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Welt-Plastik-Gipfel: Plastikmüll-Lösung geschreddert

Die UN-Verhandlungen für ein Abkommen gegen die Plastikflut wurden erneut abgebrochen – wegen einer Blockade der Ölländer. Viele warnen davor, nun einfach weiterzuverhandeln.

Verhandelt wurde im „Palais des Nations“ der UN, einem Konferenzzentrum am Genfer See. Doch die Nationen blieben bei dem Versuch gespalten, endlich ein globales Abkommen zur Eindämmung der Plastikkrise zu verabschieden. Die Sitzung endete chaotisch, wurde abgebrochen und vertagt.

In der Nacht zum Freitag war ein neuer Kompromisstext vorgelegt worden – doch der enthielt nach zehn Tagen intensiver Verhandlungen noch über 100 zu klärende Punkte. Die Delegationsleiter konnten bei einer informellen Sitzung keine Einigung erzielen. 

Wie es mit den Verhandlungen weitergeht, blieb vorerst unklar. Das Bundesumweltministerium forderte weitere Treffen, um doch noch ein Abkommen zu erzielen. 

Seit Dienstag vergangener Woche hatten die Vertreterinnen und Vertreter von 184 Staaten im Rahmen des „Intergovernmental Negotiating Committee“ über das Plastikproblem beraten, gestritten, gefeilscht. Das Ziel: ein völkerrechtlicher Vertrag, der die weltweite Plastikflut eindämmen soll – mit Regelungen von der Rohstoffgewinnung über Produktdesign und Chemikalienzusätze bis hin zur Abfallentsorgung.

Es sollte der Abschluss von Verhandlungen sein, die 2022 begonnen hatten. „Das Fenster, um Plastik bei der Wurzel zu packen, schließt sich“, warnte eine Delegierte des Inselstaats Fidschi zu Beginn des Treffens in Genf. 

Doch am Ende stand kein Durchbruch, sondern ein diplomatisches Debakel. Zwar sprachen sich mehr als 100 Länder – darunter die EU-Staaten, andere Industrieländer wie Großbritannien und Norwegen, aber auch viele Entwicklungsländer und die pazifischen Inselstaaten – für klare Produktionsobergrenzen und ein umfassendes Regelwerk aus.

Doch wichtige Erdöl- und Plastik-Produktionsländer wie Saudi-Arabien, die USA und Russland, aber auch China und Indien lehnten den Ansatz ab. Sie setzten stattdessen auf freiwillige Maßnahmen, Recycling und besseres Abfallmanagement.

„Es geht um die Lebensgrundlagen von Millionen Menschen“ 

Schon am Mittwoch war klar geworden, dass die Positionen der Länder so weit auseinanderlagen wie eh und je. Ein Vertragsentwurf, in dem praktisch alle bindenden Verpflichtungen getilgt waren, wurde von zahlreichen Ländern zurückgewiesen. 

Die Atmosphäre in der Schlussphase war dann geladen. „Wir verhandeln hier nicht nur über Paragrafen, wir verhandeln über die Lebensgrundlage von Millionen Menschen“, sagte eine Vertreterin von Palau in der letzten Nacht. Für die kleinen Inselstaaten, die unter verschmutzten Stränden und steigenden Entsorgungskosten leiden, war das Scheitern ein harter Schlag.

Das Problem bei den Verhandlungen war, wie bei allen vergleichbaren UN-Gipfeln, dass Entscheidungen nur im Konsens getroffen werden können. „Über 100 Länder wollen Fortschritt, und wir werden blockiert“, kritisierte Dänemarks Umweltminister Magnus Heunicke

Umweltorganisationen wie Greenpeace oder WWF bezeichneten den zuletzt vorgelegten Textentwurf als „unzureichend“ und „zu stark von Industrieinteressen geprägt“. Tatsächlich war der Lobbyeinfluss während der gesamten Konferenz ein Dauerthema. Vertreter der Kunststoff- und Ölindustrie waren in Genf stark vertreten, nicht nur in Nebengesprächen, sondern auch bei offiziellen Veranstaltungen.

Allerdings waren auch über 600 Nichtregierungsorganisationen und Dutzende wissenschaftliche Teams vor Ort. Als eine der wenigen positiven Entwicklungen wurde gewertet, dass die Textentwürfe erstmals den Ansatz enthielten, den gesamten Lebenszyklus von Plastik zu regulieren – vom Rohstoff über das Design bis zum Recycling.

UN und Deutschland wollen weiterverhandeln

Vertreter der ambitionierten Staaten bedauerten das Scheitern der Verhandlungen. Frankreichs Umweltministerin Agnès Pannier-Runacher betonte, sie sei „enttäuscht“ und „wütend“. Eine Handvoll Staaten mit kurzfristigen finanziellen Interessen habe die Verabschiedung eines ehrgeizigen Abkommens blockiert.

Ähnlich die Delegation von Kolumbien: „Die Verhandlungen wurden konstant von einer kleinen Zahl von Staaten blockiert, die einfach keine Einigung wollen.“ 

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©bigstock | TebNad | Während die Meere aufgeheizt und zugemüllt werden, geht die Ölförderung weiter – auch für die Plastikproduktion.

Tuvalu, das auf dem Gipfel auch 13 weitere pazifische Inselstaaten vertrat, kritisierte, das Scheitern des Abkommens bedeute, dass „weiterhin Millionen Tonnen Plastikmüll in unsere Ozeane gekippt werden“. Das wirke sich auf das Ökosystem, die Ernährungssicherheit und die Kultur der Inseln aus. 

Der Blick nach vorn ist ungewiss. Der Konferenz-Vorsitzende, der ecuadorianische Diplomat Luis Vayas Valdivieso, hat das Treffen lediglich vertagt, um es, wie er sagte, „zu einem späteren Zeitpunkt“ fortzusetzen. Eine weitere Verhandlungsrunde wurde aber nicht offiziell terminiert.

Doch auch das federführende UN-Umweltprogramm Unep betont, dass die Gespräche weitergehen müssten. Unep-Chefin Inger Andersen behauptete sogar, dass „erhebliche Fortschritte erzielt wurden, als die roten Linien geklärt wurden“. Sie versprach, dass die Arbeit an einer Lösung nicht aufhören werde, „weil die Plastikverschmutzung nicht aufhören wird“.

Auch das Bundesumweltministerium forderte weitere Verhandlungen. „Augenscheinlich braucht es mehr Zeit, um zum Ziel zu gelangen. Daher lohnt es sich, weiter zu verhandeln“, erklärte Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth. Die unterschiedlichen Interessen lägen „noch immer weit auseinander“, erklärte Flasbarth. Das habe die nötige Einigung erschwert.

„Neustart statt Wiederholung“

Während der abschließenden Plenarsitzung in Genf hatten freilich viele Länder ihr Unbehagen über die Fortsetzung der Verhandlungen im gleichen Format geäußert, das nach drei Jahren immer noch kein Abkommen gebracht hat.

Der Schweizer Verhandlungsführer Felix Wertli zum Beispiel sagte, der Prozess brauche eine „Auszeit“. Die Länder sollten überlegen, ob die Plastikverschmutzung nicht am besten im Rahmen der bestehenden UN-Konventionen bekämpft werden könne.

Ein Diplomat aus einem Industrieland sagte gegenüber dem Online-Portal Climate Home, es sei fruchtlos, einfach weiterzumachen, solange die Position der Ölländer festgezurrt bleibe und auch die USA die Schaffung eines neuen Abkommens ablehnten.

Auch einige NGO-Beobachter in den Hallen des „Palais des Nations“ forderten ein Umdenken. David Azoulay, Direktor für Umweltgesundheit beim Center for International Environmental Law, nannte die Verhandlungen in Genf „ein klägliches Scheitern“, da einige Länder „jeden Versuch, ein tragfähiges Abkommen voranzutreiben“, blockiert hätten. Er forderte „einen Neustart, keine Wiederholung“ in zukünftigen Gesprächen. 

Der WWF-Experte Florian Titze wiederum meinte trocken: „Kein Abkommen ist in diesem Fall besser als eines, das den Status quo auf UN-Ebene zementiert, anstatt eine echte Lösung für die Plastik-Krise zu sein.“

Quelle

Der Bericht wurde von der Redaktion „klimareporter.de“ (Joachim Wille) 2025 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung (post@klimareporter.de) weiterverbreitet werden! 

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