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VW-Abgasmanipulation: Verbraucheransprüche bleiben auf der Strecke

Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) fordert Bundesregierung zum Handeln auf.

  • Der VW-Konzern muss eine freiwillige Garantieerklärung aussprechen, damit Verbraucherinnen und Verbraucher nicht auf Schäden oder Wertverlusten sitzen bleiben.
  • Die Bundesregierung muss die Automobilindustrie in die Pflicht nehmen, damit Verbraucher sich auf Herstellerangaben verlassen können.
  • vzbv fordert, eine Schlichtungsstelle für Neuwagenkäufe einzurichten.

Anlässlich der Hauptversammlung der Volkswagen AG am Mittwoch, den 22. Juni 2016, zieht der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) Zwischenbilanz: Wo stehen die  durch Abgasmanipulationen getäuschten Kunden? „Seit einem Dreivierteljahr warten die betroffenen Verbraucher vergebens auf eine Garantieerklärung des VW-Konzerns, für alle durch Manipulation entstandenen Schäden und Wertverluste aufzukommen“, so Klaus Müller, Vorstand des vzbv. 

Mit Hilfe einer Schummelsoftware wurden bei Dieselmotoren der reale Stickoxidausstoß verschleiert und Abgastests manipuliert. Von VW und der Politik im Stich gelassen, müssen geschädigte Verbraucher in Deutschland einzeln die Gerichte anrufen, um ihre Rechte einzufordern – bisher nur in einem Fall mit Erfolg. Das Gewährleistungsrecht in seiner aktuellen Fassung gestaltet es für Betroffene schwierig, Ansprüche geltend zu machen.

„Schummeln und betrügen – das geht gar nicht. Viele Verbraucher haben bestimmte Wagen in dem Glauben gekauft, sie seien besonders schadstoffarm. Sie haben seit Monaten das Nachsehen. Angekündigte Nachbesserungen kommen nur schleppend in Gang. Ob sie wirklich die Probleme beheben, ist nicht immer eindeutig nachvollziehbar“, so Klaus Müller. 

Bundesregierung muss endlich handeln

Die Bundesregierung sei gefragt, endlich und noch in dieser Legislaturperiode ihre Versprechen umzusetzen: Sie hatte unter anderem angekündigt, eine Schlichtungsstelle für Neuwagenkäufe einzurichten, Verbraucherschutz als Aufsichtsziel im Kraftfahrt-Bundesamt zu verankern sowie unaufgeforderte Abgastest an zufällig ausgewählten Fahrzeugen durchzuführen. Für mehr Wahrheit und Klarheit auf dem Automarkt müssten schnellstmöglich realistische Tests eingeführt werden und eine funktionierende unabhängige Marktüberwachung durch eine geeignete Behörde gewährleistet sein. Der vzbv fordert, endlich Fakten zu schaffen, damit Verbraucher nicht auf Schäden sitzen bleiben.


Antworten auf die wichtigsten Fragen zum VW-Skandal

Was ist die Ursache des Abgas-Skandals bei VW?

Die US-amerikanische Umweltbehörde EPA (Environmental Protection Agency) veröffentlichte im September 2015 Untersuchungsergebnisse, nach denen die Abgasreinigung bei verschiedenen VW-Dieselmodellen nicht vorschriftsmäßig funktionierte. In den betroffenen VW-Fahrzeugen erkennt eine spezielle Software in der Motorsteuerung, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand oder auf der Straße befindet. So wird bei den offiziellen Prüfverfahren im Labor der Ausstoß des gesundheitsgefährdenden Stickoxids wirksam reduziert, während im Realbetrieb auf der Straße die Abgasreinigung mit Hilfe einer Abschaltautomatik runtergeregelt wurde. Auf diese Weise liegt der Stickoxidausstoß außerhalb des Labors teilweise um mehr als das zwanzigfache über den zulässigen Grenzwerten.

In Folge der Ermittlungen in den USA gab der VW-Konzern zu, auch in Europa Fahrzeuge mit manipulierter Software verkauft zu haben. Weltweit sind damit rund elf Millionen Autos des Automobilkonzerns betroffen. Dies schließt neben Fahrzeugen der Marke Volkswagen auch Modelle von Audi, Seat und Skoda mit ein.

Durch verschiedene Untersuchungen, zum Beispiel des Kraftfahrtbundesamtes (KBA), wurden mittlerweile auch bei anderen Herstellern deutlich höhere Stickoxidemissionen auf der Straße nachgewiesen. Im Gegensatz zu Volkswagen hat keiner der betroffenen Hersteller bisher einen Betrug zugegeben. Die herstellerübergreifenden Auffälligkeiten bei Dieselfahrzeugen haben sich zu einem Problem der gesamten Autoindustrie entwickelt.

Was hat Volkswagen den Verbrauchern versprochen und was wurde bereits eingelöst?

Der Volkswagen-Konzern hat neben dem Versprechen der Aufklärung einen Zeitplan vorgelegt, wann und mit welchem Aufwand die betroffenen Fahrzeuge wieder in einen rechtmäßigen Zustand gebracht werden sollen. Die Halter der entsprechenden Fahrzeuge sollten angeschrieben und individuell darüber informiert werden, wann sie an der Reihe sind. Zudem haben die verschiedenen Marken innerhalb des VW-Konzerns eigene Online-Plattformen frei geschaltet, mit deren Hilfe Fahrzeugbesitzer überprüfen konnten, ob ihr Auto betroffen ist. Der Zeitplan konnte nicht eingehalten werden. Dies lag unter anderem an technischen Problemen bei der Nachbesserung der Fahrzeuge und einer deshalb nicht erteilten Freigabe der Maßnahmen durch das KBA. 

VW hat bei der Wahrung der Verbraucherrechte seit Beginn des Skandals eine klare Unterscheidung zwischen europäischen und US-amerikanischen Kunden getroffen. Aufgrund der unterschiedlichen Rechtssysteme, u.a. der Möglichkeit zu Sammelklagen und drakonischer Strafen seitens der US-Regierung, ist VW den US-Kunden deutlich stärker entgegengekommen. So hat der Automobilkonzern US-amerikanischen VW-Besitzern zum Beispiel ein Goodwill-Package unter anderem mit einer Entschädigung in Höhe von 1.000 US-Dollar angeboten. Volkswagen lehnt ein vergleichbares Angebot für seine europäischen Kunden nach wie vor ab.

Was hat die Politik zur Klärung beigetragen?

Obwohl bereits seit vielen Jahren Probleme beim Stickoxidausstoß von Dieselfahrzeugen bekannt sind, ist die Bundesregierung erst nach der Intervention der Behörden in den USA aktiv geworden. Die von VW verwendete Betrugssoftware wurde als eine unzulässige Abschalteinrichtung definiert und ein verpflichtender Rückruf der betroffenen Fahrzeuge beschlossen. Im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums wurde eine Untersuchungskommission gegründet, das KBA wurde mit weiteren Abgasmessungen beauftragt.

Die in Folge des VW-Skandals auch bei anderen Herstellern auftretenden Unregelmäßigkeiten bei der Abgasreinigung veranlasste das Bundesverkehrsministerium zu Untersuchungen von mehr als 50 Fahrzeugen unterschiedlicher Hersteller. Die Ergebnisse wurden jedoch erst nach großem öffentlichem Druck veröffentlicht, in Folge dessen wurden rund 630.000 Autos verschiedener Hersteller einem freiwilligen Rückruf unterzogen wurden. Der im Zuge der Untersuchung ebenfalls gemessene CO2-Ausstoß der Fahrzeuge im Straßenbetrieb wurde durch die Bundesregierung bisher nicht veröffentlicht.  

Die Bundesregierung vertritt nach Ansicht des vzbv insbesondere auf europäischer Ebene nach wie vor in starkem Maße die Interessen der Automobilindustrie. Ein politisches Signal des Bundesverkehrsministers, Verbraucherschutz auf dem Automarkt zu stärken und die Verbraucherinteressen bei der Aufklärung des Abgas-Skandals in den Vordergrund zu stellen, steht weiterhin aus.

Wo muss die Politik handeln?

Ein deutliches Signal aus der Bundesregierung an den Volkswagen-Konzern ist nötig, um sicherzustellen, dass geschädigte Verbraucher von finanziellen Nachteilen freigestellt werden und etwaiger Mehrverbrauch oder Wertverlust kompensiert wird. 

Verbraucher brauchen eine Anlaufstelle, wenn es Ärger beim Autokauf gibt. Deshalb muss der Bundesverbraucherminister seine Ankündigung wahrmachen und eine unabhängige Verbraucherschlichtungsstelle, die Beschwerden von Kunden im Zusammenhang mit Neuwagenkäufen, aber auch anderen Beschwerden im Kfz-Bereich schlichtet, initiieren. 

Der VW Abgas-Skandal hat deutlich gemacht, dass das Klagerecht und das Gewährleistungsrecht fortentwickelt werden muss, damit betroffene Verbraucher ihre Rechte gegenüber Händlern und Herstellern durchsetzen können. 

Das KBA muss als zuständige Zulassungs- und Kontrollbehörde für Pkw seine Zielbestimmung um Verbraucherschutz erweitern und ein Beschwerderecht für Verbraucherverbände sowie einen Verbraucherbeirat einrichten. Die vollständige Unabhängigkeit der technischen Prüfdienste von Autoherstellern und Zulieferern sowie eine unabhängige Marktüberwachung müssen durch eine geeignete Behörde gewährleistet sein.

Der Typgenehmigungsprozess muss transparenter werden und auch Aspekte der Datensicherheit und des Datenschutzes berücksichtigen. Verstöße gegen Herstellerangaben müssen wirksam sanktioniert, die offiziellen Angaben korrigiert und Verbraucher gegebenenfalls entschädigt werden. Rückrufprozesse müssen transparenter gestaltet werden, um betroffene Fahrzeugbesitzer besser zu informieren.

Quelle

Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) 2016

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