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© unsplash.com | zion-c | „Der Einsatz von Atomwaffen war nach den damals bereits existierenden und anerkannten Normen des Völkerrechts, speziell des Kriegsvölkerrechts, illegal“, erklärt Amela Skiljan, Co-Vorsitzende von IALANA Deutschland.

80 Jahre Hiroshima und Nagasaki: Atomwaffeneinsätze waren völkerrechtswidrig

Anlässlich des 80. Jahrestages der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki am 6. und 9. August 1945 bekräftigt die deutsche Sektion der Internationalen Juristinnen und Juristen gegen Atomwaffen (IALANA), dass der Einsatz von Atomwaffengegenganze Städte Japans bereits zum damaligen Zeitpunkt eine eklatante Verletzung des geltenden Völkerrechts darstellte.

„Die Zerstörung von Hiroshima und Nagasaki wird oft als schrecklicher, aber notwendiger Schlusspunkt des Zweiten Weltkriegs dargestellt. Diese Erzählung ignoriert eine entscheidende Tatsache: Der Einsatz von Atomwaffen war nach den damals bereits existierenden und anerkannten Normen des Völkerrechts, speziell des Kriegsvölkerrechts, illegal“, erklärt Amela Skiljan, Co-Vorsitzende von IALANA Deutschland. „Es handelte sich nicht um eine rechtliche Grauzone, sondern um einen klaren Bruch mit den fundamentalen Prinzipien der geregelten Kriegsführung.“

Schon lange vor 1945 hatte die internationale Gemeinschaft in Verträgen und im Völkergewohnheitsrecht klare Grenzen für die Wahl der Kriegsmittel statuiert. In der Petersburger Erklärung von 1868 einigten sich die europäischen Staaten dahingehend, dass der Einsatz von Waffen, die unnötiges Leid verursachen, verboten ist. Dieser Grundsatz wurde in weiteren völkerrechtlichen Verträgen ausgeweitet und so zu Völkergewohnheitsrecht. Dazu zählt die Haager Landkriegsordnung (1899, ergänzt 1907). Sie hältin Artikel 22 fest, dass die Kriegsparteien „kein unbeschränktes Recht in der Wahl der Mittel zur Schädigung des Feindes“ haben. Artikel 25 verbietet den Angriff auf unverteidigte Städte, und Artikel 27 fordert den Schutz von zivilen und medizinischen Einrichtungen. Der Einsatz einer Waffe, die ganze Städte auslöscht und Generationen schädigt, ist mit diesen Prinzipien unvereinbar.

Der gewohnheitsrechtlich gültige Entwurf zum Luftkriegsrecht von 1922 bestimmt in Artikel 22: Luftbombardement zum Zwecke der Terrorisierung der Zivilbevölkerung, der Zerstörung oder Beschädigung privaten Eigentums, das nichtmilitärischen Charakter trägt, oder der Verletzung von Nichtkombattanten ist verboten.

Auch weitere völkerrechtliche Verträge, die 1945 schon galten, untermauern die Rechtswidrigkeit der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki. Die Genfer Abkommen von 1864, 1906 und 1929 etablierten den allgemeinen Schutz von Kriegsopfern und Kampfunfähigen. Das Genfer Giftgasprotokoll von 1925, das den Einsatz von chemischen und bakteriologischen Waffen verbietet, dient als wichtiger Vergleichsmaßstab: Die Wirkung der radioaktiven Strahlung ist in ihrer Grausamkeit und Langfristigkeit mit der von Giftgas nicht nur vergleichbar, sondern sogar gravierender.

Im wegweisenden Shimoda-Urteil vom 7.Dezember 1963 kam auch das Landgericht Tokio zu dem Schluss, dass die Bombardierung von Hiroshima und Nagasaki nach den damals geltenden Regeln der Luftkriegsführung eindeutig völkerrechtswidrig war.

Ein bis heute nicht geahndetes Kriegsverbrechen

Am 8. August 1945 – zwei Tage nach Hiroshima und einen Tag vor dem Abwurf der Atombombe auf Nagasaki – unterzeichneten die Alliierten das Londoner Statut für den Internationalen Militärgerichtshof (IMT). Dieses Statut definierte Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, für die deutsche und japanische Führungspersonen in Nürnberg und Tokio zur Verantwortung gezogen wurden. In Artikel 6 werden unter Kriegsverbrechen, also der Verletzung der Kriegsgesetze oder -gebräuche, u.a. aufgeführt: „die mutwillige Zerstörung von Städten, Märkten oder Dörfern oder jede durch militärische Notwendigkeit nicht gerechtfertigte Verwüstung“. Die in Nürnberg etablierten Prinzipien gelten als universelles Gewohnheitsrecht und hätten auch auf die Verantwortlichen für die Atombombenabwürfe Anwendung finden müssen. Wie der amerikanische Chefankläger Robert H. Jackson zu Beginn des Nürnberger Prozesses feststellte: „Wir dürfen nie vergessen, dass der Maßstab, nachdem wir diese Angeklagten beurteilen, der Maßstab ist, nachdem die Geschichte uns morgen beurteilen wird.“

Die weitere Entwicklung des Völkerrechts nach 1945 hat diese Einschätzung nur verfestigt. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat in einer Reihe von Resolutionen, insbesondere der Resolution 1653 (XVI) von 1961, den Einsatz von Atomwaffen als „Verbrechen gegen die Menschheit und die Zivilisation“ und als Verletzung der UN-Charta bezeichnet. Das Gutachten des Internationalen Gerichtshofs (IGH) von 1996 hat bestätigt, dass nicht nur der Einsatz, sondern bereits die Androhung des Einsatzes von Atomwaffen grundsätzlich völkerrechtswidrig ist. Die erwartbaren schrecklichen globalen Wirkungen auch eines begrenzten Einsatzes von Atomwaffen haben 2017 dazu geführt, dass 122 Staaten den Atomwaffenverbotsvertrag beschlossen, um das „Nie wieder Hiroshima und Nagasaki“ zu stärken.

„Die 80 Jahre seit Hiroshima und Nagasaki sind eine Mahnung. Die völkerrechtliche Verurteilung des Einsatzes von Atomwaffen ist heute stärker denn je und schließt auch die menschenrechtliche Dimension mit ein, die 1945 rechtlich noch nicht verankert war“, so Heiner Fechner, Co-Vorsitzender der IALANA Deutschland, abschließend. „Wir fordern die Staatengemeinschaft und speziell die deutsche Bundesregierung auf, sich auf diese rechtlichen und humanitären Grundlagen zu besinnen und den Atomwaffenverbotsvertrag zu unterstützen und umzusetzen. Ein derartiges Verbrechen gegen die Menschlichkeit darf sich niemals wiederholen. Dazu bedarf es konkreter Schritte.“

IALANA Deutschland fordert von der Bundesregierung

  • Hilfe für Opfer von Atombombeneinsätzen
  • die Beendigung der nuklearen Teilhabe, insbesondere die Einstellung des Übungsbetriebs zum Einsatz von Atomwaffen durch das Taktische Jagdbombergeschwader 33 der Bundesluftwaffe, die Beendigung der Lagerung von US-Atomwaffen in Deutschland und die Einstellung der Beteiligung an Atomwaffenübungen
  • die Unterstützung und Ratifizierung des Atomwaffenverbotsvertrags (AVV).

Eine Bewahrung der Menschheit vor der Geißel des Krieges kann es nur ohne Atomwaffen geben.

Quelle

IALANA Deutschland e.V. 2025

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