die Stadttemperatur gesenkt, aber dafür erfahren die Menschen, die sich auf den scheinbar kühleren versiegelten Flächen bewegen, keine kühlere Umgebung, sondern für sie wird es wärmer, weil sie die reflektierte Wärme absorbieren. Das spielt zwar insgesamt keine große Rolle, macht aber das Leben in der Stadt ein Stück weit weniger vergnüglich.

Die mittlere Strahlungstemperatur, mit der die Behaglichkeit des Menschen in einer Umgebung aufgrund der von Oberflächen ausgehenden Wärme/Hitze gemessen wird, war mittags an dem sonnigen Tag über dem kühlen Straßenbelag um 7 Grad höher. Später am Tag ging die Temperatur herunter, aber auch Nachmittag fühlten sich die Straßen um 3 Grad wärmer an. Normalerweise nimmt der Asphalt die Wärme auf und gibt sie langsam in die Luft ab, bei dem reflektierenden Straßenbelag wird die Wärme mit einer durchschnittlichen Rate von 130 Watt pro Quadratmeter abgestrahlt. Das sei vergleichbar mit einer 10 Prozent höheren Sonnenstrahlung.

Viele Faktoren spielen hier herein, so dass sich die Beobachtung nicht verallgemeinern lässt, aber klar ist doch, dass auch solche reflektierenden Oberflächen, die klimatisch positiv sind und den UTI-Effekt mindern, für die Bewohner, die auf den Straßen unterwegs sind, nicht nur ungemütlich, sondern auch gesundheitsgefährdend sein können. Dazu kommt, dass es rassistische Folgen haben könnte, denn Menschen mit dunklerer Haut würden mehr Wärme absorbieren. Dass es besser wäre, helle Kleidung zu tragen als dunkle, ist nebensächlich.

Was bei Straßen negative Auswirkungen auf Menschen haben kann, die sich im öffentlichen Raum aufhalten und zu Fuß oder auf dem Fahrrad bewegen, was man ja will, ist bei reflektierenden Dächern, sofern es sich nicht um Dachterrassen handelt, natürlich anders. Allerdings könnte das für die Stadt weniger werbewirksam sein, und ob dies die Hausbesitzer machen, wenn es keine Fördermaßnahmen gibt, ist fraglich bzw. eher unwahrscheinlich. Um das Mikroklima einer Stadt zu verändern, müsste dies auf jeden Fall großflächig geschehen.

Was könnte man machen? Man könnte den Straßenraum begrenzen und durch Grünflächen ersetzen oder einfach mehr Bäume, auch auf Kosten von Parkplätzen oder Fahrstreifen, pflanzen. Letzteres würde eigentlich reflektierenden Asphalt überflüssig machen, allerdings braucht es seine Zeit und Pflege, bis die Bäume groß genug sind, um ausreichend Schatten zu spenden.

Straßen mit einem reflektierenden Anstrich zu überziehen, ist wahrscheinlich politisch interessanter, weil die Effekte der Maßnahme kurzfristiger sichtbar sind, wie das etwa in Los Angeles mit dem Programm „Cool LA Neighborhoods“ geschieht. Dabei werden die Straßen mit CoolSeal überzogen, was 40.000 US-Dollar die Meile kostet und sieben Jahre lang hält. Das Straßennetz ist 35.000 km lang und umfasst über 500 Quadratkilometer an Parkfläche. Allerdings gab es im Frühjahr auch einen „Tree Summit“, auf dem diskutiert wurde, wie sich mehr Bäume pflanzen ließen. Langfristig wäre das wohl nicht nur günstiger, sondern es würde das Stadtklima auch nachhaltiger verbessern und nicht nur die Temperatur senken.

Quelle

Der Bericht wurde von der Redaktion „TELEPOLIS“ (Florian Rötzer) 2019 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung von Florian Rötzer 2019 weiterverbreitet werden! 

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