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Darwins Reise um die Welt

Keine andere Weltumseglung hat das Verständnis über das Leben auf der Erde so verändert wie Charles Darwins Fahrt auf der Beagle: aus dem Tagebuch wurde die Evolutionstheorie „Die Entstehung der Arten.“ Das Tagebuch von 1845 ist neu übersetzt, ergänzt und prachtvoll illustriert worden. Eine erste Einschätzung von Professor Udo E. Simonis

Wer schon immer mal wissen wollte, warum Charles Darwin so bekannt und bedeutsam werden konnte, wieso er „unsterblich“ wurde, sollte seine Aufzeichnungen von einer Fahrt auf einem Segelschiff studieren. Als er am 27. Dezember 1831 an Bord der HMS Beagle von Plymouth aus in See stach, war er gerade mal 22 Jahre alt. Die Reise sollte eigentlich nur zwei Jahre dauern, doch es wurden fast fünf Jahre daraus. Als er am 2. Oktober 1836 nach England zurückkehrte, hatte er mehr als 1500 Pflanzen- und Tierpräparate in Spiritus eingelegt und fast 4000 Felle, Federn, Knochen, Fossilien und Steine etikettiert. Das Studium all dieser Fundstücke und die Interpretation der begleitenden Beobachtungen legten den Grundstein für sein gut zwanzig Jahre später, im Jahre 1859 erschienenes berühmtes und umstrittenes Hauptwerk „On the Origin of Species“ (Über die Entstehung der Arten).

Wer aber denkt, die Fahrt mit der Beagle sei ein biologisches Forschungsprogramm für Darwin oder gar eine direkte Vorbereitung auf seine die Welt verändernde Evolutionstheorie gewesen, der irrt. Ihrer Majestät Schiff Beagle, eine Brigg mit zehn Kanonen unter dem Kommando von Kapitän Robert Fitz Roy, sollte vielmehr die Vermessung von Patagonien und Feuerland abschließen und weitere chronometrische Messungen an den Küsten Chiles, Perus und einiger Inseln im Pazifik durchführen. Es war der Kapitän, der dem königlichen Hydrographen vorschlug, einen gut ausgebildeten Mann der Wissenschaft mitzunehmen, um keine Gelegenheit zum Sammeln von nützlichen Informationen zu versäumen. Man fand in Charles Darwin einen „jungen Mann mit aussichtsreicher Befähigung, der die Geologie und alle Zweige der Naturgeschichte sehr liebte.“ Die Bedingungen für Mr. Darwin waren, dass es ihm freistehen solle, die Beagle und die Expedition zu verlassen, so er das für angebracht halte, und dass er einen gerechten Anteil an den Ausgaben des Tisches des Kapitäns zahlen solle. In überschwänglichen Worten bedankt sich Darwin bei Fitz Roy und allen Offizieren für herzlichste Freundschaft und beständige Unterstützung, die sie ihm auf der langen Fahrt erwiesen hatten.

Die Fahrt der Beagle von Charles Darwin ist ein umfangreiches, spannendes Reisetagebuch und zugleich ein detailreiches wissenschaftliches Journal zur Biologie, Geologie und Anthropologie, das 1839 erstmals veröffentlicht wurde. Der Text für die vorliegende illustrierte und mit aktuellen Farbfotos ergänzte deutsche Fassung wurde aus der zweiten Ausgabe von 1845 ausgewählt, leicht gekürzt und zugleich durch Auszüge aus zwei anderen Werken ergänzt: aus Kapitän Fitz Roys Reisebericht und aus selektiven Kurztexten aus Darwins Werk  Die Entstehung der Arten.

Mit diesen Beigaben, so begründet es der Verleger, werde Darwins Forschungsreise abgerundet und noch besser verständlich. Die Übersetzung der umfangreichen Texte von Darwin besorgte Eike Schönfeld, die der sporadischen Auszüge aus dem Reisebericht des Kapitäns Heike Rosbach – beides in ganz hervorragender Weise.

Die Reise der Beagle war ungewöhnlich, was die Reisezeit, die Reiseziele und die dokumentierten Ergebnisse betrifft: In insgesamt 21 Kapiteln des Buches geht es von den Kapverdischen Inseln über Rio de Janeiro, Bahia Blanca, Padagonien, Feuerland, Magellanstraße, Chile, Peru, Galapagos-Archipel, Tahiti, Neuseeland, Australien, Keeling Inseln, Mauritius, Cape Town, St. Helena und die Azoren bis zurück nach England. Seltsamerweise lässt die Beagle auf der Reise durch den Pazifik aber Madagaskar, die besonders artenreiche große Insel, rechts liegen – ein Manko, wie ich meine.

Mit 120 Zeichnungen und Schwarz-Weiß-Bildern und mehr als 200 Farbabbildungen, historischen wie aktuellen Fotos und Karten, zeigt diese illustrierte Ausgabe des Buches die Menschen, die Orte und die Arten, über die Darwin während der Expedition Buch führte und berichtete – und nimmt den Leser auch auf diese Weise mit an Bord der Beagle.

Jedes Kapitel wird mit Stichworten in gedruckter Handschrift zu den markanten Beobachtungen, Ereignissen und Deutungen eingeführt. So heißt es in der Einführung des 1. Kapitels unter anderem: „Porto Praya – Ribeira Grande – atmosphärischer Staub mit Infusorien – Lebensweise einer Seeschnecke und eines Tintenfischs – Ursachen verfärbter See ….“

Bereits im Jahre 1838, kurz nach seiner Rückkehr, entwarf  Darwin eine erste Theorie der Anpassung der Arten an ihren Lebensraum durch Variation und natürliche Selektion. Doch über zwanzig Jahre hin trug er Hinweise und Belege für die Fundierung dieser Theorie zusammen bevor er dann, im Jahre 1859, sein Hauptwerk veröffentlichte, das als naturwissenschaftliche Erklärung für die Diversität des Lebens einen Meilenstein der modernen Biologie darstellt.

Es entstanden aber auch mehrere Nebenprodukte der Reise in Form gesonderter Bände über die Korallenriffe, die Vulkanischen Inseln, die auf der Fahrt der Beagle besucht wurden und über die Geologie Südamerikas.

Die Kapitel des Buches sind sorgfältig strukturiert, chronologisch sortiert und konsekutiv wie auch einzeln gut lesbar. Ein häufig auftauchender Name – ein ökologischer Wegweiser für wie eine Reverenz von Darwin – ist dabei Alexander von Humboldt.

Der möglichen Vorliebe der Leser darf der Rezensent nicht vorgreifen wollen. Den einen werden die Zusammenkunft mit Ureinwohnern Feuerlands besonders begeistern, den anderen die Riesenschildkröten und die sonderbaren Meeres- und Landechsen auf den Galapagos-Inseln, oder die Begegnung mit den Maori auf Neuseeland und der Königin von Tahiti.

Die Freude am Text über die lange Reise wird ergänzt durch die zwischengestreuten Hinweise auf zentrale Endergebnisse der Darwin’schen Theorie. So heißt es beispielsweise auf Seite 84: „Aus dem Kampf der Natur, aus Hunger und Tod geht … das Höchste hervor, das wir uns vorstellen können: die Erzeugung höherer Wesen. Es ist etwas Erhabenes an der Auffassung, dass dem Keim allen Lebens nur wenige oder gar nur eine einzige Form eingehaucht wurde und dass … aus einem so schlichten Anfang eine unendliche Zahl der schönsten und wunderbarsten Formen entstand und noch weiter entsteht.“

Auch der Kapitän der Beagle, Robert Fitz Roy, mag den Leser einfangen mit seinen Berichten über den Verlauf der Expedition, die Schwierigkeiten der Navigation und das Leben an Bord, was die Lektüre, wenn man sich die nötige Zeit dafür nimmt, zu einem großen Erlebnis an Aufregung wie auch (weil alles einigermaßen gut ging) an Entspannung werden lässt.

Im Schlusskapitel hält Darwin einen Rückblick auf die Vor- und die Nachteile, die Freuden und Leiden seiner Weltumseglung. Die zentrale Erkenntnis: „Es ist notwendig, sich auf einen Ertrag zu freuen, wie fern er auch sein mag, da eine Frucht geerntet, ein Gutes bewirkt wird“  (S. 448). Es habe viele prächtige Szenen gegeben. Von denen, die sich tief in ihm eingeprägt hätten, „…sei keine erhabener als die von Menschenhand unberührten Urwälder, seien es die Brasiliens, wo die Mächte des Lebens vorherrschen, oder jene Feuerlands, wo Tod und Verfall obsiegen“ (S. 450).

Zu den anderen höchst bemerkenswerten Schauspielen zählt Darwin das „Kreuz des Südens“, die Magellanschen Wolken, die Wasserhose, den Ausbruch des Vulkans Osorno und die Auswirkungen eines heftigen Erdbebens in Concepcion (1835). Und er schließt für sich mit der Einschätzung, dass für einen jungen Forscher nichts förderlicher sein könne als eine Reise in ferne Länder.

Dem möchte sich der (begeisterte) Rezensent anschließen, und dazu ein normatives Darwin-Kriterium formulieren: „Wer immer in den Natur- oder Sozialwissenschaften sich anschickt, sich mit Themen von globaler Relevanz zu befassen, sollte – ähnlich wie Charles Darwin – in ferne Länder reisen. Nur ein Physiker und Chemiker, der die Welt bereist hat, kann überzeugende Aussagen zum Klimawandel treffen; nur ein Ökonom und Politologe, der die Welt gesehen hat, so wie sie ist, kann sich kompetent zur Klimapolitik äußern.“ Und vielleicht können dabei auch Bücher entstehen, die ähnlich faszinierend sind, wie das Reisetagebuch von Charles Darwin.

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Quelle

Udo E. Simonis 2016 ist Professor Emeritus für Umweltpolitik am Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) und Redakteur des Jahrbuch Ökologie

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