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© pixelio.de | Lupo | Europa hat einmal mehr die Chance vertan, geschlossen und selbstbewusst aufzutreten.

EU-Klimaziel für 2035: Schlechtes europäisches Klima

Der EU-Rat hat statt eines verbindlichen Klimaziels nur eine Absichtserklärung beschlossen. Ausgerechnet Deutschland setzte sich nicht wirklich für ein ambitioniertes Ziel ein. An den Klimagipfel in Brasilien sendet Europa ein Signal der Unentschlossenheit.

Es ist ein fatales Signal. Ausgerechnet jetzt, da die Europäische Union gebraucht wird wie selten zuvor, um den internationalen Klimaverhandlungen Richtung und Glaubwürdigkeit zu geben, taucht die EU ab.

Die EU-Umweltminister konnten sich nicht auf ein klares CO2-Reduktionsziel für 2035 einigen, das eigentlich als starkes Signal in den bevorstehenden UN-Klimagipfel in Brasilien hätte getragen werden sollen. Auch die Festlegung des Ziels für 2040 wurde kurzerhand vertagt.

Zurück bleibt ein Bild der Uneinigkeit – und der Eindruck, dass die EU, die zuletzt wieder als globaler Vorreiter in Sachen Klimaschutz galt, ihre Ambitionen zurückschraubt.

Dabei wäre genau jetzt Führung gefragt. Nach dem Ausstieg der Trump-USA aus dem Pariser Klimaabkommen und angesichts weltweit – trotz aller Beschlüsse – weiter steigender Treibhausgas-Emissionen schaut die Weltöffentlichkeit auf Europa. Jenes Europa, das in den letzten Jahrzehnten gezeigt hat, wie sich Wachstum und CO2-Einsparung vereinbaren lassen.

Doch statt den eigenen Anspruch zu bestätigen, verharrt die EU im Klein-Klein nationaler Egoismen. Ergebnis: Statt eines verbindlichen Beschlusses gibt es nur eine Absichtserklärung, die einen „CO2-Korridor“ zwischen 66,25 und 72,5 Prozent Emissionsminderung bis 2035 gegenüber dem Basisjahr 1990 skizziert.

Ein Notnagel, mehr nicht, um bei der UN-Generalversammlung nächste Woche nicht ganz ohne Arbeitsprobe dazustehen.

Sollte Merz darauf gezielt haben, wäre das perfide

Besonders peinlich ist, dass ausgerechnet Deutschland, das sich gerne als Vorreiter präsentiert, nicht entschlossen auf ein anspruchsvolles Ergebnis gedrängt hat.

Im Koalitionsvertrag hat die Ampel festgeschrieben, dass sie ein EU-Ziel von minus 90 Prozent bis 2040 unterstützt. Zudem strebt die Bundesrepublik selbst Klimaneutralität bis 2045 an – fünf Jahre früher als die EU insgesamt.

Doch in der Brüsseler Verhandlungsrunde war davon nichts zu spüren, offenbar auf Druck von Kanzler Friedrich Merz (CDU). Bundesumweltminister Carsten Schneider (SPD) blieb zu Hause und schickte seinen Staatssekretär, wohl um der Peinlichkeit zu entgehen.

Nun soll der EU‑Gipfel Ende Oktober das Thema behandeln. Doch das ist ein riskantes Manöver. Denn hier ist Einstimmigkeit gefordert – und die wird sich kaum herstellen lassen. Ungarns Premier Viktor Orbán hat bereits signalisiert, dass er schärfere Klimaziele nicht mitträgt, und auch andere Länder wie Italien stehen auf der Bremse.

Wer die Debatte an den Gipfel der EU-Regierungschefs verlagert, spielt also mit der realen Gefahr, dass Europa am Ende ganz ohne Beschluss dasteht und auch das von der EU-Kommission vorgegebene 2040er Ziel wackelt.

Sollte Merz darauf gezielt haben – wie Kritiker vermuten –, um auch die deutsche Klimapolitik entschärfen zu können, wäre das perfide.

Zwar hofft man im deutschen Umweltministerium, dass noch eine Sondersitzung der EU-Umweltminister vor dem Klimagipfel im November in Brasilien einberufen wird, um ein CO2-Ziel zu fixieren. Sollte das tatsächlich geschehen, ließe sich das angekratzte Image der EU vielleicht ein Stück weit reparieren.

Doch Glanz verbreiten wird das nicht mehr. Denn der Schaden ist längst angerichtet. Europa hat die Chance vertan, geschlossen und selbstbewusst aufzutreten.

Das Ganze ist mehr als nur ein diplomatisches Ärgernis. Es zeigt, wie fragil die EU-Klimapolitik verglichen mit den Zeiten geworden ist, als Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen 2019 den europäischen „Green Deal“ ausrief – und wie sehr nationale Interessen den gemeinsamen Anspruch untergraben.

Es stehen ambitionierte Ziele auf dem Papier, doch sobald es konkret wird, dominiert die Angst vor Widerständen im eigenen Land. Diese Dynamik droht den Green Deal weiter zu entkernen, bevor er seine volle Wirkung entfaltet.

Quelle

Der Bericht wurde von der Redaktion „klimareporter.de“ (Joachim Wille) 2025 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung (post@klimareporter.de) weiterverbreitet werden! 

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